Biohof Thees in Mildstedt

Vom Feld direkt auf den Husumer Wochenmarkt – Unterwegs mit einem Gemüsebauern

Vom Feld direkt auf den Husumer Wochenmarkt

Vom Feld direkt auf den Husumer Wochenmarkt

Yannik Burgemeister/shz.de
Mildstedt
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Auf dem Biohof Thees wird das Gemüse am Tag vor dem Wochenmarkt frisch geerntet. Foto: Staudt/shz.de

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Heinrich Thees sitzt zufrieden auf seinem etwas in die Jahre gekommenen Trecker. Hohe Energiekosten, teurer Dünger – all das stört ihn auf seinem Biohof nicht. „Wir wollen hiermit nicht reich werden, sondern glücklich.“ Das ist leicht gesagt. Aber lohnt sich der Gemüseanbau überhaupt noch?

Es ist ein Donnerstagmorgen im Juli, im Trine-Brunnen spiegeln sich die Sonnenstrahlen. Um 10 Uhr zeigt sich Husum von seiner schönsten Seite und auf dem Marktplatz herrscht reges Treiben. Heinrich Thees steht vor seinem Gemüsestand, isst eine Möhre vom eigenen Feld und grüßt die vorbeigehenden Menschen. Man kennt sich, schließlich verkauft er schon seit gut 15 Jahren hier auf dem Markt sein Bio-Gemüse.

Landwirtschaft in der Krise

Wenn man dem 50-Jährigen ins sonnengebräunte Gesicht schaut, könnte man meinen, die Welt der Landwirtschaft sei noch in Ordnung. Dabei dominieren ansonsten Berichte über explodierende Preise – vor allem beim Gemüse. Aber kann lokaler Anbau in Bio-Qualität die Lösung sein?

Die Treckerfahrt als Bewährungsprobe

Die Spurensuche beginnt in Mildstedt, Mittwochmorgen um 8 Uhr. Man müsse mit anpacken, sagte Thees im Vorhinein. Auf dem kleinen und versteckt gelegenen Hof angekommen, ging es direkt ans Eingemachte: „Einmal aufsteigen, du fährst mit dem Trecker jetzt aufs Feld.“ Die Gangschaltung sei etwas lose und bei Kurven sollte man besser den Fuß vom Gas nehmen, lauten die letzten Tipps des Landwirts, der sich kurz mit auf den Traktor setzt. Und tatsächlich: Nach zweimaligem Abwürgen rollt der Trecker, der grob geschätzt ungefähr 40 Jahre alt sein dürfte, langsam in Richtung Feld.

Thees geht währenddessen schon mal vor, als könne einem Traktor-Neuling auf dem tonnenschweren Gerät nichts passieren. „Wir fangen beim Kohlrabi an“, hört man ihn rufen. „Wir ernten nur die Großen“, sagt der gelernte Gemüsegärtner, am Feld angekommen. Er achtet sehr auf die Qualität seiner Ware. Knollen mit optischen Mängeln lässt der Landwirt auf dem Feld liegen.

Ernte am Tag vor dem Markt

Fast das gesamte Sortiment seines kleinen Betriebes, das er auf dem Wochenmarkt anbietet, wird am Vortag geerntet. „So sparen wir uns das Kühlhaus.“ Thees zeigt die notwendigen Handgriffe mit einer Schere für die Kohlrabi-Ernte. Nach wenigen Minuten haben auch Ungeübte den Dreh raus und können Knolle um Knolle aus der Erde ziehen. Jetzt muss der Kohlrabi nur noch in die Kisten. Dafür lässt Thees den unbemannten Trecker mit eingelegtem Gang im Standgas zwischen den Feldreihen entlangrollen. Währenddessen werden die Kisten befüllt. „Wenn du unter die Räder kommst, schrei einfach laut“, sagt er.

Handwerkliches Geschick statt Chemiekeule

Warum wird auf dem Hof Thees Bio angebaut? „Wir brauchen die Chemie nicht auf dem Feld“, sagt der Gemüsegärtner. Früher habe es ja schließlich auch ohne Pestizide funktioniert. In keinem Falle ist er aber ein Missionar, betont er. Bio gab es bei ihm auf dem Hof auch vor dem „Hype“. Aber wie geht man ohne Pestizide gegen erntevernichtende Schädlinge vor? Durch eine hohe Gemüsevielfalt und Wildwuchs zwischen den Feldern, sogenannte Blühstreifen, sagt der Gemüsegärtner. Derzeit habe man kaum mit Ungeziefer zu kämpfen.

Hoher Preis durch Personalkosten

Zwei Euro wird ein Kohlrabi am nächsten Tag auf dem Markt kosten. Aber wie setzt sich der Preis zusammen? „Knapp 70 Prozent sind Personalkosten, weil wir so viel mit der Hand ernten“, rechnet Thees vor. Durch die kurzen Wege zum Markt treffen ihn steigende Spritkosten hingegen kaum. Ganz ohne Maschinen kommt allerdings auch er nicht aus. Das will er aber auch nicht: „Es ist keine Schande, schon um 17 Uhr Feierabend zu haben.“

Auf den Preisunterschied zwischen seinen Produkten und Discounterware angesprochen, entgegnet Thees:

Hof gehört zum Verband Bioland

Zehn Hektar Land besitzen er und seine Frau Doris Thees, die vor 20 Jahren den Hof geerbt und aus dem Rheinland nach Nordfriesland gezogen sind. Einen leichten Dialekt hört man bei Heinrich Thees noch heute heraus. Fünf Hektar werden jedes Jahr bewirtschaftet, die anderen fünf können sich erholen. Man könne vom Boden nicht immer nur nehmen, betont der 50-Jährige, dessen Hof dem Anbauverband Bioland angehört. Fünf Mitarbeitende hat die Familie Thees, das Ehepaar ist selbst auch in Vollzeit aktiv.

Salaternte mit rauem Ton

Als nächstes steht die Salaternte an. Unter strenger Aufsicht von Ann-Katrin Jahn, die hier am Hof eine Ausbildung zur Gemüsegärtnerin macht. Zielgerichtet schneidet sie die Salatköpfe zurecht. „Du musst die faulen Blätter abmachen“, sagt Jahn. Sie ist etwas strenger und schaut Ungeübten genauer auf die Finger, als Thees.

Vor ihrer Ausbildung hat sie Landwirtschaft in Brandenburg studiert. Doch Jahn wollte wieder aufs Feld: „Ich bin unfassbar gerne hier draußen.“ Die Sonne strahlt und das Gemüse auf dem Feld leuchtet kräftig. „Ihr Praktis sucht euch immer das beste Wetter aus“, sagt die Mitte Zwanzigjährige mit leichter Ironie in der Stimme.

Optik beim Marktverkauf von hoher Bedeutung

Nachdem die ersten Kisten mit Gemüse gefüllt sind, geht es ans Waschen. Optik ist Thees sehr wichtig: „Nur was auch schön aussieht, wird gekauft.“ Schmecken tue seine Ware eh immer gut, da ist er sich sicher. Im Team packen alle mit an, um Salat und Co. von Erdresten zu befreien. Giftige Pestizide müssen dabei nicht mit abgespült werden.

Gegen 11 Uhr gibt es eine kleine Pause. Inzwischen setzt die Erschöpfung ein. Bei Anfängern deutlich sichtbarer, als bei den Ernte-Profis. Es gibt frisch gebackenes Brot und Kaffee, der gut tut. „Du kannst Anni noch beim Rhabarber helfen, dann bist du entlassen“, so das großzügige Angebot von Doris Thees, die von ihrem Mann nur „Chefin“ genannt wird. Der morgige Markt-Tag werde herausfordernd genug, sind sich alle am Tisch einig.

Hartes Erwachen am Markttag

Und tatsächlich, als am Donnerstagmorgen der Wecker um 4.30 Uhr klingelt, fällt das Aufstehen schwer. Um 6 Uhr beginnt der Aufbau. Heinrich Thees und Ann-Katrin Jahn sind putzmunter. Auch Thees‘ Sohn hilft mit, bevor er zur Schule muss. Als eingespieltes Team klappt der Aufbau reibungslos. Alle Kisten werden an ihren angestammten Platz getragen, beim Anrichten des Gemüses kann jedoch jeder kreativ werden. Schön bunt soll es aussehen, so der Tipp vom Landwirt.

Emsiges Treiben am Donnerstagmorgen

Es ist ein sonderbares Bild auf dem Marktplatz. Wie auf einem Ameisenhügel sieht das Getümmel an den Ständen auf den ersten Blick chaotisch aus. Doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass bei den Marktbeschickern auch um diese Uhrzeit jeder Handgriff sitzt. Egal ob im Laufe des Tages Käse, Wurst oder Gemüse verkauft wird.

Gegen 8 Uhr kommen die ersten Kunden. Als der erste selbst gepflückte Kohlrabi an die Frau gebracht wird, sind Thees und Jahn zufrieden: „Yannik darf gerne wiederkommen.“ Das Verkaufen am Stand ist erfüllend, die Menschen sind meist gut gelaunt und redselig. Eine schöne, heile Welt auf dem Husumer Wochenmarkt.

Kleinstruktur als Möglichkeit?

Vom Acker direkt zum Markt – ein Alleinstellungsmerkmal? „Wir sind nicht repräsentativ für die Bio-Branche.“, entgegnet Thees. Aber kann dieser Weg nicht vielleicht die Zukunft sein, um die Menschen umweltfreundlich zu ernähren? „Es würde funktionieren, wenn es wieder mehr kleinere Höfe geben würde“, sagt der 50-Jährige. Aber solange das nicht der Fall sei, brauche es weiterhin die großen Betriebe.

Um 11 Uhr ist für die Aushilfe Feierabend. Zum Abschied und als Lohn gibt es Gemüse. „Für die Mittagspause“, sagt Thees und beißt von einer Möhre ab.

 

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