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So beurteilt Beltretter-Aktivistin Malin Binding die Klimaziele der Parteien

So beurteilt Beltretter-Aktivistin Malin Binding die Klimaziele der Parteien

So beurteilt eine Aktivistin die Klimaziele der Parteien

SHZ
Fehmarn
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Für die kommende Bundestagswahl hofft Malin Binding auf ein vernünftiges Klimaschutzprogramm der Parteien. Foto: Mirko Kaminski/Beltretter/shz.de

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Anlässlich der Bundestagswahl bezieht die 23-jährige Schleswig-Holsteinerin Stellung zum Klimaschutzprogramm der jeweiligen Parteien. Ihre Erwartungshaltung ist groß. Der „kritische Punkt“ sei erreicht, betont sie.

Jung, engagiert und aktiv für die Umwelt: Mit ihren gerade einmal 23 Jahren hat sich Malin Binding durch ihre Tätigkeit bei der Beltretter-Bewegung und die Proteste gegen den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels in Schleswig-Holstein bereits einen Namen gemacht.

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Zurzeit hat die von der Insel Fehmarn stammende Klimaaktivistin eigentlich gut mit ihrem Studium der Europäischen Medienwissenschaften in Potsdam zu tun. Doch das hält sie nicht davon ab, einen kritischen Blick auf die formulierten Klimaziele der jeweiligen Parteien zu werfen. Im Interview äußert sich die Studentin zum Klimaschutzprogramm zur Bundestagswahl.

„Erneuerbare Energien müssen im Zentrum der Klimapolitik stehen“, sagen die Grünen und fordern damit eine grundlegende Energierevolution. Mindestens fünf bis sechs Gigawatt Wind an Land sollen es werden. Auf der See soll die Zahl für Windkraft bis 2035 auf 35 Gigawatt gesteigert werden. Parallel dazu wird für die Solarenergie der Ausbau auf bis zu 20 Gigawatt gefordert. Realistische Ziele?

Ob die realistisch sind, kann ich nicht beurteilen. Aber erneuerbare Energien sind sehr wichtig und längst fällig. Dass sich die Grünen konkrete Ziele setzen, finde ich sehr gut, weil sie sich dann auch daran halten müssen.

Ich erwarte aber auch, dass die Grünen mehr Kampfgeist zeigen und ihre Ziele bei den Koalitionsverhandlungen auch wirklich umsetzen. Wenn man sich schon als Umweltschutzpartei versteht, dann sollte man bei Punkten zur Umwelt auch nicht zurückstecken.

Die CDU sieht das Kernproblem in der Verschwendung von Ressourcen. „Wir müssen besser mit unseren Ressourcen umgehen“, so die These. Wegwerfgesellschaft beenden, Kreislaufwirtschaft stärken, Rohstoffe vorrangig in Deutschland gewinnen und Recyclingrohstoffe einsetzen, so die Forderung der Christdemokraten.

Das ist ein sehr guter Punkt. Wichtig dabei ist auch der Kohleausstieg. Der ist bei der CDU leider erst später angesetzt als bei den Grünen oder den Linken. Und mich stört, dass sie Klimaschutz und Umweltpolitik nicht als höchste Priorität ansehen, sondern die starke Wirtschaft.

Ihr Argument ist, dass man Arbeitsplätze sichern muss. Dabei ist heutzutage jedem klar, dass die Wirtschaft zusammenbrechen wird, wenn wir die Umwelt nicht retten. Die CDU hat gute Punkte, aber es ist noch nicht genug.

„Die Modernisierung des öffentlichen Personenverkehrs ist essenziell für den Klimaschutz“, ist die SPD der Meinung. Bis 2030 soll in Deutschland das modernste und klimafreundlichste Mobilitätssystem Europas aufgebaut werden. Ticketmodelle sollen gefördert, und Flotten modernisiert werden.

Das ist super wichtig, um den Individualverkehr zu minimieren. Ich denke jeder würde mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wenn die Züge zuverlässiger und die Anbindungen besser wären. Auf dem Land kann man quasi nicht ohne Auto leben.

Außerdem spielt der Preis eine Rolle. Wenn die Autofahrt günstiger ist als ein Zugticket, dann greift man aufs Auto zurück. Es ist also anstrengend, etwas für die Umwelt zu tun. Dabei sollte es leicht sein. Der Ausbau des öffentliche Personenverkehrs ist also ein guter Punkt, mit dem man auch nichts falsch machen kann.

Der FDP geht das nicht weit genug: „Wir müssen in die Natur eingreifen, um den Klimaschutz voranzutreiben.“ Kohlenstoffkreislaufwirtschafts- und Speicherungsgesetze sollen geschaffen werden, um die dafür erforderlichen Technologien wie Geo-Engineering zu fördern, die CO2 aus der Atmosphäre entziehen. Ist das eine Chance für den Klimaschutz?

Geo-Engineering ist für mich ein verzweifelter Versuch, das Ganze zu retten. Ich will die Methode nicht heruntermachen. Es könnte helfen, aber diese Methode ist ein Teil von vielen. Das reicht alleine nicht aus.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Und dann zu sagen, der Markt regelt alles, das klappt in diesem Fall nicht. Wir müssen einfach damit klar kommen, dass Verzicht der Weg ist, und nicht irgendeine geistreiche Erfindung.

Die Linken richten den Blick unter anderem auf den Naturschutz. „Wir müssen mehr auf unsere Böden und Meere achten“, so die Devise. Und zwar indem die Schutzgebiete in Nord- und Ostsee verstärkt vor Überfischung, militärischer Nutzung, dem Anbau von Ressourcen und vor anderweitigen wirtschaftlichen Eingriffen geschützt werden. Stattdessen sollen alternative Fangmethoden gefördert werden. Naturschutz, ein unterschätztes Thema?

Auf jeden Fall! Für den Artenschutz müsste viel mehr getan werden. Tatsächlich sind es das Artensterben und der Verlust der Biodiversität, die langfristig gesehen unsere Erde nicht mehr bewohnbar machen.

Das ist natürlich für Beltretter genau das Thema. In der Ostsee gibt es ein Naturschutzgebiet mit vielen Riffen, Schweinswalen und Robben, die durch den Bau des Fehmarn-Belt-Tunnels zwischen Dänemark und Deutschland vertrieben und zerstört werden würden. Das Naturschutzgebiet wird also einfach ignoriert. Wozu gibt es sowas dann?

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Deshalb ist es ein guter Ansatz der Linken, diese Gebiete verstärkt zu schützen. Die Linken haben generell auch ein sehr radikales Programm mit Verboten von Verbrennungsmotoren und Flügen von unter 500 Kilometern. Das hört sich alles sehr drastisch an. Aber wir befinden uns leider auch in einer drastischen Krise.

„Regionale Lebensmittel sind die Zukunft für nachhaltige und klimafreundliche Ernährung“ – das ist die Überzeugung der AfD. Jede Form der gesonderten Lebensmittelbesteuerung lehnt die Partei ab. Regionale und saisonale Lebensmittel aus Deutschland sicherten den produzierenden und verarbeitenden Betrieben ein hinreichendes Einkommen – bei zugleich hohen Standards in Tier- und Umweltschutz.

An der Stelle ist es zunächst wichtig zu erwähnen, dass die AfD den menschengemachten Klimawandel nicht anerkennt. Sie können also kein Klimaschutzprogramm aufstellen, wenn sie das Problem nicht einmal anerkennen.

Ansonsten ist Ernährung ein guter Stichpunkt. So ist es unter anderem wichtig, sich regional zu ernähren und möglichst auf Fleisch zu verzichten, um die Treibhausgase zu minimieren und die Abholzung zugunsten von Weide- und Futterflächen für Rinder einzudämmen. Da wissen wir mittlerweile, dass die sehr viel Methan ausstoßen. Aber darauf geht die AfD nicht ein.


Wie schätzt Du im Gesamtbild die Klimaschutzziele zur diesjährigen Bundestagswahl ein und was erwartest Du von den Parteien?

Das sind alles wichtige und gute Themen. Aber wir sind an einem sehr kritischen Punkt. Wenn wir nicht sofort und drastisch handeln, werden wir oder unsere Kinder keine Zukunft mehr haben.

Deshalb erwarte ich von den Parteien zur Bundestagswahl ein vernünftiges Klimaschutzprogramm. Insbesondere von den Grünen, weil die sich das auf die Fahne geschrieben haben und viele Menschen aus diesem Grund ihre Hoffnung auf diese Partei setzen.

Und ich fände es gut, wenn die Parteien vergangene Klimasünden zugeben würden. Das ist besser als diese Heuchelei zu angeblich bisher erreichten Zielen, denn das stimmt einfach nicht. Es gehört sehr viel Größe und Stärke dazu, Fehler zuzugeben. Und genau das können viele Politiker leider nicht.


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