Tourismus
Tui-Chef Joussen tritt zurück
Tui-Chef Joussen tritt zurück
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Er baute Tui um und war entscheidend daran beteiligt, den Reisekonzern in der Corona-Krise vor dem Untergang zu retten. Inzwischen erholt sich das Geschäft - und Fritz Joussen geht vorzeitig.
Nach einem Jahrzehnt beim weltgrößten Reiseanbieter Tui tritt Konzernchef Fritz Joussen überraschend zurück. Der Manager werde zum 30. September sein Amt niederlegen, teilte das Unternehmen aus Hannover mit. Nachfolger soll der bisherige Finanzchef Sebastian Ebel werden. Joussens Vertrag wäre eigentlich bis September 2025 gelaufen.
Der Manager hatte die Tui-Führung vom langjährigen Vorstandschef Michael Frenzel übernommen und den Konzern saniert. Dennoch brauchte Tui in der Corona-Krise staatliche Hilfsgelder in Milliardenhöhe, um nicht unterzugehen. Was der gebürtige Duisburger nach seiner Zeit als Tui-Chef macht, ist unklar.
Der studierte Elektrotechniker war jahrelang Chef der Deutschlandsparte des Telekommunikationskonzerns Vodafone, stieß 2012 zu Tui und wurde im Jahr darauf Konzernchef. Schon damals stand Tui finanziell mit dem Rücken zur Wand. Als Joussen die Konzernführung übernahm, musste er die Finanzen neu ordnen.
Ende 2014 gelang ihm die Fusion mit der bis dahin in London börsennotierten Veranstaltertochter Tui Travel - ein Deal, den sein Vorgänger Frenzel nicht hinbekommen hatte. Das ermöglichte dem Konzern hohe Einsparungen, Investitionen und eine Neuaufstellung des Geschäfts mit einem Fokus auf Hotels und Kreuzfahrten. Zudem trieb Joussen die Digitalisierung voran.
Existenzielle Krise durch die Corona-Pandemie
Die Pandemie stürzte schließlich die gesamte Branche in eine tiefe Krise. «Das Überleben der Tui stand für viele infrage», schrieb Joussen in einem Brief an seine Mitarbeiter. Die Bundesregierung stützte 2020 und 2021 den Konzern über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit über einer Milliarde Euro sowie mit milliardenschweren Kreditlinien der Staatsbank KfW.
Inzwischen schmilzt der Konzern die Hilfen etwa mit Kapitalerhöhungen schrittweise ab und setzt auf die Reisefreude im Sommer. Im Mai stellte Joussen in Aussicht, dass Tui in diesem Geschäftsjahr - das am Tag seines Ausscheidens endet - zumindest im Tagesgeschäft wieder profitabel ist. Dabei punktet das Unternehmen damit, dass sich nicht nur die Nachfrage erholt, sondern Urlauber teilweise auch längere Ferien und teurere Hotels buchen.
In dem Mitarbeiterbrief verwies Joussen vor allem auf die Rettung des Unternehmens in der Corona-Krise. «Die Entscheidung fällt mir nicht leicht», schrieb der 59-Jährige. Er sei aber überzeugt, dass jetzt ein richtiger Zeitpunkt für einen Wechsel an der Spitze sei. Die existenzielle Krise sei überwunden. Joussen übt ein «Niederlegungsrecht» aus, das im Zusammenhang mit den Auflagen der Corona-Stabilisierungsmaßnahmen eingeräumt wurde.
Börse reagiert mit Verlusten
Aufsichtsratschef Dieter Zetsche sagte, Umbau, digitale Transformation und die Rettung der Tui in der Corona-Krise seien bleibende Verdienste. «Der Aufsichtsrat bedauert die Entscheidung von Fritz Joussen - und auch ich persönlich bedauere sie.» Auch an der Börse kamen die Neuigkeiten schlecht an. Nachdem die Tui-Aktie mit Gewinnen in den Handel gestartet war, sackte ihr Kurs nach der Mitteilung um fast vier Prozent ins Minus. Am Nachmittag lag der Kursverlust in Frankfurt bei rund dreieinhalb Prozent.
Zetsche lobte den bisherigen Finanzchef Ebel als exzellente Besetzung. Er war jahrelang unter anderem für Hotels und Kreuzfahrten zuständig. Neuer Finanzchef soll der bisherige Controller und frühere Investmentbanker Mathias Kiep werden.
Ebel kennt Tui seit Jahrzehnten: Er arbeitete ab Ende der 90er Jahre als Bereichsvorstand und später als Konzernvorstand und kehrte nach Zwischenstationen bei der Werkstattkette ATU und Vodafone 2013 kurz nach Joussens Start zum Reisekonzern zurück. «Er ist extrem unternehmerisch und hat strategisch wie operativ einen klaren Anspruch an die Entwicklung der Tui», sagte Zetsche über den ebenfalls 59-jährigen Betriebswirt.
Auch vom scheidenden Chef kam viel Lob für seinen Nachfolger: «Sebastian steht für Verlässlichkeit und Kontinuität und genießt hohes Vertrauen im Unternehmen, bei unseren Geschäftspartnern sowie bei Investoren», schrieb Joussen in seinem Brief. Ebel werde vom ersten Tag daran arbeiten, die Verschuldung zu senken und die Bilanz zu stärken.
Der Branchenexperte Richard Clarke vom Analysehaus Bernstein sieht in den jüngsten Ankündigungen zum Schuldenabbau und dem weiteren Umbau der Tui keine größeren Änderungen gegenüber den bisherigen Aussagen des Managements. Ebel übernehme Tui in einer Lage, in der das Unternehmen die schlimmsten Folgen der Pandemie überstanden habe.
Während sich die Buchungszahlen erholt haben, muss der Vorstand aus Clarkes Sicht aber noch schwierige Entscheidungen treffen, um den derzeitigen Problemen im europäischen Reiseverkehr entgegenzuwirken und die Bilanz des Konzerns zu sanieren.