Flensburg

Warum baumeln Schuhe über Flensburgs Norderstraße?

Warum baumeln Schuhe über Flensburgs Norderstraße?

Warum baumeln Schuhe über Flensburgs Norderstraße?

Gunnar Dommasch, Antonia Stahl und Anja Christiansen/shz.de
Flensburg
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Das gibt es nur in der Norderstraße: Über 300 Schuhe hängen hier an Drahtseilen und beleben das Stadtbild. Foto: Michael Staudt/shz.de

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Mittlerweile ranken sich zahlreiche Anekdoten um die Herkunft der Hochseil-Schuhe.

Seit 2007 baumeln sie paarweise über der Norderstraße im Wind: abgetragene Sneaker, Skate- und Turnschuhe. Touristen bewundern die Treter am Drahtseil – und stellen fast täglich dieselbe Frage: „Hübsch, aber was soll das?“

Kaum ein Flensburger kennt die richtige Antwort. Mittlerweile ranken sich zahlreiche Anekdoten um die Herkunft der Hochseil-Schuhe. Die Erklärungsversuche reichen von „das ist eine politische Protestaktion“ über „die Schuhe sind ein Kunst-Event“ bis hin zu „Kids aus der Nachbarschaft haben den Schuh-Hochwurf für sich entdeckt“. Oder weisen die Schuhe etwa den Weg zum nächsten Drogendealer?

All diese Behauptungen haben eines gemeinsam: Sie sind wohl frei erfunden. Ursprünglich sollen die Schuhe am Drahtseil die Werbeaktion eines Schuhgeschäfts gewesen sein – das weiß Ingo Nissen, Vorsitzender der IG Norderstraße. Den Laden gibt es längst nicht mehr – doch die Galoschen zwischen den Häuserfluchten blieben Flensburg erhalten. Mehr noch: Heute hat der Schuh-Wurf auf der Norderstraße Hochkonjunktur.

Die baumelnden Galoschen sind eine Attraktion der Altstadt und zählen zu den meistfotografierten Objekten Flensburgs.

Die Drahtseile dienten einst als Aufhängung für den Fahrdraht der unvergessenen Straßenbahn, später baumelte dort die Weihnachtsbeleuchtung. Heute hängen eben Schuhe an ihnen. Viele Schuhe. Sie sind inzwischen als ungekröntes Wahrzeichen der Norderstraße ein unverzichtbares Kulturgut und fester Bestandteil von Stadtführungen.

Da aber die Historie hinter der ungewöhnlichen Straßendeko nicht so einfach zu klären war, entwickelte sich Ende 2012 die Idee, ein kleines Kompendium mit den interessantesten Geschichten rund um „Das Geheimnis der hängenden Schuhe“ (so der Titel) zusammenzustellen. Mitmachen konnte, wer wollte. Tatsächlich gingen insgesamt 80 Beiträge ein – vom Gedicht über den Krimi bis hin zur Love Story. Dreiste Behauptungen finden sich darin, nachvollziehbare Versionen, amüsante Gedankengänge allemal. Alle Einsendungen wurden abgedruckt – ohne Ausnahme.

Und nicht nur in ein Buch, auch in ein New-Yorker Reisemagazin schaffte es die gemütliche Flensburger Straße: Das millionenfach gelesene Magazin „Travel + Leisure“ hat die Norderstraße im Jahr 2014 in sein Ranking mit den 18 verrücktesten Straßen der Welt aufgenommen.

Doch bei aller internationaler Berühmtheit – daheim in der norddeutschen Küstenstadt sind die Schuhe nicht nur Spaß-, sondern auch Streitfaktor: Mehrfach sind in den vergangenen Jahren Seile unter dem Gewicht der Treter gerissen.

In der Diskussion um mögliche Gefahren oder Schäden an geparkten Autos hatte es viele Diskussionen gegeben – bis sich schließlich ein Versicherungskaufmann bereit erklärte, alle „anfallenden“ Haftpflichtschäden zu übernehmen.

Der durchschlagende Erfolg als städtisches Kuriosum breitet sich inzwischen auch auf der anderen Seite der Flensburger Innenstadt aus: Auch an den Seilen über der Angelburger Straße baumeln inzwischen ein paar Schuhe. Allerdings längst noch nicht in der Masse wie in der Norderstraße.

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“