Bomben in Bad Oldesloe

Woher Blindgänger stammen und wie sie entschärft werden

Woher Blindgänger stammen und wie sie entschärft werden

Woher Blindgänger stammen und wie sie entschärft werden

SHZ
Bad Oldesloe
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Bombenentschärfer 2018 im Einsatz in Bad Oldesloe. Er begutachtet nach der gelungenen Entschärfung den Zünder. Foto: rtn, peter wuest

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Eine besondere Herausforderung können die Art und der Zustand der Zünder in Blindgängern für den Kampfmittelräumdienst sein.

Auch 76 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs erinnern uns Blindgänger im Boden regelmäßig an das kriegerische Geschehen,das das Deutsche Reich unter der nationalsozialistischen Diktatur 1939 losgetreten hatte.

2013 wurde geschätzt, dass in ganz Deutschland noch 100.000 nicht explodierten Bomben im Boden liegen. Jährlich werden ungefähr 5500 von ihnen deutschlandweit entdeckt und entschärft.

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In Bad Oldesloe sollen nun am Sonntag, 18. Juli, gleich vier weitere hinzukommen. Sie wurden bei einer durch die Stadt in Auftrag gegebene Flächensondierung eines zukünftigen Baugebiets durch den Kampfmittelräumdienst entdeckt.


Bad Oldesloe wurde vor allem im April 1945, kurz vor Endes des Weltkriegs, massiv aus der Luft bombardiert. In den Böden befinden sich daher auch heute noch nicht explodierte Fliegerbomben. Zuletzt war eine solche am 2. Juli in der Grabauer Straße erfolgreich entschärft worden.

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Aufprallwinkel verkehrt oder Zünder defekt

Es kann unterschiedliche Gründe dafür geben, weshalb die tödliche Fracht der Fliegerangriffe nicht explodierte und stattdessen bis heute im Boden liegen blieb. So kann der Boden zu weich gewesen sein, der Zünder defekt oder der Aufschlag nach dem Abwurf hatte nicht den vorgesehenen Winkel, bei chemischen Zündern könnte der Domino-Effekt nicht wie erwartet eingetreten sein, erklärten Experten des Kampfmittelräumdienst bei vergangenen Entschärfungen in Stormarn.


Gefunden werden Blindgänger häufig bei Bau- und Erarbeiten. Die zweite Möglichkeit ist es – wie jetzt in Bad Oldesloe – dass sie bei Sondierungen gefunden werden. Hierfür werden Luftbilder der Alliierten aus dem zweiten Weltkrieg verwendet.

Luftbilder der Alliierten werden in chronologischer Reihenfolge ausgewertet

„Wir suchen auf diesen Bildern nach Zerstörungen durch Abwurfmunition, also Bomben, nach konkreten Hinweisen auf nicht explodierte Bomben, den Blindgänger und auf Hinweisen auf militärische Nutzung wie Flakstellungen, Luftschutzanlagen, Kasernen und Übungsplätze. Dabei müssen alle vorhandenen Luftbilder in chronologischer Reihenfolge gesichtet werden, wobei teilweise mehrere hundert Bilder für eine Fläche existieren können“, erklärt der Kampfmittelräumdienst Schleswig-Holstein.

„Weiterhin werden historische Fundmunitionsmeldungen von 1945 bis heute durchsucht, ob in diesem Bereich bereits Kampfmittel entdeckt und beseitigt wurden“, heißt es weiter. Zusätzliche Hinweise können aus Luftschuftspolizeimeldungen oder auch Zeitzeugenberichten stammen.


Das sondierte Gelände, wo der Verdacht eines Blindgängers besteht, wird auch mit Detektoren untersucht, die Metalle im Boden feststellen.

Wenn eine Bombe gefunden wurde, wird ein Entschärfungstag festgelegt. Gemeinsam mit den Behörden vor Ort wird ein Evakuierungsgebiet festgelegt. Je nach Lage der Bombe und ihrere Sprengkraft fällt der Evakuierungsbereich größer oder kleiner aus.

Verfügt eine Bombe noch über einen Zünder, gilt sie als potentiell scharf und der Zünder muss entfernt werden. Es könnte noch zu Detonationen kommen. In seltenen Fällen, durchschnittlich ein Mal im Jahr heißt es, kommt es auch zu Explosionen von unentdeckten Blindgängern im Erdreich wie zum Beispiel im Juni 2019 in Limburg-Ahlbach (Hessen).

Zunächst wird der Blindgänger freigelegt

Vor der Entschärfung muss die Bombe im Erdreich freigelegt werden. Das muss sehr vorsichtig geschehen, weil zu ruckartige Bewegungen den Zünder aktivieren könnten. Liegt der Blindgänger offen, kann durch die Entschärfer des Kampfmittelräumdienst festgestellt werden, was für ein Zünder im jeweiligen Fall vorliegt.

Es ist großes Expertenwissen gefragt, denn das Vorgehen muss klar sein und kann im Zweifel nicht erst stundenlang beraten werden.

Zwei Arten von Zündern

Bei den Zündern kann man grob zwei Arten unterscheiden. Es sind Aufschlag- oder Langzeitzünder.

Die mechanischen Aufprallzünder, die die Bombe direkt beim Aufschlagen auf den Boden zur Explosion bringen sollten, gelten als in Relation leichter zu entschärfen. Rost wird entfernt und sie werden vorsichtig herausgedreht.


Die Langzeitzünder, die auf einer chemischen Reaktion basieren, gelten als schwieriger zu entschärfen, heißt es von Experten. Bomben, die mit diesen Zündern ausgestattet wurden, sollten erst eine bestimmte Zeit nach dem Abwurf explodieren.

Bei einem Modell sollte zum Beispiel eigentlich beim Aufprall eine Glasampulle zerbrechen und das darin enthaltene Aceton die Fixierung des Schlagbolzens langsam zerfressen.Dieser Zeitraum konnte zwischen 30 Minuten und mehreren Tagen liegen. Je nach Menge des Acetons und der Dicke der Fixierung.

Ausbauschutz von Langzeitzündern eine Herausforderung

Diese Zünder sind häufig so konzipiert, dass sie nicht „einfach“ ausgebaut werden können. Der Versuch des Herausdrehens des Zünders könnte – wie bei einer Sprengfalle – direkt zur Explosion führen. Daher wird in solchen Fällen häufiger ein Wasser-Schneidegerät eingesetzt, mit dem der Bereich zwischen dem Sprengstoff und der Zündvorrichtung getrennt wird.


In seltenen Fällen, wenn das Risiko einer Entschärfung zu groß scheint, kann auch als letztes Mittel eine kontrollierte Sprengung vor Ort in Erwägung gezogen werden. Dazu wird der Blindgänger in eine Sprenggrube gelegt. Gleichzeitig werden Maßnahmen ergriffen, die die Sprengkraft eindämmen sollen.

Im August 2012 ging das in in München in Teilen schief, nachdem zur Dämmung genutzte Strohballen Feuer fingen und in der Umgebung nach der kontrollierten Sprengung für Brandschäden sorgten.

Wenn eine Bombe durch das Entfernen des Zünders entschärft wurde, wird sie zur Vernichtung abtransportiert. Die Zünder selbst werden zumeist noch vor Ort zur Detonation gebracht.

Ein Beruf mit großem Risiko

Der Job des Entschärfers ist, wie man aus den Beschreibungen entnehmen kann, gefährlich. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, Erfahrung und Routinen kommt es manchmal zu Unfällen. 1990 starben zwei Entschärfer in Wetzlar, als sie einen Langzeitzünder unschädlich machen wollten.

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2010 explodierte eine Bombe mit Langzeitzünder deutlich vor Beginn der geplanten Entschärfung. Dabei kamen drei Personen, die vor Ort waren ums Leben. Sechs Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.


Der Kampfmittelräumdienst kümmert sich nicht nur um Bomben-Blindgänger, sondern auch um andere militärische Hinterlassenschaften, wie zum Beispiel Handgranaten oder alte Gewehre. So wurde in Bad Oldesloe am Bahnhof kürzlich bei Bauarbeiten ein Waffenlager aus dem zweiten Weltkrieg entdeckt und durch den Kampfmittelräumdienst beseitigt.

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