100 Jahre Deutsche Minderheit

Teil 23: Der lange Schatten der Vergangenheit

Teil 23: Der lange Schatten der Vergangenheit

Teil 23: Der lange Schatten der Vergangenheit

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Siegfried Matlok, Arne Melchior, Erik Svensson, Peter Wilhelmsen und Uwe Möller (v. l.). Das Fotoalbum liegt im Deutschen Museum Nordschleswig. Foto: DN

Die Entwicklung der Vertretung der deutschen Minderheit im dänischen Folketing

Dass die Schleswigsche Partei an Kommunalwahlen in den vier nordschleswigschen Kommunen teilnimmt, ist bekannt. Kritisch diskutiert wurde die Teilnahme der Schleswigschen Partei an der Regionswahl im Jahr 2017. Dabei wurde kein Mandat erlangt. Historisch gesehen, war es das Bestreben der deutschen Minderheit, auch im höchsten dänischen Parlament, dem Folketing, vertreten zu sein. Dies gelang zum ersten Mal bei der Folketingswahl am 21. September 1920. Als Vertreter der deutschen Minderheit konnte Johannes Schmidt-Wodder einen Platz im Parlament einnehmen. Dies mit 7.505 Stimmen, die auf Liste S, die Slesvigsk Parti, entfielen. Schleswigsche Partei oder Slesvigsk Parti war aber „nur“ die Listenbezeichnung. Eigentlicher Name der Partei, die am 15. August 1920 gegründet wurde, war Schleswigscher Wählerverein. Erst später sollte die Änderung in Schleswigsche Partei vollzogen werden. Schmidt-Wodder blieb bis 1939 im Folketing. Er wurde dann von Jens Möller, „Volksgruppenführer“ und Parteivorsitzender der NSDAP-Nordschleswig, abgelöst. Dies weiterhin unter der Listenbezeichnung Schleswigsche Partei. An der Folketingswahl am 23. März 1943, die während der Besatzungszeit stattgefunden hat, nahm die deutsche Minderheit nicht mehr teil und verlor dementsprechend ihren Sitz. 

Erst bei der Folketingswahl im September 1953 sollte die deutsche Minderheit wieder einen Vertreter im Folketing stellen. Hans Schmidt-Oxbüll wurde als parteiloser Kandidat hineingewählt und meldete sich dann als Mitglied der Schleswigschen Partei an. Damit war man auch offiziell, von Seiten der deutschen Minderheit, wieder im Folketing vertreten. Schmidt-Oxbüll gelang 1957 und 1960  eine Wiederwahl, bei der Wahl 1964 ging das eine Mandat dann aber verloren. 

Es sollte bis 1973 dauern, dass wieder ein Vertreter der deutschen Minderheit ins Folketing einziehen würde. Diesmal aber nicht als eigenständige Partei. Man war mit den Zentrums-Demokraten eine Zusammenarbeit eingegangen und durfte auf deren Liste zwei Kandidaten hinzufügen. Diese ywei wurden von der Delegiertenversammlung des Bundes Deutscher Nordschleswiger gewählt. Jes Schmidt kam auf 3.804 persönliche Stimmen. Sein Mitkandidat, Christian Nissen, kam auf 415 persönliche Stimmen. Da die Zentrums-Demokraten insgesamt 11.620 Stimmen in Nordschleswig erhielten, reichte Jes Schmidts Ergebnis, um ins Folketing einzuziehen. 1975 und 1977 wurde Jes Schmidt unter den gleichen Rahmenbedingungen wiedergewählt. 

Im August 1979 starb Jes Schmidt, und es mussten neue Kandidaten für die Liste der Zentrums-Demokraten gefunden werden. Die Delegiertenversammlung des Bundes Deutscher Nordschleswiger entschied sich für Peter Wilhelmsen auf dem ersten Platz, gefolgt von Uwe Möller. Gerade Peter Wilhemsen schien der Versammlung als geeigneter Kandidat, hatte er bei der letzten Amtsratswahl doch fast 2.000 persönliche Stimmen bekommen. Bei der Delegiertenversammlung erhielt er bei 234 Stimmberechtigten und drei weiteren Kandidaten gleich die erforderliche Mehrheit mit 149 Stimmen. 

Eigentlich hätte die Wahl nun kommen können. Aber schon wenige Tage nach der Delegiertenversammlung wurde vom Sprecher der Zentrums-Demokraten, Arne Melchior, bekannt gegeben, dass es keine Zusammenarbeit mit dem neuen Spitzenkandidaten des Bundes Deutscher Nordschleswiger geben werde. Begründet wurde dies mit der Vergangenheit von Peter Wilhelmsen. Dieser hatte sich 1940, als 17-Jähriger, freiwillig für den deutschen Kriegsdienst gemeldet und war in die Waffen-SS gekommen. Gerhard Schmidt, zu diesem Zeitpunkt Hauptvorsitzender des BDN, vertrat die Meinung, dass wenn man von der Bevölkerung Tingleffs Wilhelmsen als Vizebürgermeister akzeptieren könne, so müsste er auch dem Folketing angehören können. Viele Möglichkeiten wurden nun diskutiert. Eine außerordentliche Delegiertenversammlung entschied sich, nachdem Wilhelmsen und Möller von selbst zurückgetreten waren, um den Weg für andere Kandidaten frei zu machen, die Zusammenarbeit mit den Zentrums-Demokraten für die bevorstehende Wahl nicht fortzusetzen. Auch entschied man, dass man nicht als eigenständige Partei antreten würde. Um viele der Missverständnisse, die in der Diskussion zwischen der Minderheit und den Zentrums-Demokraten entstanden waren zu klären, trafen sich Vertreter beider Seiten bei Peter Wilhelmsen. Wie auf einem Foto zu sehen ist, wurde die Diskussion aufgenommen. Diese Audiodateien liegen heute noch vor.  Uwe Möller, Teilnehmer der Diskussion, erstellte später ein Fotoalbum zum Treffen. Dieses liegt seit einigen Jahren im Deutschen Museum Nordschleswig. Mit dieser Episode war die Zeit vorbei, in der die deutsche Minderheit direkt im dänischen Folketing vertreten war. Später wurde dann das Sekretariat der deutschen Volksgruppe in Kopenhagen eingerichtet. Dies sollte fortan die Interessen der deutschen Minderheit beim dänischen Folketing vertreten. 

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