Stoffwechsel

Warum nehmen einige Menschen schnell zu – und andere nicht?

Warum nehmen einige Menschen schnell zu – und andere nicht?

Warum nehmen einige Menschen schnell zu – und andere nicht?

Sina Wilke/shz.de
Kiel
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Einige Menschen nehmen leichter zu als andere – warum das so ist, hat Tim Hollstein erforscht. Foto: imago stock&people/shz.de

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Wieso nehmen einige Leute schneller zu als andere? Das hat nicht nur mit der Ernährung und dem Hungergefühl zu tun, fand Dr. Tim Hollstein von der CAU Kiel zusammen mit anderen Forscher heraus. Er berichtet uns, was noch im Spiel ist.

Wer kennt das Gefühl nicht: Einige Menschen können essen, was sie wollen und nehmen nicht zu, anderen zeigt sich jedes Stück Schokolade auf der Waage. Aber ist das mehr als ein Gefühl? „Es stimmt. Manche Menschen sind sehr anfällig für Übergewicht und andere nicht“, bestätigt Dr. Tim Hollstein vom Institut für Diabetologie und klinische Stoffwechselforschung am UKSH Kiel.

So haben Forscher sogenannte Hunger-Gene identifiziert, die unseren Appetit beeinflussen: Das Leptin-Gen etwa bildet ein Hormon, das unser Gehirn über die Speicherstände unserer Fettzellen informiert. Wird es durch eine Mutation nicht ausgeschüttet, haben die betroffenen Menschen ständig den Drang zu essen. Auch Varianten im MC4R- und FTO-Gen erhöhen das Risiko für Adipositas, weil sie das Hungergefühl verstärken.

Warum werden einige Menschen dick, andere nicht?

Tim Hollstein hat nun zusammen mit anderen Wissenschaftlern einen weiteren individuellen Einflussfaktor auf das Körpergewicht gefunden, „der wahrscheinlich mehr Menschen betrifft“. Dabei geht es nicht darum, weshalb einige hungriger sind als andere, sondern um genau die Frage, die viele umtreibt: Warum werden manche Menschen dick, obwohl sie genauso viel essen wie Schlanke?

Der Stoffwechsel ist schuld, fanden Tim Hollstein und seine Kollegen in einer Studie heraus. Dabei wurden zunächst Energieverbrauch und Kalorienbedarf der Probanden in abgeschotteten Räumen gemessen. Danach sollten sie einen Tag lang fasten. Dabei beobachteten die Wissenschaftler, dass einige ihren Energieverbrauch um bis zu 15 Prozent herunterfuhren. Bei anderen hingehen blieb er hoch, obwohl sie nichts zu sich nahmen.

Einige Menschen nutzen Energie effizienter als andere

In einem zweiten Experiment bekamen die Probanden dann doppelt so viel zu essen wie nötig. Und auch hier reagierten sie höchst unterschiedlich: Während bei einigen der Energieverbrauch stark anstieg, tat sich bei anderen gar nichts.

Besonders interessant ist der Zusammenhang zwischen beiden Beobachtungen: Jene Menschen, die beim Fasten in eine Art Sparmodus gehen, steigern selbst bei Überernährung ihren Energieverbrauch nur wenig. Sie versuchen also, Energie effizient zu nutzen.

Der „verschwenderische Typ“ dagegen hat sowohl beim Fasten als auch beim Essen einen aktiveren Stoffwechsel, verbrennt dadurch mehr Kalorien und nimmt nicht zu.

Unsere Vorfahren brauchten Reserven, wir wollen sie loswerden

Menschen können also zu einem sparsamen oder einem verschwenderischen Stoffwechsel neigen, wobei es alle Zwischenformen gibt. Welcher Typ in der Gesellschaft überwiegt, ist nicht untersucht, allerdings geht Tim Hollstein davon aus, dass „die meisten Menschen eher sparsam sind, weil das in Jäger- und Sammlerzeiten ein Vorteil war“.

Als unsere Vorfahren nicht immer ausreichend Nahrung zur Verfügung hatten, konnte es schließlich überlebenswichtig sein, mit seiner Energie zu geizen, um Reserven für schlechte Zeiten zu haben. Heute, wo es in den Industrienationen ein Überangebot an kalorienreichem Essen gibt, wird dieses Pfund dagegen zum Fluch.

Wieso man zu welchem Typ gehört und ob man ihn verändern kann, ist noch unklar. „Ich kann mir vorstellen, dass die Genetik wichtig ist, denn auch das Körpergewicht wird bis zu 70 Prozent genetisch bestimmt“, sagt Tim Hollstein. Außerdem haben er und sein Team herausgefunden, dass verschwenderische Typen mehr aktives braunes Fettgewebe besitzen, das Energie im Gegensatz zum weißen Fett nicht speichert, sondern daraus Wärme erzeugt – auch dies dürfte die Stoffwechseltätigkeit beeinflussen.

Babys könnten schon im Mutterleib programmiert werden

„Womöglich spielt aber auch die frühkindliche Ernährung als Baby und während der Schwangerschaft eine Rolle“, vermutet Hollstein. So geben Studien Grund zu der Annahme, dass Babys im Mutterleib auf einen sparsamen Stoffwechsel programmiert werden, wenn die Mutter in der Schwangerschaft fastet. Schließlich signalisiert sie ihrem Kind damit, dass Essen rar ist und man gut mit seiner Energie haushalten muss.

Doch wenn heute ein sparsamer Stoffwechsel Nachteile bringt – ist dann nicht zu erwarten, dass er durch die Evolution verdrängt wird? „Wahrscheinlich werden sich die verschwenderischen Typen mit der Zeit durchsetzen, da sie nicht so stark von Folgeerkrankungen des Übergewichts betroffen sind“, glaubt Tim Hollstein. Aber:

Schwangere sollten auf keinen Fall eine Diät machen

Was können also Menschen mit einem sparsamen Stoffwechsel gegen Übergewicht tun? „Auf ihre Ernährung achten und versuchen, ihren Stoffwechsel in Schwung zu bringen“, rät der Mediziner. Ballaststoff- und proteinreich essen, weil das die Verdauung beschäftigt, und sich zudem immer wieder Kälte aussetzen: kalt duschen, im Winter draußen spazieren gehen, die Heizung herunterdrehen. Schwangere sollten auf keinen Fall Diäten machen.

All das bedeutet aber nicht, dass sich Menschen mit einem verschwenderischen Stoffwechsel nun munter Sahnetorten und Fast Food reinpfeifen dürfen, betont Tim Hollstein. Denn: „Dünn heißt nicht gleich gesund.“ Schließlich ist eine ungesunde Ernährung auch für Krankheiten verantwortlich, die nicht mit Übergewicht zusammenhängen. Und ein reger Stoffwechsel schützt nicht komplett vor Übergewicht. „Wenn man drei Tafeln Schokolade am Tag isst, wird man wahrscheinlich dick werden, egal welchen Stoffwechsel man hat“, sagt Tim Hollstein.

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