Leitartikel

„Männer in Dänemark: Kinder ja, Kümmern nein“

Männer in Dänemark: Kinder ja, Kümmern nein

Männer in Dänemark: Kinder ja, Kümmern nein

Apenrade/Aabenraa
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Dänemark hinkt weit hinter den Nachbarländern Schweden und Deutschland hinterher, was die Gleichstellung bei der Kinderbetreuung angeht. Mütter nehmen noch immer achtmal so viel Elternzeit wie Väter. Cornelius von Tiedemann meint, dass der Trend zu mehr väterlicher Verantwortung sich nicht mehr nur durch Anreize beschleunigen lässt.

Zahlen zeigen, dass wir in Dänemark aller Sonntagsreden zum Trotze von wahrer Gleichstellung noch weit entfernt sind – und wie tief verwurzelt das patriarchische Gesellschaftsbild im Königreich noch immer ist: Wenn es im derzeitigen Tempo weitergeht, werden Väter und Mütter in Dänemark sich erst in 84 Jahren zu gleichen Teilen in den ersten Wochen und Monaten um ihren Nachwuchs kümmern.

Das hat der Verband der Führungskräfte, Ledere, ausgerechnet. Das bedeutet heute: Laut Statistikbehörde haben die Väter 2019 im Schnitt weniger als 34 Tage Elternzeit genommen – die Mütter hingegen fast 281 Tage.

Gelebte Gleichstellung sieht anders aus.

Das Rollenbild von der sich kümmernden, familiären Frau und dem Vater, der zur Arbeit geht und so die Familie quasi fern-ernährt, kann nur gebrochen werden, wenn zwei Dinge geschehen: Es muss sich endlich die Erkenntnis durchsetzen, dass mit Freiwilligkeit nur Mäuseschritte gemacht werden. Und es muss zur Maxime werden, dass Gleichstellung auch und vor allem bedeutet, Menschen nicht mehr nach in ihnen von Tradition oder gesellschaftlichen Konventionen zugedachten Rollen – zum Beispiel als „Frau“ oder „Mann“ – einzuteilen.

Fast ironisch, aber nicht weiter verwunderlich, ist es nebenbei bemerkt, dass ausgerechnet diejenigen, die sich politisch für das sogenannte „traditionelle Familienmodell“ einsetzen, häufig die Ersten sind, die andere Kulturen dafür angehen, die Rechte von Frauen zu unterdrücken. Und das, während sie im eigenen Lande mit Begeisterung jahrtausendealte Unterdrückungsmechanismen als „Werte“ am Leben halten.

Dänemark hat es in der Gleichberechtigung weit gebracht und war oft ganz vorne mit dabei. Doch den entscheidenden Hebel haben wir hierzulande noch nicht umgelegt: Auch in der Frage der Gleichstellung der Geschlechter endlich vollends, und nicht nur theoretisch, anzuerkennen und konsequent durchzusetzen, dass gesellschaftliche Rollen und Privilegien nicht qua Geburt verteilt werden dürfen.

Wenig spricht dafür, hier weiter auf Freiwilligkeit zu setzen. Dafür verändert sich einfach zu wenig, wie eingangs dargestellt. Wie sollte es auch, wenn wir eine Entwicklung ändern wollen, ohne ihre Ursache anzugehen.

Wenn das nicht passiert, werden Frauen auch in Zukunft weniger für die gleiche Arbeit bekommen als Männer. Es werden weniger Frauen in Vorständen und in den Führungsetagen sitzen.

Stattdessen werden Mütter weiterhin länger zu Hause bleiben als Väter, dadurch Lohnerhöhungen und Karrierechancen verpassen und zugleich ganz automatisch zu Hause in die Rolle derjenigen gedrängt, die sich eben mehr um die Kinder und dann auch gleich den Haushalt kümmern – auch dann, wenn die Elternzeit längst wieder vorbei ist.

In einem Land, in dem Mann sich beim „Herrefrokost“ zu zotigen Sprüchen auf die Schenkel klopft und über die furchtbare politische Korrektheit in den Nachbarländern Schweden und Deutschland Witze reißt, kann es noch dauern, bis sich von selbst etwas ändert.

Deshalb ist es an der Zeit, an der Gesetzgebung zu schrauben, und zwar noch weiter, als die EU es von Dänemark verlangt. Zum Beispiel, indem das Recht auf bezahlte Elternzeit von heute 32 Wochen für die Eltern insgesamt auf 16 Wochen pro Kopf begrenzt wird.
 

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