Leitartikel

„Wir Dänen“

Wir Dänen

Wir Dänen

Nordschleswig/Sønderjylland
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Staatsministerin Mette Frederiksen spricht von „wir Dänen“ und grenzt gleichzeitig Einwanderer aus, indem sie sie bloßstellt, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

„Wenn wir die Zahlen nüchtern betrachten, dann sind zu viele Menschen mit einem nicht westlichen Hintergrund infiziert.“

„Es dreht sich darum, dass man auf dem Heimweg in der S-Bahn in Kopenhagen keine Angst vor 15 bis 17 jugendlichen Einwanderern haben muss, nur weil sie sich nicht benehmen können.“

Zwei Aussagen innerhalb von wenigen Tagen. Beide Male war Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) die Absenderin der Sätze, die sie im Rahmen  zweier, inzwischen bekannter, Pressekonferenzen ins Mikrofon sprach. Diese Konferenzen, die die Regierungschefin seit Mitte März abhält, haben Frederiksen in den Augen vieler zur Landesmutter gemacht.

Zum einen hob sie in Verbindung mit neuen Corona-Hotspots in Aarhus und Silkeborg den Zeigefinger gegenüber Einwanderer-Kreisen in denen sich das Virus verbreitet. Beim zweiten Mal ging es um die bevorstehende Polizeireform.

Dass die Regierungschefin zweimal innerhalb von wenigen Tagen vor laufender Kamera Einwanderergruppen zum Sündenbock macht, ist kein Zufall. Die Sozialdemokraten haben unter der Leitung von Mette Frederiksen einen nationalistischen Kurs eingeschlagen.

Die Staatsministerin aller in Dänemark spricht immer wieder von „Wir Dänen“ – und grenzt damit viele aus. Auch das ist kein Zufall, denn die Sozialdemokraten haben damit Erfolg und holen sich seit längerem die Stimmen aus dem Lager der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei zurück.

Mette Frederiksen setzt jedoch ihren guten Ruf als neue Landesmutter aufs Spiel, indem sie bestimmt Gruppen ausgrenzt. Und warum gerade Einwanderer? Sie hätte auch die jugendliche Partyszene, Fußballfans aus Aalborg, Pferdehalter aus Herning oder Skifahrer als mögliche Infektionsquellen anschwärzen können.

Es sei nötig, diese Zahlen zu veröffentlichen, meint Frederiksen, denn anders könnten die Behörden das Coronavirus nicht bekämpfen. Was auch immer das eine mit dem anderen zu tun hat – die Behörden wissen ja, wo sie ansetzen müssen.

Außerdem hat die Verbreitung des Coronavirus in einigen Einwandererkreisen nicht ausschließlich etwas mit Kultur zu tun. Auch mit Kultur, vor allem aber mit sozialer Ungleichheit: Das sind die Bürger, die für uns in der ersten Reihe stehen, in der Pflege, beim Saubermachen oder im Transportgewerbe. Sie sind dem Virus eher ausgesetzt als viele Dänen, und wenn sie in heimische Quarantäne gehen, dann haben sie kein Sommerhaus oder ein extra Zimmer, weil sie es sich nicht leisten können und daher oft viele unter einem Dach wohnen.  

In den S-Bahnen oder anderen dänischen Städten machen nicht nur Einwanderer Ärger, sondern manchmal sind es Rocker oder „richtige“ dänische Jungs im Provinzort.

Die Politiker sprechen oft davon, keine Berührungsangst zu haben oder die „Dinge beim Namen“ zu nennen. Was auch nicht verkehrt ist, wenn es um Problemlösungen geht. Schon aber, wenn Aussagen wie die von Mette Frederiksen bestimmte Gruppen öffentlich stigmatisieren und sie zum Sündenbock der Nation machen.

Es ist eine billige und unfaire Art, sich zu positionieren, es ist aber vor allem der falsche Weg, wenn es darum geht, eine Nation zu sammeln – Dänen und alle anderen, die genau so sehr dazu beitragen, dass in Dänemark viele Menschen glücklich sind.

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