Umwelt und Natur

Interview: Es braucht mehr Aufklärung über das Wetter

Interview: Es braucht mehr Aufklärung über das Wetter

Interview: Es braucht mehr Aufklärung über das Wetter

Apenrade/Aabenraa
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Himmel
Ist das ein normaler Himmel mit Wolken oder wurde hier manipuliert? Es gibt Menschen, die glauben nicht an Zufälle. Foto: Brigitte Elsner/Unsplash

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Saharastaub in Nordschleswig, Überschwemmungen in Dubai. Es gibt Menschen, die glauben nicht an einen Zufall. Das Wetter wird manipuliert – und zwar im großen Stil. Videos davon finden sich zuhauf in sozialen Medien. Der Kieler Meteorologe Sebastian Wache spricht im Interview mit dem „Nordschleswiger“ über Chemtrails und warum es mehr Aufklärung braucht.

Die Kamera schwenkt in den Himmel. Dunst hängt vor der Sonne. Eine weibliche Stimme sagt: „Die Sonne ist eingesperrt hinter Vorhängen.“ Schuld sind laut Erstellerin des Tiktok-Videos Flugzeuge, aus denen Chemikalien versprüht werden. Die Kondensstreifen sollen von der Beeinflussung des Wetters zeugen. Eine gängige Verschwörungstheorie. 

Die Chemtrail-Theorie besagt, dass Regierungen das Wetter mithilfe giftiger Chemikalien und mit Absicht manipulieren würden, um der eigenen Bevölkerung zu schaden. Streifen, Schleier, Dunst, Wolken: Auf der Social-Media-Plattform finden sich zahlreiche Videos von Menschen, die an eine bewusste Wettermanipulation glauben. Die Überschwemmungen in Dubai, der Saharastaub in Deutschland – alles unnatürlich. Auch auf „X“ trendete das Thema zuletzt wieder. Warum sich die Verschwörungstheorie leicht entkräften lässt, erklärt der Kieler Meteorologe Sebastian Wache im Interview.

Sebastian Wache
Sebastian Wache ist Meteorologe bei der Wetterwelt in Kiel. Foto: WetterWelt

Sebastian, begegnet dir das Thema während deiner Arbeit häufiger?

„Tatsächlich kenne ich das Thema. Zuletzt kam nach einem Vortrag in Kiel ein Zuhörer zu mir und fragte danach. Es begegnet mir aber nicht so massiv, wie du es aus Social Media beschreibst. Ich bekomme in meinen sozialen Netzwerken aber auch Kommentare mit wilden Theorien und auch teilweise Anfeindungen. Das nervt tierisch, aber ich halte mich zurück, denn man kann diese Leute nicht zum Umdenken bewegen. Viele meiner Follower weisen solche Verschwörungstheoretiker aber in die Schranken.“

Was sagst du denn zu Chemtrails?

„Das ist völliger Schwachsinn. Was soll das bringen? Putin, Scholz und Biden laufen auch draußen herum wie wir. Richtig ist, dass durch Flugzeuge durchaus Wolken entstehen. Sie stoßen mit den Abgasen Partikel aus, die in der großen Höhe auf kalte Luftmassen treffen. Die Feuchtigkeit bindet sich an die Staubteilchen – und das kann auch Saharastaub sein. Manchmal ist es, vor allem im Sommer, trockener und wärmer, weshalb Flugzeuge dann keine Kondensstreifen hinter sich herziehen. Aber es handelt sich um natürliche physikalische Prozesse.“

Aber Geoengineering gibt es schon …

„Man muss so ehrlich sein und sagen, dass es so etwas schon gibt. Stichwort Wolkenimpfung. Das Cloudseeding wurde bereits bei Militärparaden in Russland oder China gemacht, damit sich Wolken vorher abregnen und es dann bei blauem Himmel bessere Bilder gibt. Auch im Süden Deutschlands gibt es die sogenannten Hagelflieger. Mit kleinen Flugzeugen werden Kondensationskeime verteilt, um Hagel zu verhindern. Aber das hat eine eher homöopathische Wirkung.“

Viele glauben ja, dass dieses Cloudseeding die sintflutartigen Regenfälle in Dubai ausgelöst hat …

„In Dubai war das viel zu kleinräumig, um so etwas auszulösen. Diese Kraft haben wir gar nicht. In Dubai arbeitet man schon daran, Wolken abregnen zu lassen. Das Land hat ja wenig Wasser und einen hohen Verbrauch. In diesem Fall haben die verschiedenen Wettermodelle aber schon Tage vorher angedeutet, was da kommt. Diese Tiefdruckbildung hat dann zu einem punktuellen Regenereignis geführt. Das Potenzial für solches Extremwetter ist groß und wird durch den Klimawandel begünstigt.“

Warum glauben einige Menschen dennoch an Manipulation?

„Heute bekommt man solche Dinge einfach schneller mit. Zum Beispiel in dieser Woche den Saharastaub in Athen. Früher wäre das eine Randnotiz am nächsten Tag in der Zeitung gewesen. Da wird dann jetzt schnell gesagt ,Sowas hat es früher aber nicht gegeben'. Das hat es aber.“ 

Was kann man denn gegen die Verbreitung von Verschwörungstheorien und Fake-News-Vorwürfe tun?

„Hier hilft nur sachliche Aufklärung. Solche Verschwörungstheorien lassen sich hinterher nur leider schwer wieder einfangen. Zusätzlich gibt es immer wieder Fälle, zuletzt in Österreich, wo Wetterexperten diskreditiert werden. Wenn Videos davon viral gehen, ist das problematisch.“

Ist unser Wetter hier im Norden denn aktuell normal?

„Wir hatten einen warmen Aprilanfang mit zu hohen Temperaturen. Die Abweichung in Schleswig-Holstein lag bei 2,5 Grad über normal. Jetzt ist es eine Woche lang kalt. Am Wochenende wird es wieder wärmer und das voraussichtlich bis in den Mai. Das Wechselspiel ist normal und auch die aktuellen Temperaturen von 8, 9 Grad. Das Problem ist, dass die hohen Temperaturen am Anfang des Monats in Vergessenheit geraten. Denn trotz der aktuellen Kälte wird der April voraussichtlich zu warm und zu nass.“

Was bedeutet das in Zahlen?

„Wenn ich für Schleswig-Holstein spreche, aber in Nordschleswig wird es ähnlich sein, dann haben wir im April bislang 65 Prozent mehr Niederschlag als üblich, aber nur 54 Prozent der Sonnenstunden bekommen.“

Also gibt es einen weiteren Wetterrekord?

„Das lässt sich noch nicht sagen, aber in der gesamten Nordhemisphäre ist es derzeit 1,5 Grad zu warm. Klar ist es aktuell in Mitteleuropa zu kalt, gleichzeitig aber etwa im Schwarzen Meer oder dem Atlantik zu warm. Die kleinen Bereiche, in denen es derzeit zu kühl ist, reichen nicht aus. Es ist global zu warm.“

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