Schleswig-Holstein

Thomas Losse-Müller: „Regierung treibt Menschen in die Verschuldung“

Thomas Losse-Müller: „Regierung treibt Menschen in die Verschuldung“

„Regierung treibt Menschen in die Verschuldung“

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Will den Klimaschutz sozial gestalten: Thomas Losse-Müller. Foto: Michael Staudt/shz.de

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Die SPD-Landtagsfraktion in SH kritisiert die Bundesregierung und verlangt, dass Ministerpräsident Daniel Günther Wärmenetze baut und die Abfederung der Folgen des Klimawandels zur Chefsache macht.

Herr Losse-Müller, sollte man das jetzt nicht mal lassen mit der Ampel?

Losse-Müller: Die Ampel ist ein Projekt, das für die Zukunft Deutschlands wichtig ist. Aber wir haben im Moment politische Konflikte in der Regierung, die gelöst werden müssen.

55 Prozent der Deutschen wollen laut einer Umfrage das Ende der Ampel – deren Gefühl kann doch nicht täuschen?

Nein, beispielsweise war das Verbot zum Einbau von Öl- und Gasheizungen ab 2024 nicht gut durchdacht. Da gibt die Ampel-Regierung ein schlechtes Bild ab.

Was genau?

Es ist klar, dass wir von Öl und Gas wegkommen müssen, aber die Alternative muss für alle bezahlbar sein. Wir dürfen die Menschen, denen beim Gedanken an die Umrüstung ihrer Heizung Angst und Bange wird, nicht allein lassen. Deswegen kann ich deren Ärger gut verstehen. Ich ärgere mich ja auch, sowohl über die Landesregierung als auch über die Bundesregierung.

Ist ja klar, dass Sie als Oppositionsführer jetzt die Landesregierung angreifen...

...weil die ganz wichtige Schritte machen muss, damit die Leute hier im Land Sicherheit haben. Ich fordere von der Landesregierung, dass sie in den nächsten zwölf Monaten einen Plan vorlegt, wo und an welcher Stelle die Menschen durch ein Wärmenetz mit Wärme versorgt werden können und wo nicht. Die Daten dafür sind alle da. Das ist Nummer eins. Diese Grundsatzentscheidung darf die Regierung nicht auf die Kommunen abwälzen.

Und Nummer zwei?

Ich möchte, dass überall, wo ein gemeinschaftlich getragenes Wärmenetz kommt, der Bund die klare Ansage macht: Hier muss niemand irgendeine teure Investition in eine andere Modernisierung machen...

...zum Beispiel in den Einbau einer Wärmepumpe.

Genau. Solche individuellen Anlagen sollten nur dort gefördert werden, wo es keine Wärmenetze geben kann.

Klingt ziemlich dirigistisch. Wie hoch ist der Anteil der Haushalte in Schleswig-Holstein, die an ein Wärmenetz angeschlossen werden könnten?

Ich würde das Verantwortung nennen. Dirigistisch ist es, wenn man ein Verbot ohne funktionierende Alternative ausspricht. Das finde ich falsch! Ich bin der festen Überzeugung, dass 60 Prozent der Haushalte in den nächsten zehn bis 15 Jahren an ein Wärmenetz angeschlossen werden könnten. Der Blick nach Dänemark beweist das. Jedes Haus einzeln zu dämmen und sanieren, ist nicht wirtschaftlich. Das zeigen beispielsweise Studien der bundesweit renommierten Arbeitsgemeinschaft zeitgemäßes Bauen aus Schleswig-Holstein.

Als Sozialdemokrat müssen Sie ja für kollektive Lösungen werben...

...weil gemeinschaftliche Lösungen günstiger und gerechter sind. Die gelingen aber nur, wenn sich Politik kümmert. Deshalb muss Ministerpräsident Daniel Günther nicht nur den Bau der Wärmenetze, sondern die gesamte Transformation zur Chefsache macht. Es reicht nicht, Hände zu schütteln und mal mit irgendwelchen Leuten Joggen zu gehen. Wir brauchen einen Ministerpräsidenten, der dafür sorgt, dass das Leben bezahlbar bleibt.

Was muss passieren?

Ein Beispiel: Die Stadtwerke in Schleswig-Holstein wollen Wärmenetze bauen und wissen, wie sie erneuerbare Energien nutzen können. Aber für die notwendigen Investitionen veranschlagen sie sechs Milliarden Euro – Kapital, das sie nicht haben. Dieses Kapital kann zum großen Teil nur vom Land kommen. Wenn das Land die Kosten nicht schultert, treibt die Landesregierung viele Haushalte in die Verschuldung, weil die Menschen diese Kosten dann privat tragen müssen.

Individuelle Förderungen für neue Heizungen sind keine Alternative?

Nur wo das die wirtschaftlich beste Lösung ist. Das ist sie meistens nicht. Gemeinsame Wärmenetze sind einfach günstiger. Deshalb liegt es auf der Hand, dass Kommunen und Land die Wärmewende umsetzen müssen. Denn die Bundesregierung wird keine Wärmenetze bauen. Das ist Aufgabe des Landes und der Kommunen. Die Bundesregierung geht dann noch zu ideologisch ran – insbesondere Robert Habeck als grüner Klimaminister. Über kurzsichtige Verbote ärgere ich mich, weil wir als SPD dann immer wieder in die Bresche springen müssen, um für eine sozial gerechte Umsetzung zu sorgen.

Jetzt tun sie so, als wenn FDP und Grüne sich die Köpfe einschlagen, und am Ende die SPD im Bund alles heilen muss...

...nicht nur das. Die SPD ist die Partei in der Bundesregierung, die Politik von den Menschen her denkt und darauf achtet, dass sie sich auch alle leisten können. Das ist der schwierigste Teil der Koalitionsarbeit, aber unsere Aufgabe.

Trotzdem unterstützen nur knapp über 60 Prozent der SPD-Anhänger die Ampel. Nicht viel, oder?

Das ist zu wenig, aber wir leben in schwierigen Zeiten mit harten Konflikten. Ich glaube, dass viele Menschen dann doch verstehen, dass wir nicht immer nur an die Produktion von Schlagzeilen denken, sondern die Dinge tiefer durchdenken und immer den sozialen Zusammenhalt im Fokus haben.

Und die Ampel hält die ganze Wahlperiode über?

Davon bin ich überzeugt. Und wenn wir durch diese schwierige Phase durch sind, hat sie auch eine gute Zukunft.

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