Kündigung wegen steigender Energiepreise

Verbraucherzentrale SH rät: Schadensersatz vom Energieversorger fordern

Verbraucherzentrale SH rät: Schadensersatz vom Energieversorger fordern

Schadensersatz vom Energieversorger fordern

SHZ
Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Verbraucherschutzminister Claus Christian Claussen (CDU, links) und Stefan Bock, Vorstand der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, bei der digitalen Pressekonferenz. Foto: Eckard Gehm/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Steigende Energiepreise, Inflation und Giga-Konzerne. In Kiel haben die Verbraucherschutzzentrale und Verbraucherschutzminister Claus Christian Claussen (CDU) erklärt, wie sie Bürgern helfen wollen.

Steigende Energiepreise, Inflation und Giga-Konzerne. In Kiel haben die Verbraucherschutzzentrale und Verbraucherschutzminister Claus Christian Claussen (CDU) erklärt, wie sie Bürgern helfen wollen.

Der Gas- und Strommarkt ist im Ausnahmezustand. Etliche Unternehmen, deren Geschäftsmodell darin bestand, sich am Terminmarkt günstig eindecken zu können, wurden von den Preissteigerungen kalt erwischt und haben ihre Lieferverträge einfach gekündigt. Ihre Kunden fielen damit automatisch in den Grundtarif ihres örtlichen Versorgers.

Doch damit fängt der Ärger erst an, wie die Experten der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein am Mittwoch auf ihrer Jahrespressekonferenz mit Verbraucherschutzminister Claus Christian Claussen (CDU) verdeutlichten.

Gaspreis um 170 Prozent gestiegen

Energie-Experte Tom Janneck: „Wir haben einen Fall, bei dem der Gaspreis nun um 170 Prozent gestiegen ist. Für eine dreiköpfige Familie wären das 2000 Euro pro Jahr.“ Die Verbraucherzentrale sei überzeugt, dass die Kündigungen nicht rechtens seien, weil sie EU-Recht widersprächen. Die Bundesregierung prüfe das gerade.

Nur was tun? „Kunden haben die Möglichkeit, Schadensersatz von dem Energieversorger zu fordern, der gekündigt hat“, sagte Janneck. Und weil die Preissteigerungen gerade für Geringverdiener schwer zu stemmen seien, sehe er erheblichen sozialen Sprengstoff. „Da ist die Politik gefordert, der angedachte Heizkostenzuschuss von 135 Euro pro Person reicht da nicht, 500 Euro müssen es schon sein.“

Verbraucherzentrale soll Fälle für die Politik bündeln

Verbraucherschutzminister Claus Christian Claussen (CDU): „Betroffene sollten sich unbedingt an die Verbraucherzentrale wenden, damit sie der Politik einen Überblick liefert und wir das politisch einspeisen können.“

Ratschlag der Verbraucherzentrale: Bei der Suche nach einem neuen Anbieter auf Verträge mit Preisgarantie und kurzer Laufzeit setzen, damit gewechselt werden kann, sollte sich die Lage bessern.

Neuer Schwerpunkt: Energiewende und Nachhaltigkeit

Stefan Bock, Vorstand der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, sagte: „Viele Verbraucher suchen derzeit auch nach Möglichkeiten, sich von steigenden Energiepreisen unabhängig zu machen. Wir bekommen täglich Anfragen zur Nutzung von erneuerbaren Energien und zur energetischen Sanierung von Altbauten.“ Deshalb werde die Verbraucherzentrale in den kommenden Jahren einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Themen Energiewende und Nachhaltigkeit legen.

Land fördert Verbraucherzentrale mit 1,8 Millionen Euro

Die Landesregierung, die die Arbeit der Verbraucherschützer unterstützt, finanziert die Energiewende-Beratung künftig mit jährlich 330.000 Euro. Wie Claussen erklärte, sei die Finanzierung insgesamt von 890.000 Euro im Jahr 2017 jetzt mittlerweile auf 1,8 Millionen Euro angehoben worden.

Inflation trifft Familien auf Suche nach einem Haus

Das Thema Inflation trifft nach Erfahrung der Verbraucherzentrale immer mehr Familien auf der Suche nach einem Eigenheim. Finanz-Experte Michael Herte: „Banken fordern jetzt häufiger ein höheres Eigenkapital. Für manche Familien ist es derzeit nicht möglich, dass aufzubringen. Wir beraten sie über Alternativen wie genossenschaftliches Wohnen.“

Claussen: Politik muss konzeptionelle Antworten liefern

Verbraucherschutzminister Claussen erklärte: „Neben der Frage einer sozialverträglichen Energiewende ist die Versorgung der Bevölkerung mit leistbaren Mieten eine unserer Hauptaufgaben. Im Zuge der steigenden Inflation stellen sich Fragen, auf die Politik konzeptionelle Antworten liefern muss.“

Im vergangenen Jahr haben sich rund 50.000 Menschen auf der Suche nach Rat oder mit Beschwerden an die Verbraucherzentrale gewandt. Rechtliche Fragen zu Reisen und Veranstaltungen in Corona-Zeiten sowie Ärger mit Fitnessstudios und Lieferprobleme im Handel seien 2021 die beherrschende Themen gewesen.

Jungen Menschen kritisieren die Macht der Giga-Konzerne

Künftig besser erreichen wollen die Verbraucherschützer junge Menschen und haben gefragt, was sie beschäftigt. Dabei kam auch die Macht der großen Internet-Konzerne zur Sprache. Katrin Rieger, Referentin für Verbraucherbildung: „Ein 17 Jahre alter angehender Abiturient hat es sehr gut auf den Punkt gebracht. Er sagte, für ihn sei die größte Herausforderung die Selbstkontrolle, da die Möglichkeit, zu allem einfach Zugang zu haben, exponentiell gestiegen sei und Giga-Konzerne versuchten, die Nutzer von ihren Angeboten abhängig zu machen.“ Mädchen hätten bei der Befragung berichtet, für sie baute der Umgang mit Likes oder negativen Kommentaren einen enormen Druck auf.

Rieger: „Junge Menschen müssen alle Entscheidungen zu erstem Mal treffen und sind damit verletzlich. Wir wollen ihre Kompetenzen stärken, ihnen Schutz und Orientierung geben.“

Mehr lesen

Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“