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Allein in der Männerwelt: Wie das Handwerk um Frauen wirbt
Allein in der Männerwelt: Wie das Handwerk um Frauen wirbt
Allein in der Männerwelt: Wie das Handwerk um Frauen wirbt
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Heute können Frauen alles werden, theoretisch. In bestimmten Handwerksbranchen sind überwiegend Männer unterwegs. Besonders ein Bereich wird aktuell dringend gebraucht - und es fehlen die Fachkräfte.
Es ist ein männerdominiertes Handwerk: der Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK). Nur ein marginaler Anteil der Auszubildenden war laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) im vergangenen Jahr weiblich. Das merkt auch Antonella Menrath.
«Ich bin die Einzige bei uns in der Klasse», erzählt die 24-Jährige, die seit 2021 eine Ausbildung zur Anlagenmechanikerin im SHK-Handwerk in Plankstadt bei Heidelberg macht. Dabei braucht die Branche angesichts zigtausender zu installierender Wärmepumpen künftig jede helfende Hand.
Genug Raum für Frauen
Laut aktuellen Zahlen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gab es 2022 im SHK-Bereich bundesweit durchschnittlich 16.787 offene Stellen für Gesellinnen und Gesellen und 1952 offene Stellen für Meisterinnen und Meister. Acht von zehn dieser Stellen hätten aber rechnerisch nicht besetzt werden können, weil es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gegeben habe.
Insgesamt sei der Bedarf an SHK-Fachkräften in den vergangenen Jahren - insbesondere durch die klimapolitischen Ziele - deutlich gestiegen. Damit habe auch der Fachkräftemangel kontinuierlich zugenommen.
Genug Raum also für Frauen, die sich für diese Berufe entscheiden. Wie aber können mehr junge Frauen für dieses Handwerk begeistert werden? In der Forschung sehe man, dass geschlechtstypische Berufe, also Berufe, die entweder überwiegend von Frauen oder überwiegend von Männern ausgeübt werden, häufiger vom Fachkräftemangel betroffen seien, sagt Lydia Malin, Wissenschaftlerin am Kofa. Dies sei zwar nicht unbedingt kausal zu erklären, weil die Ursachen für den Mangel unterschiedlich seien. Fakt sei aber auch, dass diese Berufe nur von einer zahlenmäßig kleineren Gruppe in Erwägung gezogen würden.
Es geht auch um Rollenvorbilder
Es wäre der Wissenschaftlerin zufolge wünschenswert, dass alle klischeefrei den Beruf ergreifen können, der zu den eigenen Fähigkeiten und Neigungen passe. Dazu seien mehr Frauen nötig, die zeigen, dass man auch im Handwerk glücklich werden kann: «Davon brauchen wir einfach so viele wie möglich.» Denn junge Frauen - und Männer - bräuchten Rollenvorbilder. Wenn ein Mädchen auf einer Baustelle immer nur Männer sehe, komme es gar nicht auf die Idee, dass das ein Job wäre, der zum eigenen Geschlecht passt.
Dabei entsprächen viele Berufe im Handwerk genau dem, was viele Frauen sich ohnehin wünschten: In der Tendenz arbeiteten Frauen häufig gerne kreativ und schätzten den Kundenkontakt. Beides Dinge, die auch im Handwerk gefragt seien. Genauso seien Stabilität und Jobsicherheit Dinge, die Frauen bevorzugen würden. «Und ich glaube, es gibt nirgendwo sicherere Jobs als im Handwerk», sagt Malin.
Für das Handwerk werben auf Instagram
Dass das SHK-Handwerk eine Branche ist, in dem sich auch Frauen zu Hause fühlen können, zeigt Antonella Menrath seit gut einem Jahr auf Instagram. Es gehe ihr dabei nicht in erster Linie um die Fotos und Videos, sondern vor allem um den Austausch mit anderen. Viele schrieben ihr dort per Direktnachricht und sie habe schon Frauen dazu inspirieren können, den gleichen Weg einzuschlagen. Sie selbst studierte zunächst Lehramt und entschied sich erst nach Abschluss des Bachelors für die Ausbildung.
Aus Sicht von Joachim Butz vom Vorstand des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) seien häufig die Eltern der «Bremsklotz». Die sagten oft: «Da wirst du ja schmutzig» oder «Das ist zu schwer für dich». Deshalb sei es wichtig, auch die Eltern mitzunehmen. Das Argument, der Beruf sei für Frauen körperlich zu anstrengend, kann Butz entkräften: «Insgesamt ist die körperliche Belastung in unserem Handwerk in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.» Denn heute gebe es entsprechende Hilfsmittel - für Frauen und für Männer.
«Noch viel Luft nach oben»
Um dem erhöhten Fachkräftebedarf insgesamt zu begegnen, verstärke der Verband seine Nachwuchswerbung. Außerdem sei es wichtig, dass junge Menschen Praktika machten, da sich viele - nachdem sie einmal in den Beruf hinein geschnuppert hätten - tatsächlich für die Ausbildung entschieden.
Der ZDH ist der Ansicht, dass in Bezug auf den Frauenanteil im SHK-Bereich «noch viel Luft nach oben ist»: «Um dem steigenden Fachkräftebedarf gerecht zu werden, aber auch damit junge Frauen von den Vorzügen eines handwerklichen Berufes profitieren können, ist hier dringend ein Umdenken gefragt.» Um dies zu erreichen, beteilige sich der Verband an Aktionen und Initiativen.
Wie viel Luft nach oben ist, merkt auch Antonella Menrath. Ein Beispiel aus ihrem Alltag ist der Toilettengang während der Arbeit. «Man ist den ganzen Tag auf einer Baustelle. Wenn man Glück hat, gibt es noch eine Dixi-Toilette.» Häufig sei die aber schon nach kurzer Zeit nicht mehr besonders einladend. Dann hätten es Männer leichter, weil sie auch mal in einen Waldabschnitt gehen könnten. Dagegen seien Frauen auf Toiletten angewiesen. Mittlerweile habe sie aber eine Lösung für das Problem gefunden: «Wenn ich auf eine Baustelle komme und ich weiß, ich bin da länger eingeteilt, fordere ich eine eigene Toilette.»