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Deutsche Regeln können Nachtzüge aus Dänemark ausbremsen

Deutsche Regeln können Nachtzüge aus Dänemark ausbremsen

Deutsche Regeln können Nachtzüge aus Dänemark ausbremsen

Ritzau/nb
Kopenhagen
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Die Beliebtheit von Nachtzügen nimmt überall in Europa wieder zu. Foto: Benoit Tessier/Reuters

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Nach sieben Jahren rollen seit dem Sommer wieder Nachtzüge durch Dänemark. Und weitere können folgen, sofern es gelingt, die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg zu organisieren. Denn deutsche Regeln könnten dem Vorhaben ein Ende bereiten.

In Zukunft soll es wieder möglich sein, mit dem Nachtzug durch Europa zu reisen. Auch von Dänemark aus sollen Nachtzüge in nördlicher und südlicher Richtung verkehren.

Voraussetzung ist jedoch, dass die internationale Zusammenarbeit gelingt, die für die Organisation der Nachtzüge erforderlich ist.

Nachdem die Nachtzüge in den vergangenen Jahren überall in Europa auf dem Rückzug waren, erleben sie jetzt ein Comeback. Im günstigsten Fall soll das auch eine steigende Anzahl an Nachtzügen mit Halt an dänischen Bahnsteigen mit sich bringen.

Erster Nachtzug seit sieben Jahren

Ende Juni dieses Jahres machte der erste Nachtzug seit sieben Jahren Halt in Dänemark. Er hielt in Høje-Taastrup auf dem Weg von Stockholm nach Berlin. Dahinter steht die schwedische Betreibergesellschaft Snälltåget, die eine Vereinbarung mit den Dänischen Staatsbahnen (DSB) eingegangen ist, um durch Dänemark fahren zu dürfen.

Bei DSB registriert man mehr und mehr Kunden, die gerne grenzüberschreitend mit dem Zug verreisen möchten, wie Aske Mastrup Wieth-Knudsen, Nachhaltigkeitschef bei DSB, bestätigen kann.

Vor diesem Hintergrund ist DSB eine Zusammenarbeit mit den Schweden für den Erwerb von Fahrkarten eingegangen, so dass man auch über die DSB einen Fahrschein für den Snälltåget erwerben kann.

Transportminister sieht großes Potential

Transportminister Benny Engelbrecht (Soz.) sieht in den Nachtzügen ein großes Potential.

„Natürlich ist es teurer, mit dem Nachtzug zu fahren, als zu fliegen. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass man eine Übernachtung im Hotel spart, womit ein Teil der Mehrkosten eingespart werden kann“, sagt er.

Praktische Herausforderungen

Jedoch kann bereits der Betrieb der Nachtzüge eine Herausforderung darstellen, und zwar nicht nur aus ökonomischer Perspektive, sondern auch in praktischer Hinsicht, wie Mogens Fosgerau, Professor für Transportökonomie an der Universität Kopenhagen einschätzt.

„Es ist sehr schwierig, einen Nachtzug im nationalen Verkehr auf die Schiene zu bringen. Noch schwerer wird es, wenn Landesgrenzen überquert werden sollen“, sagt er.

Ein Beispiel dafür ist die schwedische Nachtzugroute, die ab August nächsten Jahres zwischen Malmö und Brüssel eingerichtet werden und durch Dänemark führen sollte. Doch diese Pläne haben aller Voraussicht nach längere Aussichten, mit dem Risiko, schließlich gänzlich im Sande zu verlaufen.

Natürlich ist es teurer, mit dem Nachtzug zu fahren, als zu fliegen. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass man eine Übernachtung im Hotel spart, womit ein Teil der Mehrkosten eingespart werden kann.

Benny Engelbrecht (Soz.), Transportminister

Hindernis durch deutsche Subventionsregeln

Hintergrund sind Regeln in Deutschland. Demnach dürfen Züge, die weiter als 50 Kilometer fahren, keine öffentlichen Subventionen erhalten.

Deshalb ist es den Schweden nicht gelungen, jemanden zu finden, der den Zug nach Brüssel betreiben will, da ein Großteil der Strecke ohne öffentliche Subventionen abgewickelt werden müsste.

Demgegenüber ist es weiterhin wahrscheinlich, dass man zwischen Stockholm und Hamburg mit dem Nachtzug verkehren kann, mit Zwischenstopps in Kopenhagen, Odense und Kolding.

Politischer Wille für Subventionen entscheidend

Mogens Fosgerau verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der politische Wille, Subventionen bereitzustellen, entscheidend sei, sofern die Nachtzüge wieder über die Schienen rollen sollen.

Benny Engelbrecht macht darauf aufmerksam, dass bereits mit dem Haushaltsgesetz für 2019 finanzielle Mittel für den Betrieb von Nachtzügen durch Dänemark bereitgestellt wurden. Diese Mittel seien allerdings bislang nicht abgerufen worden.

Der Minister zeigt sich offen dafür, weitere Mittel in Nachtzüge zu investieren, sofern der Bedarf dafür vorhanden sei.

Weitere Hindernisse

Neben den deutschen Vorschriften gibt es jedoch noch andere Hindernisse. Je nachdem in welchem Land man unterwegs ist, fahren die Züge mit unterschiedlichem Strom. Zudem benötigen Nachtzüge geeignete Waggons.

„Es ist logisch, dass Nachtzüge bestimmte Wagentypen voraussetzen. Deshalb ist es auch ganz natürlich, über die Landesgrenzen hinweg zu schauen“, sagt Engelbrecht.

Zusammenarbeit Schweden und Norwegen

Er arbeitet mit dem schwedischen Transportminister an Nachtzügen, unter anderem mit dem Ziel, die deutschen Regeln zu ändern.

Der Minister freut sich auch darüber, dass sich die neue norwegische Regierung für die Etablierung von Nachtzügen zwischen Dänemark und Norwegen offengezeigt hat.

Neue Verbindungen in Planung

Für das Jahr 2024 sind eine ganze Reihe neuer Nachtzugverbindungen geplant.

So sagte der Direktor der österreichischen Staatsbahnen (ÖBB), Andreas Matthä, im August gegenüber dem „Wall Street Journal“, dass sein Ziel Nachtzüge in ganz Europa seien. ÖBB hat vor kurzem in 33 neue Nachtzüge von der Firma Siemens investiert.

In Frankreich haben die Staatsbahnen 117 Millionen Euro (850 Millionen Kronen) in die Modernisierung mehrerer Nachtzugstrecken gesteckt.

Es ist sehr schwierig, einen Nachtzug im nationalen Verkehr auf die Schiene zu bringen. Noch schwerer wird es, wenn Landesgrenzen überquert werden sollen.

Mogens Fosgerau, Professor für Transportökonomie, Universität Kopenhagen

Mehrere private Akteure in den Startlöchern

Zudem sehen auch eine Reihe an privaten Firmen Potential in Reisen mit dem Nachtzug. So wollen die Firmen Midnight Trains, European Sleeper und Snälltåget in den kommenden Jahren mehrere Linien in Europa in Betrieb nehmen.

Midnight Trains plant für das Jahr 2024 die Eröffnung von 12 Verbindungen von und nach Paris, unter anderem von Kopenhagen aus. Auch die schwedische Gesellschaft Snälltåget möchte Reisende aus Schweden und Dänemark nach Berlin transportieren.

Rückmarsch noch nicht lange her

Die Nachtzüge waren eigentlich auf dem Rückmarsch. Erst vor wenigen Jahren hatten viele Staatsbahnen ihre Nachtzugverbindungen ersatzlos gestrichen.

Mit der Klimakrise und den Zielen für eine grüne Umstellung hat sich jedoch die Schwerpunktsetzung vom Fliegen wieder zugunsten des Nachtzuges verschoben.

Zugreisen 20-mal umweltfreundlicher

Die Europäische Umweltagentur veranschlagt, dass ein Flug pro Kilometer 285 Gramm CO2 für jeden Passagier verursacht, während Zugreisende nur 14 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen und damit die Umwelt 20-mal weniger belasten.

Allerdings ist die Zugtechnik nicht so flexibel wie dies im Flugverkehr der Fall ist.

„Der Zugverkehr ist ganz einfach technologisch gesehen im Hintertreffen“, sagt Mogens Fosgerau.

Zudem stellen die unterschiedlichen Tarifabkommen des Zugpersonals und verschiedene Sicherheitsvorschriften in den jeweiligen Ländern ein Problem für den grenzüberschreitenden Nachtzugverkehr dar.

Ein weiteres Hindernis besteht in den hohen Kosten, die mit dem Betrieb der Züge verbunden sind.  

Anreize dank Plänen für mehr Nachhaltigkeit

Dass die Zahl der Nachtzüge dennoch zunehmen soll, sei einerseits steigenden Preisen für Flugtickets geschuldet; zudem gäbe es eine politische Bereitschaft für die Subvention des Zugverkehrs, so Fosgerau. Die EU habe mit dem Ziel einer Senkung der Treibhausgasemissionen auf Null bis zum Jahr 2050 erhebliche finanzielle Mittel zur Umstellung des Verkehrs auf mehr Nachhaltigkeit bereitgestellt. Auch würden viele Länder finanzielle Mittel für den Zugbetrieb bereitstellen.

Mehr Züge allerdings kein Automatismus

„Dennoch ist es nicht realistisch zu glauben, dass in kurzer Zeit so viele Züge über die Schiene rollen, dass sie die Aufgabe übernehmen können, die heutzutage den Flugzeugen zufallen“, sagt Fosgerau.

„Die Menge des internationalen Verkehrs ist nicht konstant. Es ist nicht so, dass, wenn man sich nicht auf die eine Art und Weise von A nach B bewegt, man es dann auf eine andere Art und Weise tut“, so Fosgerau.

Stattdessen können seiner Einschätzung nach mehr Europäerinnen und Europäer womöglich in Zukunft einfach zu Hause bleiben.

Quelle: Trafikverket Foto: Ritzau grafik/MW

Fall und Auferstehung der Nachtzüge

Der letzte dänische Nachtzug verkehrte im Jahr 2014. DSB hatte das Nachtzug-Angebot aus dem Programm genommen, da die Kosten zu hoch und die Kundennachfrage zu gering waren.

Zwei Jahre später verkaufte die Deutsche Bahn alle ihre Nachtzüge. Im Jahr 2017 wurde die Nachtzugverbindung Paris-Nizza eingestellt.

Die österreichische Zuggesellschaft ÖBB kaufte 42 Nachtzugwaggons von der Deutschen Bahn und nahm ihre Nachtzüge im Jahr 2018 in Betrieb. Dank steigender Passagierzahlen hat die ÖBB in neue Nachtzüge investiert, die ab dem Jahr 2022 in Betrieb gehen sollen.

In der Schweiz wurde das Ende der Nachtzüge im Jahr 2009 eingeläutet. Im Mai 2019 gab die SBB bekannt, den Betrieb der Nachtzüge wieder aufzunehmen, unter anderem mit Verweis auf das gestiegene Interesse an klimafreundlichen Reisen.

In einer Megafon-Umfrage für „Politiken“ und „TV2“ antworteten 52 Prozent der Befragten, dass sie ganz bestimmt wieder mit dem Nachtzug reisen werden oder es in Betracht ziehen würden, sofern dies wieder möglich würde.

Quellen: DSB, Nordea, „Politiken“ und „TV2“

Am 27. Juni 2021 half Transportminister Benny Engelbrecht (Soz.) bei der Abfertigung des ersten Nachtzuges seit dem Jahr 2014 in Richtung Berlin. Foto: Claus Bech/Ritzau Scanpix
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Christel Leiendecker
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