Tradition

Totgesagte leben länger: So geht es beim nordfriesischen Kartenspiel Knüffel zu

Totgesagte leben länger: So geht es beim nordfriesischen Kartenspiel Knüffel zu

So geht es beim nordfriesischen Kartenspiel Knüffel zu

Till Zimmermann/shz.de
Nordfriesland
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Knüffen ist in Nordfriesland immer noch in. Foto: Till Zimmermann

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Schon vor 100 Jahren rechnete man mit dem schnellen Ende des nordfriesischen Kartenspiels. In Hattstedt hält der Knüffel-Club die Tradition aber weiter hoch. Ein Ortsbesuch.

Es fängt enttäuschend an. „Kannst du denn Platt, junger Mann?“, fragt Herweg Albertsen. „Nein“, antwortet der Gast. „Ja, dann kannst Du auch nicht spielen.“ Gelächter in der Runde.

„Altfriesisches Nationalspiel“, nennt ein Aufsatz das „Knüffeln“ in einer Heimatzeitschrift von 1924. Und ist sich sicher, dass „dieses seltsame Spiel (...) hier nach wenigen Jahren ganz aussterben dürfte“. Doch die Knüffelrunde im Haus des Ortskulturrings am Bahndamm in Hattstedt macht einen sehr lebendigen Eindruck. Da wird „der Twist weggeschnappt“, „dreimal gedreht“, häufig gefolgt von einem „dat heff ick nich“.

Und dann geht’s los. „Die Fünfer sind raus“, stellt Christa Brodersen fest. „Sonst normales Rommé-Blatt.“ Sechs Karten werden an die vier Spieler um den Tisch verteilt. Die restlichen werden abgelegt und zwei Karten von diesem Stapel abgenommen. Die ersten halblauten Kommentare der Spieler: „So ein Mist.“ „Des is nix.“ Plötzlich fliegt die erste Karte in die Tischmitte. Noch bevor die zweite liegt, sagt Rosi Wachsmuth: „Nicht so hoch, sonst kann ich nicht stechen!“

Pausen machen? „Hier wird gespielt“

„Beim Doppelkopf werden Pausen gemacht, da wird gegessen und geschnackt. Macht ihr das auch?“, fragt Christel Schmidt vom Ortskulturring. Kopfschütteln in der Runde, ablehnendes Murren. „Hier wird gespielt“, teilt Brodersen mit. Und geblufft, denn die Kommentare sollen anderen Spieler im Unklaren über das eigene Blatt lassen. Die kleine Glasschale mit der Schokolade wandert zwar durch die Runde, aber nachdem sie zum zweiten Mal vor Albertsen zu stehen kommt, schiebt er sie mit einem „Nimm dat ma wech!“ beiseite.

Knüffeln ist ein Stichspiel, die höchste der vier Karten gewinnt. Plötzlich liegt Pik auf Karo, der Gast runzelt die Stirn. „Du musst alle Regeln vergessen, bloß die Karten muss man kennen.“ Und um die kennenzulernen, sind Dörte Ingwersen und Christel Schmidt da, die Vorsitzenden vom Ortskulturring. „Wir organisieren ziemlich viel hier: Straßenflohmärkte, Seniorennachmittage, Plätzchenbacken für Kinder.“ Die Knüffler zum Beispiel nutzen die Räume und bieten im Gegenzug Kurse für Anfänger an. „Von Tönning bis Nordstrand kamen die Anmeldungen. Sieben Spieler saßen gestern hier.“ Und sind bestimmt dankbar über die laminierten Regelkarten, um mit einem Blick zu wissen, was „de fief Olen“ sind, was ab Twist und ab Drist sticht.

Mitmachen kann jeder – aber Platt sollte man snacken können

Die Runde am Tisch braucht keine Hilfen. Seit 18 Jahren knüffelt Bendixen, der Rest spielt kürzer. „Vier Jahre, meist einmal die Woche, dann konnte ich es gut“, sagt Rosi Wachsmuth und sortiert die 10 und 20 Cent-Münzen. „Das ist ein Glücksspiel“, lacht Herweg Albertsen und erzählt, dass es mit seinen Kindern um höhere Beträge geht.

Die Knüffler in Hattstedt geben das Spiel auch in der Familie weiter und so gibt es das immer noch, obwohl schon 1924 das Aussterben prophezeit wurde. „Mitmachen kann man natürlich auch“, sagt Christa Brodersen. Platt snacken sei aber schon wichtig, da ist sich die Runde einig. Doch dafür weiß Ingwersen Rat: „Bei Christiansens Gasthof haben wir einmal im Monat einen plattdeutschen Abend.“

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