Tourismus

Zuviel Remmidemmi auf Föhr und fehlende Wohnungen

Zuviel Remmidemmi auf Föhr und fehlende Wohnungen

Zuviel Remmidemmi auf Föhr und fehlende Wohnungen

Jörg Brökel/shz
Föhr
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Volles Haus bei der Bürgerversammlung im Haus des Gastes auf Nieblum. Foto: Jörg Brökel

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Interessierte Bürgerinnen und Bürger ließen sich am Mittwochabend s in Nieblum von Tourismuschef Jochen Gemeinhardt und Amtsdirektor Christian Stemmer über die aktuellen Entwicklungen auf Föhr informieren.

Eigentlich war klar, dass die angesetzten anderhalb Stunden nicht ausreichen würden, um die Vorträge von Gemeinhardt und Stemmer plus Diskussion und Austausch mit dem Publikum abzuhandeln. Denn beide Herren hatten jeweils um die 30 Folien in ihre Power-Point-Präsentationen reingepackt, die an die Wand im großen Saal des Haus des Gastes in Nieblum geworfen wurden. Letztendlich wurden es dann zweieinhalb Stunden Präsentation und eine angeregte, teilweise kontroverse Diskussion.

Der Geschäftsführer der Föhr Tourismus GmbH Jochen Gemeinhardt hatte dann auch spannenden Zahlen im Gepäck (dazu später mehr in einem eigenen Artikel des Insel-Boten). Er sprach von einer guten Saison 2022. Gleichzeitig aber lägen die Einschätzung derer, die das Tourismusgeschäft auf der Insel betrieben, so weit auseinander wie noch nie. „Ich höre Einschätzung von der besten Saison aller Zeiten bis hin zu katastrophal“, sagte Gemeinhardt während seiner Präsentation.

Zu neuen Erkenntnissen sei man auch über den Einsatz des eines gedruckten Veranstaltungskalenders gekommen. Der völlige Verzicht auf eine gedruckte Version und der komplette Umzug ins Internet sei bei vielen Gästen nicht gut angekommen, so Gemeinhardt. Sprich: Es gab daraufhin weniger Besucherinnen und Besucher. Daher sei man zu einer gedruckten Version des Veranstaltungskalenders zurückgekehrt. Allerdings mit einer geringeren Auflage. Fazit von Gemeinhardt, „Man muss sich halt überlegen, was man noch drucken kann.“ Hintergrund sind hier die erheblich gestiegenen Kosten für Papier und Energie.

Das Thema Veranstaltungen war dann auch der Moment, wo sich das Publikum zum ersten Mal sehr kritisch regte. Vielen ist durch die (Groß-)Veranstaltungen zu viel Remmidemmi auf der Insel. Einer der Besucher sagte in seinem Wortbeitrag: „Wenn das Südstrand-Open-Air auf der Insel stattfindet, dann fahre ich lieber gleich auf das Festland.“ Und Karin Köhler, seit 35 Jahren auf der Insel, kritisierte: „Dass wir von dem Tourismus leben, ist doch ein Totschlagargument. Wenn die Föhrer und Föhrerinnen nicht mit dem glücklich sind, was auf der Insel passiert, dann sind es die Besucher auch nicht.“

Martina Siegmund war der gleichen Meinung: „Es fehlt an Nachhaltigkeit bei diesem Thema. 95 Prozent der auf Föhr lebenden Menschen wollen weniger und nicht mehr Tourismus auf der Insel. Es wird Zeit, die Spirale in eine andere Richtung zu drehen.“ Der Tourismuschef hofft auf eine Entzerrung des Tourismusaufkommens; sprich: ganzjährigem Tourismus. Man müsse das komplette Jahr bei Veranstaltungen und Tourismus besser im Blick haben.

An dieser Stelle schaltete sich auch die Vorsteherin des Amtes Föhr-Amrum in die Debatte ein. Heidi Braun verwies auf die vielen Existenzen, die gerade von den vielen kleinen Veranstaltungen auf der Insel abhängig seinen und bekam dafür auch Applaus.

Um kurz nach acht Uhr übernahmen dann Amtsdirektor Christian Stemmer das Vortrags-Ruder und brachte seinerseits fast 30 Vortragsfolien mit. Er erläuterte zunächst die Pläne für die Inselwerke GmbH. Einer Holding, an der das Amt zu 51 Prozent und alle Gemeinden von Föhr und Amrum mit 49 Prozent beteiligt sind. Unter diesem gemeinsamen Dach sollen Energieprojekte, öffentlicher Nahverkehr und genossenschaftlicher Wohnungsbau gebündelt werden. Eine Inselnetz GmbH solle künftig die Gas- und Stromnetze auf den Inseln übernehmen.

Bei der Frage des Wohnungsbaus für Einheimische wurde es dann zum zweiten Mal unruhig im Saal. „Es ist wirklich kniffelig, unter den vorhandenen Bedingungen bezahlbares Wohnen auf Föhr zu gewährleisten“, musste Stemmer dann auch einräumen, „Untersuchungen haben ergeben, es fehlen derzeit um die 360 Dauerwohnungen auf der Insel.“

Einen ersten Schritt, um diesen Engpass zu beheben, soll ein Bauprojekt am Kortdeelsweg in Wyk werden. Hier sollen 64 bezahlbare Wohnungen für Menschen entstehen, die auf der Insel leben und arbeiten. Doch es ist offensichtlich schwierig so günstig zu bauen, dass zumindest ein halbwegs bezahlbarer Quadratmeisterpreis von 14 Euro Miete dabei herauskommt. Unruhe im Publikum. Vielfach der Tenor: Wer kann und soll so etwas bezahlen, wenn Mietpreise hoch und Löhne eher niedrig sind auf Föhr.

Malte Siek, Tischler auf der Insel, kritisierte dann auch, „Spekulation und Tourismus haben uns in diese Situation gebracht.“ Er könne sich vorstellen, dass eine Zweitwohnungs- oder Ferienwohnungsabgabe helfen können, das Wohnen für Einheimische günstiger zu machen. Auch wurde die 40-60-Regelung von Besuchern in die lebhafte Diskussion geworfen. Die besagt, dass bei Neubauten auf den Inseln 40 Prozent der Geschossflächen an Dauermieter vergeben werden müssen. Daraufhin musste Stemmer einräumen, dass die Kontrolle dieser Regelung auch deswegen schwierig sei, weil die zuständige Bauaufsicht des Kreises Nordfriesland personell unterbesetzt sei.

An diesem Punkt warb der Amtsdirektor auf für Verständnis auch für seine Behörde. Denn diese sei bereits seit längere Zeit personell erheblich unterbesetzt. Eigentlich sollte das Amt Föhr-Amrum mit fast 95 Stellen arbeiten. Aktuell seien aber gerade mal 77 Stellen tatsächlich besetzt. Es seinen derzeit also über 17 Stellen nicht besetzt. Deswegen würden viele Vorgänge einfach länger dauern.

Apropos länger dauern. Nach zweieinhalb Stunden und 60 Power-Point-Folien Stunden war die Bürgerversammlung dann schließlich beendet. Die meisten Teilnehmer stiegen in ihre Autos. Denn der letzte Bus war schon lange weg.

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