Deutsche Minderheit

Beeindruckende Einblicke in die Suche nach Kriegstoten

Beeindruckende Einblicke in die Suche nach Kriegstoten

Beeindruckende Einblicke in die Suche nach Kriegstoten

Apenrade/Aabenraa
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Thomas Schock zeigte das abgebildete Foto einer Bestattungsfeier in Polen, wo erst vor wenigen Jahren entdeckte und identifizierte Opfer aus dem Zweiten Weltkrieg eine würdige Ruhestätte bekommen haben. Foto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.

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Der Leiter des Referats Umbettungen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Thomas Schock, sprach in Apenrade vor gut 30 Interssierten über die bis heute andauernde Identifizierung ziviler und militärischer Opfer der Kriege. Angehörige können mithilfe des 1919 gegründeten Vereins Gräber vermisster Personen finden und Schicksale aufklären.

Der erst vor einigen Wochen in sein Ehrenamt eingeführte Beauftragte für die Kriegsgräberfürsorge in Nordschleswig und Dänemark, Kristian Lauridsen, hat am Dienstag gut 30 Interessierte zum Vortragsabend unter dem Titel „Wie wir die Toten finden“ im Haus Nordschleswig begrüßen können.
 

Thomas Schock hat jahrelang Kriegstote aufgespürt. Er berichtete in Apenrade über seine Arbeit. Er ist Leiter des Umbettungsdienstes des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Foto: Volker Heesch

 

Riesenaufgabe des Volksbundes

Der Leiter des Referats Umbettungen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Thomas Schock, war zusammen mit dem Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes Schleswig-Holstein, Frank Niemanns, nach Apenrade gekommen, um einen Eindruck von der unbeschreiblich großen Aufgabe zu vermitteln, den vielen Millionen Kriegstoten, die als Soldaten und Zivilisten vor allem in Verbindung mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen sind, eine angemessene Grabstätte zu geben. Hinzu kommt der Einsatz, Schicksale von Vermissten aufzuklären und bis in die Gegenwart aufgefundene Leichname zu identifizieren.

 

Der Kriegsgräberbeauftragte in Nordschleswig, Kristian Lauridsen, und Frank Niemanns (r.), Landesgeschäftsführer des Volksbundes, eröffneten den Vortragsabend im Haus Nordschleswig. Foto: Volker Heesch

 

„Es gibt Gräber von 2,8 Millionen deutschen Kriegstoten auf 823 Kriegsgräberstätten in 46 Ländern“, so Niemanns, der zusammen mit dem Kommunikationschef des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Harro Hallmann, die Veranstaltung eröffnete. Es nahmen auch Angehörige von gefallenen nordschleswigschen Kriegsteilnehmern teil, deren Angehörige bis heute fern der Heimat an unbekannten Orten ruhen. Der in Schleswig-Holstein beheimatete Thomas Schock illustrierte seine Ausführungen mit Fotos von Such- und Bergungseinsätzen zwischen Estland und Albanien, an denen er selbst beteiligt gewesen ist. „Allein in den letzten 26 Jahren sind vom Volksbund 930.000 Umbettungen vorgenommen worden“, so Schock, um einen Eindruck von der ungeheuren Aufgabe des eigenen Vereins aber auch Organisationen und teilweise staatlichen Stellen in anderen europäischen Ländern zu geben, die Kriegsgräber anlegen und pflegen.

Noch viele ungeklärte Schicksale

„Die Zahl der Funde von Kriegstoten ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen“, so Schock, aber selbst in diesem Jahr habe der Volksbund schon 11.700 Umbettungen vorgenommen. „Drei Millionen Kriegstote ruhen noch an unbekannten Orten, darunter sind viele Zivilisten und deportierte Menschen“, erläuterte er und erinnerte daran, dass bis heute in vielen Familien ungeklärte Schicksale die Menschen bewegten.

Augenzeugen im Einsatz

Und Schock wies darauf hin, dass bei den vielen Kriegstoten, die heute noch in den baltischen Staaten, Polen, der Ukraine, Belarus oder Russland aufgespürt werden und in angemessene Grabstätten überführt werden, meistens Augenzeugen von Kämpfen und Bestattungen oft vor fast 80 Jahren Hinweise geben, damit der Umbettungsdienst aktiv werden kann. Eingehend erläuterte Schock die inzwischen auch moderne Technik, die bei der Ortung von mitunter auf freiem Feld, aber auch in Massengräbern beerdigten Leichnamen zum Einsatz kommen.

 

Erkennungsmarken werden genutzt, um gefallene Soldaten zu identifizieren. Foto: Volker Heesch

 

Geborgen werden Skelette der Toten samt Erkennungsmarken von Soldaten, die unter Einsatz von militärischen Akten ausgewertet werden. „70 Prozent der entdeckten Skelette können identifiziert werden“, so der Mitarbeiter des Volksbundes, der Beispiele von Skizzen deutscher Kriegsgräberstandorte aus dem Krieg, Fotos von „Heldenfriedhöfen“ und Karteikarten der Wehrmacht mit Angaben über Todesursachen von Soldaten zeigte. „Am schwierigsten ist es, die Toten aus der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs zu identifizieren“, so Schock.

Die meisten Opfer gegen Kriegsende

Im letzten halben Jahr des Krieges seien mehr Menschen ums Leben gekommen als in den vorangegangenen Jahren seit 1939. Schock wies darauf hin, dass heute noch Bombenopfer des Zweiten Weltkriegs und Orte, an denen getötete Flüchtlinge und Kriegsgefangene oft in Hast verscharrt worden sind, entdeckt werden. Er sprach von Orten, an denen sich unvorstellbare Tragödien abgespielt haben. So seien Ende des Zweiten Weltkriegs in Teilen Sloweniens bis zu 30 Prozent aller dort lebenden Menschen gewaltsam umgekommen. Er ging auf die Unterstützung Einheimischer in vielen Ländern ein, die es dem Volksbund ermöglichten, Friedhöfe mit Namen der dort bestatteten Menschen anzulegen.

Nationale Kriegsgräberpflege

Es gebe aber auch Hindernisse, dass in vielen Ländern eigene Vorschriften gelten, die Bergungen von Toten erschweren könnten. Thomas Schock sprach auch die lange vorherrschende Praxis an, dass die einzelnen Staaten sich stets nur mit „ihren“ nationalen Kriegsopfern befassen wollten. „Auf den deutschen Soldatenfriedhöfen liegen nicht nur Deutsche. Vor allem auch viele Zivilisten“, berichtete Schock und sprach sich für „Internationale Kriegsopferstätten“ als einer angemessenen Bezeichnung aus. So seien auf deutschen Kriegsfriedhöfen auch Zwangsrekrutierte, Freiwillige aus anderen Ländern und Mitglieder deutscher Minderheiten zu finden. Er ging darauf ein, dass es vor allem schwierig sei, zivile Opfer zu identifizieren.

Noch Jahrzehnte nach Kriegsende Identifizierungen

Aber es gebe dabei auch mitunter viele Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges Überraschungen, dass beispielsweise über Akten des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes Tote noch identifiziert werden können und auch immer noch „Beuteakten“ auftauchten, die Schicksale aufklären können. Thomas Schock ging auch auf die Problematik deutscher Gedenkstätten in Gebieten ein, wo Deutsche während des Zweiten Weltkriegs Gräueltaten verübt haben. Dort müsse auf die Einheimischen Rücksicht genommen werden. „Mich haben Erlebnisse tief beeindruckt, dass noch 70 Jahre nach dem Ende des Krieges Angehörige, die nach Auffinden eines Bruders dessen Grab in Estland besuchen konnten, tief gerührt fast zusammengebrochen sind“, so der Mitarbeiter des Volksbundes und fügte hinzu, dass die Ungewissheit viele Menschen ein Leben lang belastet hat.

 

Auf großes Interesse stieß die Vortragsveranstaltung über den Einsatz zur Aufklärung des Verbleibs von Kriegsopfern. Foto: Volker Heesch

 

Auf Nachfrage unterstrich er, dass bei den Bestattungen kein Unterschied gemacht werde, ob im Gefecht umgekommene Soldaten, hingerichtete Deserteure oder umgekommene Gefangene eine letzte Ruhestätte bekommen. Es gebe aber Fälle, dass Namen prominenter Nazi-Akteure, deren Überreste identifiziert wurden, nicht auf Kriegsgräberstätten verzeichnet werden, denn sonst drohe die Gefahr, dass sie zu Wallfahrtsorten für Neonazis werden. „Die Anfragen beim Volksbund nach Vermissten nehmen ab“, berichtete er, aber er forderte auch dazu auf, beispielsweise über die Internetseite Volksbund.de sich selbst auf die Suche zu begeben. „Es werden bei der Identifizierung von Personen nur Angehörige benachrichtigt, von denen wir Anfragen vorliegen haben“, erklärte Schock, der viel Beifall für seinen Vortrag bekam.     

 

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