Klimaschutz und Handwerk

Wie Hubertus Heil (SPD) den Fachkräftemangel in SH bekämpfen will

Wie Hubertus Heil (SPD) den Fachkräftemangel in SH bekämpfen will

Wie Hubertus Heil (SPD) den Fachkräftemangel in SH bekämpfen will

SHZ
Osdorf
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Viel zu tun: Azubi Hannes Rieper (l.) erklärt Arbeitsminister Hubertus Heil, warum er ein Studium abgebrochen und eine Lehre angefangen hat. Foto: Marcus Dewanger Foto: 90037

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Sie bekommen keine Leute: Im Handwerk fehlt es vorn und hinten an Azubis. Wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) das ändern will, sagte er bei einem Besuch in Osdorf (Rendsburg-Eckernförde).

Zehn. Das ist die Zahl, die für Nicole Bünning im Moment zählt. Denn das ist die Zahl der Tischler, die die Kreishandwerkermeisterin von Rendsburg-Eckernförde in ihrem 30-Mann-Betrieb in Osdorf sofort einstellen würde. Würde. „Denn wir bekommen einfach keine Leute“, sagt die Unternehmerin.

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Eineinhalb Meter von ihr entfernt in der Werkhalle ihres Treppenbau-Unternehmens steht Hubertus Heil. Der Bundesarbeitsminister ist im Wahlkampf in Schleswig-Holstein unterwegs und hört die Klagen der Wirtschaft nicht zum ersten Mal. Wie auf Kommando rappelt der Sozialdemokrat die dazu gehörigen Zahlen herunter: 50.000 Schüler verlassen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss. 1,3 Millionen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren hätten keine Ausbildung – und zwei Drittel aller Langzeitarbeitslosen hätten werde eine Lehre noch ein Studium abgeschlossen. „Da müssen wir was tun“, sagt Heil, der seit fünf Jahren Minister ist.

Studium abgebrochen, Lehre begonnen

Seit einem Jahr macht Hannes Rieper eine Ausbildung zum Tischler im Betrieb von Nicole Bünning. „Kaufmännisch hatte ich vorher alles durch“, erzählt der Mann mit der hippen Mütze dem Minister. Ein Studium habe er abgebrochen, weil es in der Pandemie einfach nicht mehr weiter gegangen sei. Und er habe eben etwas mit seinen Händen machen wollen, und sich dann für die Tischlerlehre entschieden.


Heil gratuliert ihm und sagt, dass das eine mutige Entscheidung und dass er stolz auf ihn sei. Junge Leute wie Hannes Rieper sind ein Glücksfall für Bünning. Die geht zu einem ihrer Lieferwagen, auf denen groß „Azubi gesucht“ steht. Vor zehn Jahren habe sie um die zehn Bewerbungen pro Lehrstelle bekommen, jetzt sind es zwei – für drei freie Jobs. Sie empfinde sich als Bittstellerin. „Wir haben einen Arbeitnehmermarkt“, sagt die Unternehmerin. Und das betreffe nicht nur das Tischlerhandwerk, sondern auch Elektriker und Installateure. „Das sind aber Leute, die wir dringend brauchen, wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen."


Bei solchen Sätzen kann Thomas Losse-Müller gar nicht mehr aufhören zu nicken. Der Mann, der in gut fünf Wochen Ministerpräsident werden will, steht neben seinem Parteifreund Hubertus Heil und hört viel zu. Er hat ein Plakat mitgebracht, auf dem steht: „Handwerker sind Klimaschützer“. Und darauf ist nicht mal der Slogan der SPD zusehen.


200 dieser Plakate sollen Losse-Müllers Wahlkämpfer im Land verteilen, wenn sie Betriebe wie den von Nicole Bünning besuchen. „Die energetische Sanierung der vielen Gebäude ist ein buchstäblicher Kraftakt und braucht viele geübte und gut ausgebildete Hände“, sagt Losse-Müller, der ein Landesprogramm zur Werbung von Auszubildenden auflegen und mehr in die Berufsorientierung investieren will.

Berufsbildung soll es schon ab der 5. Klasse geben

„So was brauchen wir schon ab der fünften Klasse“, sagt Heil dazu – und zwar auch an Gymnasien. Denn auch dort gebe es genug schlummerndes Fachkräftepotenzial. Losse-Müller will dafür vor allem auch Angebote an Ganztagsschulen machen, um Schülern wieder mehr technische Fähigkeiten zu vermitteln – und sei es im Werkunterricht.

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Ob das reicht, um den Fachkräftebedarf zu decken, ist fraglich. Heil weist darauf hin, dass die Babyboomer in den kommenden Jahren in Rente gehen, und der Bedarf an guten Leuten noch steigen wird. „Deshalb brauchen wir Zuwanderung“, sagt Bünning und fordert mehr Sprach- und Integrationskurse für junge Menschen. „Wir müssen uns doch mit anderen Unternehmen um die besten Leute prügeln“, sagt die Unternehmerin den Sozialdemokraten, die in ihrem Programm zur Landtagswahl stehen haben, dass sie mit einer Integrationsoffensive mehr Handwerker nach Schleswig-Holstein holen wollen. Wie das genau gehen kann, bleibt an diesem Tag allerdings offen.

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Am Ende weiß Nicole Bünning jedenfalls weiß immer noch nicht, wie sie die Nachfrage nach Treppen befriedigen soll. Bis August sei sie ausgebucht – und das trotz steigender Preise. Im vergangenen Jahr hätten die um 30 Prozent angezogen, sagt ihr Mann Jörg. „Und allein in der letzten Woche noch einmal um 15 Prozent.“ Er glaubt dennoch daran, dass der Boom in der Baubranche anhalten wird, schon deswegen geht seine Suche nach Azubis weiter. Denn die zehn Stellen sind immer noch offen.


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