Bundestagswahl 2021

Was bedeutet welche Koalition für den Norden?

Was bedeutet welche Koalition für den Norden?

Was bedeutet welche Koalition für den Norden?

SHZ
Kiel
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Will Ministerpräsident werden: Thomas Losse-Müller, (SPD). Foto: Axel Heimken/shz.de

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Egal, ob Ampel- oder Jamaika-Bündnis: Strategie und Taktik in den Parteien werden wichtiger. Eine Analyse

Da lag er daneben. „Ich habe lange mit einer schwarz-grünen Koalition im Bund gerechnet“, sagt Thomas Losse-Müller. Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in gut sieben Monaten hat lange geglaubt, dass er aus der Opposition heraus, leichter Punkte sammeln kann. Nun ist es gut möglich, dass ihn das ereilt, was nach Regierungswechseln im Bund, schon anderen Landespolitikern widerfahren ist: Manche Wähler entscheiden sich für Parteien, die sie bei der Bundestagswahl nicht unterstützt haben.

Swing nach der Bundestagswahl

Wie hart das nach der Übernahme des Kanzleramts Genossen treffen kann, musste 1999 Hans Eichel erfahren. Trotz guter Vorhersagen verloren der hessische Ministerpräsident und seine rot-grüne Regierung die Mehrheit – und das nur wenige Monate nachdem sich die erste rot-grüne Bundesregierung gebildet hatte. Nur bei der Bürgerschaftswahl in Bremen konnte die SPD zulegen, bei allen anderen Landtagswahlen 1999 fuhr sie zum Teil krachende Verluste ein.

Auch die Union hat diese Erfahrungen nach dem Regierungswechsel im Bund 2005 gemacht. Mit Ausnahme der Wahl in Baden-Württemberg, verlor die Union bei allen Entscheidungen in den Ländern an Stimmen.

Nach dem Saarland wählt Schleswig-Holstein als nächstes

Und in Schleswig-Holstein findet nach der Entscheidung im Saarland die zweite Landtagswahl nach der Bundestagswahl 2021 statt. Ob die Wähler die Bildung einer neuen Koalition im Bund auch als Blaupause für ihr Land akzeptieren, bleibt abzuwarten.

Allerdings läuft die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein nicht mehr so geräuschlos, wie es viele Politiker, die für ein schwarz-grün-gelbes Bündnis im Bund werben, jetzt behaupten. Die Unterschiede werden größer – von Steuerfragen über Verkehrspolitik bis hin zu Förderprogrammen für Klimaschutzmaßnahmen. Grünen-Chef Steffen Regis wirbt offensiv für eine rot-grüne Koalition. Umso wichtiger wird es für Ministerpräsident Daniel Günther sein, den Partnern eine Machtperspektive zu eröffnen. Kommt es zu einer Ampel, hängt viel vom Start der Regierung ab. Ist der holprig, könnte das die Partner in Kiel wieder enger aneinander binden – und ein Jamaika-Bündnis 2.0 ermöglichen.

Wer schmiedet das stabilere Bündnis?

Klar wird jedenfalls, dass die machtstrategischen Überlegungen schon im Vorwege einer Wahl an Bedeutung gewinnen. Günther hat gezeigt, dass er scheinbare Widersprüche überdecken kann – allerdings ist ihm dabei auch die gute Konjunktur entgegen gekommen: Jede Partei konnte auch Projekte durchsetzen, die es mit weniger Geld nicht gegeben hätte. In der Pandemie hat die Koalition dank eines Hochfahrens der Verschuldung nichts gekürzt – es ist aber wohl klar, dass das in der Zukunft nicht ohne weiteres fortgesetzt wird.

Zudem werden die Grünen vermutlich weiter zulegen, weil die Klimafrage für manche Wähler noch wichtiger wird. Und die CDU ist nervös, weil sie bei der Bundestagswahl viele Direktmandate eingebüßt hat. Das beunruhigt die Parteibasis und die mittlere Funktionärsebene.

Das Verhandeln einer Koalition ist fast so wichtig wie ein populärer Wahlkampf

Da ist eine Machtoption eine gute Motivation, für CDU wie SPD. Das Verhandeln einer Koalition ist fast so wichtig wie ein populärer Wahlkampf.

Thomas Losse-Müller kann so etwas. Er ist ein strategisch denkender Politiker, der Strippen zu ziehen weiß., Dazu hat er als Ex-Grüner noch gute Verbindungen in seine alte Partei. Als Ex-Banker stößt er bei der wirtschaftsfreundlichen FDP nicht sofort auf Abneigung. Eines scheint bei aller Unsicherheit in diesen Tagen sicher: In Kiel werden in den nächsten Monaten viele Gespräche hinter verschlossenen Türen geführt werden, um entscheidende Dinge vorzubereiten. Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass die SPD noch einmal so unvorbereitet von einem Wahlergebnis getroffen wird wie vor vier Jahren.

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