Krieg in der Ukraine

Putin nutzt „Medien“ als Waffen

Putin nutzt „Medien“ als Waffen

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Kopenhagen
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„Russia Today“ und „Sputnik“ zählen zu den „Informationswaffen“ Wladimir Putins. Foto: Dmitry Azarov/SIPA/Ritzau Scanpix

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Die EU hat „Russia Today“ und „Sputnik“ blockiert. Diese Informationskanäle sollten nicht als Medien, sondern als Propaganda-Instrumente und Mittel der Kriegsführung des russischen Präsidenten aufgefasst werden. So lautet die Einschätzung mehrerer Expertinnen und Experten.

Der zweite Vorsitzende des dänischen Journalistenverbandes, Allan Boye Thulstrup, und der unabhängige russische Journalist Roman Dobrokhtov sind sich darin einig, dass „Russia Today“ („RT“) und „Sputnik“ nicht als Medien bezeichnet werden sollten. Sie seien Instrumente zur Verbreitung von russischer Staatspropaganda.

Doch wenn es um die EU-Sanktionen während des Ukrainekriegs gegen die beiden Kanäle geht, hört die Einigkeit auf. Boye Thulstrup sieht sie als ersten Schritt in Richtung eines rutschigen Abhangs. Dobrokhtov meint, das sei das Mindeste, was man tun sollte.

Beide Argumente wurden bei einer Online-Veranstaltung der Vertretung der Europa-Kommission in Dänemark vorgetragen. Wir werden noch näher auf sie eingehen.

Schikane von Medien als Vorbereitung auf Krieg

Dobrokhtov ist investigativer Journalist und Chefredakteur des unabhängigen russischen Mediums „The Insider“. Im vergangenen Jahr klopfte plötzlich der russische Geheimdienst FSB an seine Tür und durchsuchte seine Computer. Auch seine Familie und entferntere Verwandte wurden vom FSB bedrängt.

Roman Dobrokhtov sah sich, wie viele andere unabhängige Journalistinnen und Journalisten auch, genötigt, Russland zu verlassen. Heute ist er sich sicher, dass Wladimir Putins Machtapparat mit den Schikanen ein ganz bestimmtes Ziel verfolgte.

„Mir ist klar geworden, dass dies Vorbereitungen auf den Krieg gegen die Ukraine waren. Dafür sollte das Feld geräumt werden“, sagte er.

„RT“ notwendig wie Verteidigungsministerium

Auf dem geräumten Feld können die staatlich kontrollierten Informationskanäle „RT“ und „Sputnik“ ohne Widerspruch ihre Propaganda verbreiten. Selbst machen sie keinen Hehl daraus, dass sie Teil des russischen Staatsapparates sind.

„RT“ sei notwendig „aus denselben Gründen, aus welchen ein Land ein Verteidigungsministerium braucht“, sagt Margarita Simonyan, Chefredakteurin von sowohl „RT“ als auch „Sputnik“-Eigner „Rossiya Segodnya“, laut Informationen der Europa-Kommission.

„RT“ ist imstande, einen Informationskrieg gegen den gesamten Westen zu führen.

Margarita Simonyan, Chefredakteurin von „RT“ und „Rossiya Segodnya“

Journalist Dobrokhtov berichtet, es sei während des ersten Krieges gegen die Ukraine sehr deutlich geworden, wie das in der Praxis aussieht.

„2014 ist Russland mit Erfolg in den Teilen der Ukraine einmarschiert, in denen die Propaganda besonders erfolgreich war. Ein großer Teil der dortigen Bevölkerung schaute russisches Fernsehen und glaubte die Storys von Übergriffen durch ukrainische Nazis und Ähnliches“, erläuterte er.

Seiner Ansicht nach ist einer der Gründe, weshalb die Invasion diesmal nicht nach Putins Plan läuft, dass die Ukraine die Sender blockiert hat. Auch in den prorussischen Regionen sei die Unterstützung für das russische Militär gering beziehungsweise der Widerstand groß.

Die Informationswaffe

Doch richtet sich die Propaganda von „RT“ und „Sputnik“ nicht nur an die russische und ukrainische Bevölkerung. Im Selbstverständnis sind sie auch eine Waffe gegen den Westen. „RT“ sei imstande, „einen Informationskrieg gegen den gesamten Westen zu führen“ und dabei „die Informationswaffe“ einzusetzen, so Chefin Simonyan bereits 2012. Auch der russische Verteidigungsminister Sergey Shoigu sieht „Massenmedien als eine Waffe“.

 

„RT“-Chefin Margarita Simonyan sieht sich in einem Informationskrieg mit dem Westen. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/Ritzau Scanpix

Die finnische Journalistin Jessika Aro hat diese Zitate in die Diskussion eingebracht. Sie hat seit 2014 den Einfluss der russischen Propaganda auf Debatten außerhalb der Grenzen des Landes recherchiert. Vor allem auch über soziale Medien werden Desinformation von „RT“ und anderen verbreitet und als glaubwürdig dargestellt.

Einfluss im Westen

Ihre Recherche zeigte, dass die von russischen Internet-Trolls verbreiteten Fake News, dass nicht Russland, sondern Nato damals Krieg gegen die Ukraine führen würde, Putin nur Frieden wolle und die ukrainische Regierung der Kriegstreiber sei auch in Finnland die Diskussion beeinflusste.

„Für mich war alarmierend, festzustellen, dass einige Menschen in Finnland verunsichert wurden, was wahr ist und was nicht“, berichtete Aro. Personen, die wie sie selbst, kritisch berichteten, wurden in den sozialen Medien Ziel von Belästigung und Diffamierung. Auch „RT“ beteiligte sich an solchen Kampagnen. Selbst wurde Art unter anderem fälschlich als Drogenhändlerin dargestellt.

Die amerikanische Journalistin Liz Wahl kennt „RT“ von innen. Sie war bei der US-Ausgabe des Senders angestellt, bis sie 2014 vor laufender Kamera kündigte. Anlass war die „gefährliche Desinformation“ über den damaligen Krieg gegen die Ukraine, bei der die Opfer als Täter dargestellt worden seien.

Ihrer Ansicht nach ist „RT“ „Gift für die Demokratie“.

Angriff auf EU und Nato

Der Informationskanal würde Partnerschaften mit extremen westlichen Politikern pflegen, um so die Propaganda zu verbreiten. Auch würde er die Wahl von Personen wie Donald Trump und Marine Le Pen unterstützen.

„Ziel ist es, Institutionen wie die EU und die Nato zu schwächen, ja möglichst zum Einsturz zu bringen“, meint sie.

Frage der Meinungsfreiheit

Laut Roman Dobrokhtov sei die „RT“-Propaganda direkt für Gewalttaten in der Ukraine verantwortlich. Und derzeit würde offen verkündet, Russland solle Atomwaffen einsetzen und in welche anderen Länder es einmarschieren sollte. Daher unterstützt er auch die EU-Sanktionen gegen „RT“ und „Sputnik“.

„Dies ist eine Sicherheitsfrage. Man sollte daher versuchen, die Informationskanäle auch innerhalb Russlands zu blockieren und unabhängige Medien fördern“, meint er.

Allan Boye Thulstrup vom Journalistenverband dagegen meint, die Meinungs- und Pressefreiheit sei ein so hohes Gut, dass es dies unbedingt zu schützen gelte, auch wenn es um Propaganda-Kanäle geht.

„Mit dem Verbot von ‚RT‘ und ‚Sputnik‘ hat man Russland und Despoten in anderen Ländern die Argumente für Zensur geliefert.  Sie können jetzt auf die EU zeigen und sagen: ‚Sogar die Europäische Union verbietet Informationskanäle‘. Ich nenne die bewusst nicht Medien“, sagte er.

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