Infrastruktur

SPD glaubt nicht mehr an die A20 und setzt auf Elektrofähren über die Elbe

SPD glaubt nicht mehr an die A20 und setzt auf Elektrofähren über die Elbe

SPD setzt auf Elektrofähren über die Elbe

Henning Baethge/shz.de
Glückstadt
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Doppelend-Fähren mit Doppelanlegern: So könnte es auf der Fährlinie Glückstadt-Wischhafen künftig nach den Plänen des Betreibers FRS aussehen. Foto: FRS/shz.de

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Für Schleswig-Holsteins SPD steht der Weiterbau der Küstenautobahn in den Sternen. Sie fordert daher eine klimafreundliche Alternative zum geplanten A20-Elbtunnel bei Glückstadt – und löst Streit in der schwarz-grünen Koalition aus.

Die Autofähre zwischen Glückstadt und Wischhafen ist die einzige Elbquerung westlich von Hamburg – und vor allem im Sommer wegen langer Wartezeiten oft eine Nervenprobe für Reisende. Doch nun soll der Engpass nach dem Willen von Schleswig-Holsteins SPD behoben werden: Sie fordert die schwarz-grüne Landesregierung und deren Ministerpräsidenten Daniel Günther auf, dem Fährbetreiber FRS die geplante Modernisierung und Verstärkung der Linie zu ermöglichen. „Schleswig-Holstein und Niedersachsen brauchen eine leistungsfähige Verbindung“, mahnt SPD-Verkehrspolitiker Niclas Dürbrook.

SPD-Politiker Dürbrook kritisiert Daniel Günther

Dass die Küstenautobahn A20 in absehbarer Zeit von Bad Segeberg unter der Elbe hindurch bis nach Niedersachsen weitergebaut wird, glaubt man in der SPD nicht mehr. „Da Daniel Günther sein Versprechen, die A20 bis 2022 fertig zu bauen, nicht eingelöst hat und der Termin für die Fertigstellung aktuell in den Sternen steht, brauchen wir nun Alternativlösungen“, sagt Dürbrook gegenüber shz.de. Die SPD würde daher „den Ausbau der Fährverbindung zwischen Glückstadt und Wischhafen für eine klimafreundlichere und schnellere Überfahrt begrüßen“.

Ein solches Konzept hat der Fährlinienbetreiber FRS letztes Jahr auch schon vorgelegt. Es sieht den Bau von vier oder sogar sechs elektrisch betriebenen Doppelend-Fähren vor, die anders als die vier jetzigen Schiffe emissionsfrei mit Solarstrom fahren würden und nicht mehr in den Häfen wenden müssten. Kosten: rund 15 Millionen Euro pro Schiff. Zudem sollen Doppelanleger in Glückstadt und Wischhafen entstehen, die das gleichzeitige Abfertigen von zwei Fähren ermöglichen. Auf niedersächsischer Seite soll der Anleger außerdem um rund 700 Meter verlegt werden – heraus aus dem oft stark verschlickten Seitenarm der Elbe direkt an den Fluss.

Dauer der Überfahrt würde sich auf 14 Minuten halbieren

All diese Schritte würden laut FRS nur ein bis zwei Jahre Bauzeit brauchen und könnten die Kapazität der Fährlinie von heute jährlich 600.000 transportierten Fahrzeugen auf das Sechsfache steigern. Die Dauer der Überfahrt würde sich von heute 25 bis 30 Minuten auf 14 halbieren. Und es käme viel seltener zu Wartezeiten.

Allerdings würden sich die Investitionen nur lohnen, wenn der A-20-Tunnel entweder nicht gebaut würde oder Schleswig-Holstein und Niedersachsen den Kauf der Fähren fördern und den Ausbau der Anleger bezahlen würden. „FRS ist bereit in die Zukunft der Elbfähre zu investieren, benötigt aber Hilfe aus der Politik, um Planungs- und Investitionssicherheit zu erhalten“, sagt FRS-Chef Tim Kunstmann. Denn wenn der nur wenige Kilometer entfernt geplante A-20-Tunnel doch käme, stünde die Fährlinie vor dem Aus.

Grüne halten Fähren für die bessere Alternative zur A20

Die mit der CDU regierenden Grünen begrüßen den SPD-Vorstoß für einen Ausbau der Fährverbindung. Eine Förderung dieses Projekts sei die „kostengünstigere und schnellere Alternative“ zum Bau des rund zweieinhalb Milliarden Euro teuren Elbtunnels – zumal dessen Fertigstellung „in nicht absehbarer Zeit“ liege, sagt die grüne Verkehrspolitikerin Nelly Waldeck. „Ginge es nach uns Grünen“, ergänzt sie, „würde der Elbtunnel nicht gebaut – damit hätte der Fährbetreiber auch die nötige Investitionssicherheit.“

Ihr Parteifreund und Landesumweltminister Tobias Goldschmidt, der gerade ein großes Klimaschutzprogramm angekündigt hat, stellt den Tunnel zwar nicht in Frage. Aber er sagt auch, es sei „ganz im Interesse des Landes, Fährverkehre klimafreundlich zu gestalten“. Entsprechende Pläne würden „genau auf ihre Förderfähigkeit geprüft“. Allerdings liege ihm das Konzept von FRS bisher nicht vor.

Im Ressort des Kieler CDU-Verkehrsministers Claus Ruhe Madsen dagegen lehnt man eine Förderung der FRS-Fähren und eine Abkehr von der A20 ab. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass der A-20-Elbtunnel kommen wird“, sagt Madsens Staatssekretär und Parteifreund Tobias von der Heide. Das bekräftigt die von Bund und Land mit dem Tunnelprojekt beauftragte Planungsgesellschaft Deges: „Wir gehen Stand heute davon aus, dass wir den Bau 2032 fertigstellen“, sagt Firmensprecher Ulf Evert.

Allerdings räumt er auch ein, dass es einen „exakten Zeitplan“ bisher nicht gebe. Derzeit liegt die Baugenehmigung für den Tunnel beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die FRS und zwei Umweltverbände haben Klage eingereicht.

Verkehrsminister Madsen will neue Fähren nicht fördern

CDU-Staatssekretär von der Heide sagt zwar außerdem noch, dass er die Fährlinie Glückstadt-Wischhafen „sehr schätzt“ und die vorgeschlagene Modernisierung „begrüßt“. Doch die vom Betreiber FRS geforderte staatliche Unterstützung sei „beihilferechtlich schwierig“. Kurzum: „Fördermöglichkeiten durch das Land existieren bisher nicht.“

Damit wiederum will sich Dürbrook nicht zufrieden geben. „Das Land sollte sich mehr einbringen und Gespräche mit FRS sowie der niedersächsischen Regierung aufnehmen“, fordert er. Dabei dürfe es nicht nur um „eine mögliche Landesbürgschaft für klimafreundliche Fähren“ gehen, sondern vor allem um einen „Ausbau des Anlegers“ in Glückstadt. „Für den Industriestandort Westküste wäre das ein echter Gewinn“, sagt der Landtagsabgeordnete.

Allerdings zeigt sich in Niedersachsen Dürbrooks SPD-Parteifreund Olaf Lies, Verkehrsminister des Landes, ähnlich zugeknöpft wie sein Kieler Kollege Madsen. Zwar begrüße auch er „generell die Aktivitäten der FRS Elbfähre“, sagt Lies. Doch eine Förderung der Fährlinie sei „nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben möglich“ – und dabei müsse Beihilferecht beachtet werden.

Für Umbauten am Anleger in Wischhafen sieht Lies sich nicht zuständig: „Der Fähranleger befindet sich in privater und kommunaler Trägerschaft – insofern obliegt es der Eigentümergemeinschaft, eine Verlegung zu diskutieren.“ Und schon gar nicht will er den A-20-Tunnel aufgeben: „Wir halten mit Nachdruck am Bau der A20 und der festen Elbquerung fest.“

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