Konzert in Flensburg

TV-Moderator und Musiker Reinhold Beckmann: „Die Kultur darf sich jetzt nicht zurückziehen"

Reinhold Beckmann: „Die Kultur darf sich jetzt nicht zurückziehen"

Beckmann: „Die Kultur darf sich jetzt nicht zurückziehen"

SHZ
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Der Musiker Reinhold Beckmann und seine Band werden Lieder aus seinem dritten Album „Haltbar bis Ende" spielen, welches letztes Jahr im März erschien. Foto: Steven Haberland/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Reinhold Beckmann tritt am 5. März mit seiner Band in Flensburg auf. shz.de sprach mit ihm über sein drittes Album, über die Notwendigkeit von Live-Auftritten in Pandemie-Zeiten und dem Glaubwürdigkeitsproblem der Bundesliga.

Herr Beckmann, am 5. März spielen Sie in der Robbe & Berking Werft in Flensburg. Was verbinden Sie mit der Fördestadt?
Komischerweise haben wir noch nie in Flensburg gespielt. Deshalb ist da jetzt schon eine gewisse Vorfreude, dass wir endlich in der großen Handballstadt spielen. Wir kommen mit der ganzen Band. Ich verspreche, es wird ein besonderer Abend. Endlich wieder live spielen.

Wie kamen Sie zur Musik?
Mein älterer Bruder hat mich inspiriert. Er brachte in den 60-er Jahren die ersten Platten von den Beatles und den Beach Boys nach Hause. Wir, meine Brüder und ich, versuchten die Beach Boys dreistimmig nachzusingen. Das ist uns natürlich gehörig misslungen (lacht). Später habe ich meinem Bruder dann seine Gitarre geklaut, die er eh nicht gespielt hat. Ich konnte sie gut gebrauchen.Wir hatten nämlich in der Schule einen Leistungskurs Musik. Ich habe dort klassische Gitarre gespielt. Und dann kam der Konflikt. Als altes Hippiekind war mir die Musik von Woodstock natürlich viel näher als eine Gitarrensuite von Bach.

Was zeichnet Ihr Album „Haltbar bis Ende" aus, welches im März letztes Jahres erschienen ist?
Viele Kritiker haben geschrieben, dass es mein persönlichstes Album sei. Ich kann da nicht widersprechen. Da ist zum Beispiel das Stück „Vier Brüder." Das ist die Geschichte der vier Brüder meiner Mutter, die alle aus dem Krieg nicht mehr nach Hause gekommen sind. Ich dachte, irgendwann muss ich diese Verlustgeschichte der Familie in einen Songtext packen. Ich bin überrascht, dass dieses Lied so viele Reaktionen hervorgerufen hat – wenn man auf Youtube die ganzen Kommentare liest, was Menschen da reingeschrieben haben, auch an persönlichen Geschichten ihrer eigenen Betroffenheit. Wir haben den Song vor kurzem auf der Gedenkfeier im Bundestag zum Volkstrauertag mit einem Orchester gespielt. Das war für uns eine große Ehre und ein bewegender Moment. Welche Aktualität die Themen Krieg und Verlust in diesen Stunden für uns in Europa wieder bekommen, ist wirklich erschütternd. Ich hätte das nie für möglich gehalten.

Woher nehmen Sie ihre Inspirationen?
Ach, wenn ich das wüsste. Songs schreiben ist eine ziemlich unberechenbare Angelegenheit. Manchmal fällt mir auch nichts ein. Mittlerweile habe ich aber ein tiefes Vertrauen, dass Phasen kommen, in denen es wieder gut läuft. Man kann das nicht so maschinell abrufen. Beim Musik schreiben braucht man wirklich einen inspirierenden Moment, da braucht es so einen gewissen Flow.

Inwiefern hat die Corona-Pandemie Sie als Künstler eingeschränkt?
Das ist wirklich keine einfache Zeit, die wir alle da gerade durchmachen. Viele Kollegen, zum Teil herausragende Musiker haben aufgegeben und machen jetzt beruflich was anderes. Das kann´s ja nicht sein. Letzte Woche haben wir Konzerte in Süddeutschland gegeben. Ich bin schon froh, dass die überhaupt stattgefunden haben. Es hat sich vieles verändert in der Branche. Und es ist auch viel kaputt gegangen. Besonders für die Existenzen hinter den Kulissen. Veranstalter, Techniker etc. Für die braucht es schnell wieder Erfolgserlebnisse und auch nach wie vor die staatliche Unterstützung.

Die Corona-Lage ist ja weiterhin angespannt, trotz Lockerungen. Wieso warten Sie nicht noch ein paar Wochen und treten jetzt schon auf?
Die Kultur darf sich nicht zurückziehen. Das wäre schlimm. Wir alle brauchen diese kleinen Fluchten aus unserem Alltag. Es braucht den Theater- oder Konzertbesuch in solchen Zeiten. Das ist ganz wichtig. Bei unseren aktuellen Konzerten merke ich irgendwie eine ganz besondere Atmosphäre. Du spürst die große Dankbarkeit und die Sehnsucht endlich wieder Musik zu hören. Wenn ich jetzt ins Theater gehe, berührt es mich selbst auch auf eine besondere Art und Weise. Viel mehr als vorher. Mir wird klar, wie wichtig das Live-Erlebnis ist. Diese Direktheit, diese Nähe zu den Leuten, dieses Unmittelbare. Das schafft Fernsehen übrigens nicht.

Was macht Sie glücklich?
Live spielen zum Beispiel. Manchmal denke ich, ich hätte viel früher damit beginnen sollen. Live spielen schlägt alles. Schon Tage vorher freue ich mich, wenn es am Wochenende wieder losgeht. Fünf Minuten vor dem Auftritt empfinde ich pure Vorfreude auf die Bühne zu gehen und Geschichten zu erzählen. Musik machen hat mich schon immer glücklich gemacht, aber ich hatte mir das früher nie so zugetraut.

Wie ist Ihr Konzertprogramm aufgebaut?
Puh. Ich versuch´s mal zu beschreiben. Es gibt den politischen Part des Programms. Es gibt aber auch den lustigen, fast albernen Teil des Abends. Die romantisch-melancholische Farbe darf auch nicht fehlen. Ich liebe es nämlich, Balladen zu spielen. Und dann sind da die kleinen Erzählgeschichten über die Macken und Untiefen unseres täglichen Lebens. Jeder kennt ja dieses Scheitern, das Misslingen - auch im Guten.

Kommen wir am Ende einmal von der Musik zum Sport: Sie haben in den vergangen Jahren zahlreiche Fußballspiele im Free-TV kommentiert. Mittlerweile erleben wir, dass sich immer mehr Fans vom modernen Fußball abwenden. Schauen Sie noch gerne Fußball und wie bewerten sie diese Entwicklung?
Ich habe den Beruf über 30 Jahre gemacht. Meine Liebe für den Fußball ist ungebrochen, aber auch ein wenig getrübt. Dieses extreme Geld, das da gezahlt wird, hat zu einer Entfremdung geführt. Nicht nur bei mir, vielen geht es so. Das Unternehmen Bundesliga läuft Gefahr, die Herzen seiner Fans zu verlieren. Komischerweise schaue ich im Moment lieber 2. Liga. Die Spiele sind unberechenbar, ständig wechselt der Tabellenführer und die Liga ist voll besetzt mit alten Traditionsvereinen.


Mehr lesen