100 Jahre Deutsche Minderheit

Teil 10: „Sind Mützen Gesinnungsfrage?“

Teil 10: „Sind Mützen Gesinnungsfrage?“

Teil 10: „Sind Mützen Gesinnungsfrage?“

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Sonderburg/Sønderborg
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Abiturienten des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig 1993 Foto: Archivfoto: DN

Einschränkung oder Bereicherung der Identität – deutsche Minderheit tat sich zeitweise schwer mit der dänischen Tradition.

In diesem Jahr blickt das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig auf sein 60-jähriges Bestehen zurück. 1959, 14 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, konnte in Apenrade erneut ein Gymnasium für die Angehörigen der deutschen Minderheit eröffnet werden. Drei Jahre darauf, 1962, erhielten die ersten Schüler ihren Abschluss am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig. Natürlich stand die Freude über den bestandenen Abschluss im Vordergrund. Nichtdestrotz fand  bei den Abgangsschülern und bei den Angehörigen der deutschen Minderheit auch der Umgang mit einer dänischen Tradition seine Aufmerksamkeit.

Die Abgangsschüler hatten ihr dänisches Studentenexamen bestanden und wollten die Freude darüber, wie viele Abgangsschüler der dänischen Mehrheit auch, mit einer Studentenmütze (Studenterhue) zum Ausdruck bringen. Nach Überlieferung hatten wohl fast alle Abgangsschüler des Jahrgangs 1962 schon eine Mütze. Diese sind aber auf dem offiziellen Abschlussfoto nicht zu sehen. Grund dafür war die Tatsache, dass die Studentenmützen eine dänische Tradition ist, die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Das Tragen der Mütze sahen deswegen viele Angehörige der deutschen Minderheit als Gefährdung der eigenen, deutschen Identität. Am 22. Juni 1962 griff „Der Nordschleswiger“, unter dem Titel „Sind Mützen Gesinnungsfrage“, das Thema auf.

Die klassische Studentenmütze Foto: Archivfoto: DN

Diskussion brachte eine Einschränkung mit sich

Der damalige Schulrat Arthur Lessow vertrat in der Zeitung die Meinung, dass die Abgangsschüler damit nach außen hin nur dokumentierten würden, dass sie ein vollgültiges Studentenexamen abgelegt hätten. Obwohl Lessow und Jörgen H. Jensen, Rektor des Gymnasiums grundsätzlich nichts gegen die Studentenmützen hatten, brachte die Diskussion doch eine Einschränkung mit sich. So wurden, auf den offiziellen Abschlussfotos der Abiturienten, die Mützen nicht getragen. Dies wurde, bis auf ein paar Ausnahmen (1963/1964), bis Ende der 1970er Jahre so beibehalten. In einer Übergangsphase wurde dann die Mütze zwar nicht auf dem Kopf getragen, aber sie war schon in der Hand oder auf dem Schoß zu sehen.  Ab Mitte der 1980er Jahre befand sie sich dann auf den Köpfen der Abiturienten.

Abi-Jahrgang 1962 Foto: Archivfoto: DN

Dass „Der Nordschleswiger“ die Diskussion 1962 aufgriff, zeigt, wie schwer sich die deutsche Minderheit im Umgang mit dänischen Traditionen tat. Aber auch eine andere Deutung, zum Fehlen der Mützen auf den offiziellen Abschlussfotos, wurde an uns herangetragen. Es könnte Ende der 1960er und in den 1970er auch ein Aufbegehren der Abiturienten gegen Obrigkeiten und Autoritäten gewesen sein.

Dies müsste eingehender untersucht werden.  Klar ist, dass die deutsche Minderheit ihre „Berührungsängste“ mit dänischen Traditionen überwunden hat und es den Eindruck erweckt, dass der „Gebrauch“ von dänischen Traditionen nicht als Einschränkung und Minderung  der deutschen Identität, sondern als eine Ergänzung und Bereicherung verstanden wird! 

Foto: BDN
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