Tag der Deutschen Einheit

Die Minderheit feierte ihre Zugehörigkeit zu Deutschland

Die Minderheit feierte ihre Zugehörigkeit zu Deutschland

Die Minderheit feierte ihre Zugehörigkeit zu Deutschland

Apenrade/Nordschleswig
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Joachim Bleicker von der deutschen Botschaft in Kopenhagen sprach beim Tag der Deutschen Einheit in Apenrade. Foto: Karin Riggelsen

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Zum ersten Mal seit 2018 wurde in Nordschleswig wieder der Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Die Zusammenarbeit über die Grenze hinweg wurde gelobt – aber es gibt auch Verbesserungspotenzial.

Die deutsche Minderheit in Nordschleswig feierte am Sonntag erstmals seit 2018 wieder den Tag der Deutschen Einheit im Landesteil. Vor dem coronabedingten Ausfall 2020 hatte die Minderheit 2019 in Kiel im Landeshaus gefeiert.

Vor 100 Gästen ging der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen, auf den Besuch von Königin Margrethe bei der Minderheit im Juni ein und auch auf die überstandene Bundestagswahl.

„Wir – die deutsche Minderheit – können die Regierungsbildung zwar mit Spannung, aber auch mit Gelassenheit betrachten, denn wir pflegen zwischen den Wahlen die Beziehungen zu allen Parteien, die im Bundestag und im Landtag vertreten sind“, so Jürgensen.

Hinrich Jürgensen, Carsten Friis und Joachim Bleicker begrüßten die Gäste – hier der dänische Generalkonsul in Flensburg, Kim Andersen und seine Frau Birte. Foto: Karin Riggelsen

Jürgensen: „Luft nach oben“

Dabei hat sich die Minderheit auch die Wahlprogramme der Parteien angesehen und festgestellt, dass es laut Jürgensen große Unterschiede gibt, wie viel dort über die nationalen Minderheiten steht.

„Ich möchte das jetzt nicht im Einzelnen ausführen, aber anmerken, dass bei vielen Parteien noch Luft nach oben ist“, sagte Hinrich Jürgensen, der auch in Sachen Digitalisierung Richtung Deutschland stichelte – hier könne Deutschland mit Dänemark zusammenarbeiten.

Für Jürgensen sei der Tag der Deutschen Einheit ein Feiertag, denn mit der Einheit Deutschlands sei nicht nur das deutsche Volk geeint, sondern auch die Spaltung Europas aufgehoben worden.

Dabei hob Hinrich Jürgensen vor allem die Rolle Deutschlands in Europa hervor. Sei es die Corona-Pandemie, die Flüchtlingskrise oder der Klimawandel – Deutschland wirke nicht nur mit, sondern nehme eine führende Rolle bei den Lösungen ein und übernehme damit Verantwortung für Europa.

Hinrich Jürgensen lobte Deutschland für das Verantwortungsbewusstsein des Landes in großen Krisen. Foto: Karin Riggelsen

Bleicker: „Selbstbewusste und kooperative Minderheit“

Joachim Bleicker, Gesandter der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kopenhagen, ist seit einem Jahr Beauftragter für die deutsche Minderheit. Trotz der Corona-Pandemie hat auch er an den Höhepunkten im vergangenen Minderheiten-Jahr teilnehmen können.

Das sind: die Wiedereröffnung des Deutschen Museums in Sonderburg, der Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zusammen mit Königin Margrethe im Juni, die Vergabe des Verdienstkreuzes an Welm Friedrichsen, Hauptvorsitzender des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig, und nicht zuletzt das Knivsbergfest im September.

Zwei Minderheitenbeauftragte unter sich: Johannes Callsen vom Land Schleswig-Holstein (links) und daneben Joachim Bleicker von der deutschen Botschaft in Kopenhagen. Foto: Karin Riggelsen

Spannbreite der Minderheit

Das Knivsbergfest zeige die Spannbreite der Arbeit der deutschen Minderheit in Nordschleswig, meinte Bleicker, aber auch, wie die Minderheit selbstbewusst und kooperativ nicht die Abgrenzung zur Mehrheit wolle, sondern unter Wahrnehmung der eigenen Identität und Sprache immer wieder die Zusammenarbeit suche.

Das Zusammenleben von Deutsch und Dänisch im Grenzland sei einzigartig, so Bleicker, aber die Verbundenheit sei nicht vom Himmel gefallen.

Dies habe auch die Grenzschließung im Corona-Jahr gezeigt. „Die Einschränkungen durch die Pandemie seien eine enorme Belastung gewesen. Nicht nur für die Minderheiten im Grenzland, sondern für alle“, sagte Joachim Bleicker.

Einiges sei in Gesprächen zwischen Berlin, Kopenhagen und Kiel geklärt worden – aber nicht alles, und vieles verspätet. Mit Blick auf kommende Krisen gebe es laut Bleicker „Verbesserungsmöglichkeiten“.

Honorarkonsul Carsten Friis (Bildmitte) sprach über das Zusammenwachsen Deutschlands. Foto: Karin Riggelsen

Honorarkonsul: „Berechtigte Bitterkeit“

Carsten Friis, Honorarkonsul Deutschlands in Hadersleben, berichtete von seinen Sommerferien im Harz.

„Wir wohnten in einem alten Gasthof und sprachen dort mit der Kellnerin. Sie nannte sich ein Ossie-Mädchen. Man merkte ihr an, dass sie über vieles, was seit der Wiedervereinigung geschehen ist, immer noch verbittert war. So wie viele es im Osten immer noch sind. Teilweise ist diese Bitterkeit auch berechtigt“, so Friis.

Dabei könne man nicht nur auf die objektiven Verbesserungen sehen, die es für die Menschen gegeben habe – Lebensstandard, Infrastruktur, aber vor allem Freiheit. Wichtig sei immer auch das subjektive Befinden.

„Und hier fühlen sich viele Bürger, die in der DDR aufgewachsen sind, immer noch benachteiligt“, sagte Carsten Friis.

Endlich gab es wieder die Gelegenheit, sich grenzüberschreitend zu treffen. Foto: Karin Riggelsen

Grenzen trennen

Die deutsch-deutsche Grenze von damals sollte trennen.

„Was das bedeutet, haben viele von uns nicht verstehen können. Bis vor Kurzem. Vor anderthalb Jahren wurde die Grenze zu Deutschland geschlossen. Auch wir erfuhren, wie schmerzlich eine von anderen verordnete Trennung ist. Wir hoffen, dass dies nicht wieder passiert“, sagte der Honorarkonsul.

Friis forderte außerdem, dass dies vor allem nicht wieder passieren dürfe, ohne dass die Bewohner der Grenzregion in die Entscheidungsprozesse einbezogen würden.

„Geschlossene Grenzen – und auch das zeigen die Ereignisse von 1989 – haben keine, dürfen keine Zukunft haben“, sagte Carsten Friis.

Weinkönigin Luise Antonie Böhme berichtete über das Weinanbaugebiet Saale-Unstrut – und hatte passend dazu Weinproben mitgebracht. Foto: Karin Riggelsen

Ausstellung und Weinprobe

Umrahmt wurde die diesjährige Feier zum Tag der Deutschen Einheit von einer Foto-Ausstellung der Fotografin Karin Riggelsen vom „Nordschleswiger“.

Die Bilder sind in den Öffnungszeiten der Zentralbücherei im Haus Nordschleswig zu sehen und können erworben werden. Die eingerahmten Fotos kosten 500 Kronen/Stück, und der Überschuss geht an die Initiative „Kein Kind ohne Ferien“, das die Verbände der Minderheit ins Leben gerufen haben (auch als das „Rote Reiseschwein“ bekannt).

Zwischen den Reden brachte die Weinkönigin Luise Antonie Böhme den Gästen das Weingebiet Saale-Unstrut nahe. Neben vier Kostproben, die sie mitgebracht hatte, berichtete die 21-Jährige kompetent über den Weinanbau und die Herausforderungen im nördlichsten Weinanbaugebiet Deutschlands in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.

Die Fotos von Karin Riggelsen sind im Haus Nordschleswig bis November ausgestellt. Foto: Karin Riggelsen
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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden“