Gegen den Trend

Wie Familie Bruhn ihre Landschlachterei in Niesgrau fit für die Zukunft gemacht hat

Familie Bruhn macht Landschlachterei fit für die Zukunft

Familie Bruhn macht Landschlachterei fit für die Zukunft

SHZ
Niesgrau
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Sie sehen zuversichtlich in die Zukunft, fordern aber auch gesetzliche Reformen: Kai-Jürgen Bruhn (links) und sein Vater Hans-Jürgen Bruhn. Foto: Peter Hamisch/shz.de

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Viele Schlachtereien auf dem Lande mussten in den vergangenen Jahrzehnten aufgeben. Was machen Hans-Jürgen und Kai-Jürgen Bruhn aus Angeln anders?

Das Handwerk hat ein Problem. Viele Betriebe, insbesondere aus dem Lebensmittelbereich, haben Personalsorgen. Sie finden keinen Nachfolger, müssen sich mit einer Flut von immer neuen Rechtsvorschriften und Auflagen beschäftigen, mit stetig steigenden Kosten und mit der Konkurrenz durch überregional agierende Konzerne.

Viele kleine Betriebe geben auf.

Wie kann ein Handwerksbetrieb in der heutigen Zeit dennoch überleben? Die Landfleischerei Bruhn in Niesgrau ist auch nach 120 Jahren gut aufgestellt.

Wer in Niesgrau eine Schlachterei betreiben will, kann nicht von der örtlichen Kundschaft leben, der muss seine Kunden in der ganzen Region finden. Die Landschlachterei Bruhn in Niesgrau im Röhrmooser Weg steht seit 120 Jahren für eine qualitativ hochwertige Ware und besonders für Vielfalt in der Produktion und im Geschmack.

„Bei uns werden die entscheidenden Produktionsabläufe noch vom Menschen gemacht und beeinflusst“, unterstreicht Kai-Jürgen Bruhn, seit 2010 Inhaber der Landschlachterei. „Hier wird noch alles mit der Hand gemacht“, ergänzt sein Vater Hans-Jürgen, um dann aber gleich zu relativieren, dass für viele schwere Arbeiten heute dann doch Maschinen eingesetzt werden.

Das war 1968 noch anders, als Hans-Jürgen beim Fleischermeister Hans-Uwe Mumm in Sörup seine Lehre begann. „Ein Fleischermeister, wie es nicht besser geht“, schwärmt der heute 70 Jahre alte Hans-Jürgen von seinem damaligen Lehrherrn. Da fand der Satz „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, noch seine Berechtigung.

Arbeitsbeginn war auch für die Lehrlinge um sechs Uhr morgens, und Arbeitsende war, wenn alle Arbeiten erledigt waren. Das konnte schon mal der späte Abend sein. Überstunden wurden nicht angeschrieben, und wenn der Lehrling eine Palette Wurstgläser fallen ließ, bekam er schon mal einen „Satz rote Ohren“, schmunzelt Hans-Jürgen mit der Bemerkung, dass es nicht geschadet habe.

Das wäre heute völlig unmöglich, wirft Kai-Jürgen sofort ein. Da muss man als Meister heute eher dreimal schlucken, wenn ein Azubi unangemessene Forderungen stellt. Seit fünf Generationen schlachten Mitglieder der Familie Bruhn an diesem Standort in Niesgrau.

Familienrezepte aus fünf Generationen

Hans-Jürgen hatte nie den Wunsch, einen anderen Beruf als Schlachter zu lernen. Als Kind war er schon bei Vater Lorenz im Schlachthaus anzutreffen. „Leidenschaft gehört zu diesem Handwerksberuf“, unterstreichen Vater und Sohn Bruhn. Obwohl Kai-Jürgen auch Lust gehabt hätte im Bereich Kommunikation tätig zu sein. Der Gedanke wurde aber schnell wieder zu den Akten gelegt, denn die Aussicht, dass der Betrieb ohne Nachfolger geschlossen werden müsste, war für alle unerträglich – und so begann Kai-Jürgen 1996 eine Fleischerlehre.

Das war damals Anlass für Hans-Jürgen und seine Ehefrau Inge, noch einmal richtig Gas zu geben, denn der Weiterbestand war nun gesichert. „Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen“, erinnern sich Inge und Hans-Jürgen Bruhn. Zu wissen, dass der über Generationen aufgebaute Betrieb eine Zukunft hat, war schon wichtig für weitere Investitionen.

Wichtig ist Hans-Jürgen und seinem Sohn, dass die Fleischerei ein Handwerksbetrieb ist, der weiterlebt. Weiterleben heißt hier alte Verfahrensweisen zur Fleisch-und Wurstproduktion weiter anzuwenden, zu entwickeln und auf moderne Technik umstellen. „Die persönliche Note der Fleischerei Bruhn muss im Produkt erkennbar bleiben“, versichert Hans-Jürgen Bruhn. Da wird noch eine Räucherkammer nach überlieferter Technik gefahren. „Unserer Vorfahren hatten ja eine breite geschmackliche Vielfalt in ihrer Wurst“, erläutert der junge Fleischermeister und ergänzt, dass die Familienrezepte aus fünf Generationen weiter präsent sind und angewandt werden.

Früher habe man zwar weniger Wurstsorten gehabt, aber jede hatte ihre geschmackliche Eigenheit. Sind es etwa 80 Rezepte, die Hans-Jürgen im Kopf hat, sind es bei Kai-Jürgen über 200, die er aber in einer Datenbank speichert.

Party-Service als wichtiges Standbein

Als übersichtlicher Handwerksbetrieb mit 43 Mitarbeitern kann man auf Herausforderungen schnell reagieren. Das hat das Unternehmen während der Pandemie gezeigt. Im Rahmen eines „Drive in“ wurden Fertiggerichte angeboten, die mit dem Auto abgeholt werden konnten, ohne dass das Auto verlassen werden musste. Mehrere Hundert Portionen wurden an den Event-Tagen ausgegeben. Der Party-Service hat bei Bruhn einen hohen Stellenwert.

„In einem Ort wie Niesgrau braucht man schon mehrere Standbeine“, erläutert Hans-Jürgen Bruhn, wie er 1981 mit dem Party-Service begonnen hat. Jetzt wird an einem Konzept für einen Online-Shop gearbeitet, damit Feinschmecker in der ganzen Republik Wursterzeugnisse aus Angeln genießen können. „Urlaubsgäste haben uns immer wieder gefragt, wie sie das ganz Jahr über unsere Wurst bekommen können“, berichtet Kai-Jürgen. Der Online-Shop sei die Antwort.

Paul Bruhn will in sechster Generation weitermachen

Kai-Jürgen Bruhn ist heute froh, Betriebswirtschaft studiert zu haben. Seine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse lassen ihn schnell Schwachpunkte erkennen und ausräumen. In einem sind sich Vater und Sohn einig: Wenn dieses Land seine Handwerksbetriebe auch in Zukunft haben will, dann müsse einiges geschehen. Immer neue Rechtsvorschriften mit Auflagen und finanziellen Belastungen seien der falsche Weg.

Paul, der Sohn von Kai-Jürgen, beginnt in diesem Jahr seine Ausbildung zum Fleischer. Damit macht sich die sechste Generation bereit, die Familientradition des Fleischerhandwerks fortzusetzen.

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