Diese Woche in Kopenhagen

„Wenn Statuen und Igel gezählt werden“

Wenn Statuen und Igel gezählt werden

Wenn Statuen und Igel gezählt werden

Kopenhagen
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In dieser Woche soll in der Kolumne von Hauptstadtkorrespondent Walter Turnowsky von fehlenden Statuen von Frauen, GDPR-bewussten Igeln und verärgerten Pride-Sponsoren die Rede sein.

Im April tauchte Karen Blixen in Kopenhagen auf. Nicht dass du denkst, sie sei persönlich durch die Straßen der Hauptstadt gegeistert. Das wäre dann doch etwas unheimlich gewesen. 

Eine Statue von ihr wurde an relativ zentraler Stelle aufgestellt. Das war nicht gerade besonders früh, denn die Autorin (Die afrikanische Farm) war bereits zu Lebzeiten auch außerhalb von Dänemarks Grenzen – in Deutschland als Tania Blixen, in Großbritannien als Isak Dinesen – bekannt. 

Nun ist die Lebzeit Blixens schon ein Weilchen her. Sie endete ganz genau am 7. September 1962. Und da ist es dann vielleicht auch mal an der Zeit, dass man ihr mit einer Statue gedenkt. Nachdem sie jetzt in Bronze gegossen worden ist, können von Jakob entsandte Leute ein Strichlein auf ihrer Liste machen.

„Matadors Mutter“ zu Lebzeiten gewürdigt

Eine weitere bekannte Schriftstellerin, Lise Nørgaard, musste nicht so lange auf ihre Statue warten. Die wurde bereits 2010 in ihrer Heimatstadt Roskilde aufgestellt und zeigt sie sitzend auf einer Bank. 

Da die Autorin der Fernsehserie „Matador“ 105 Jahre alt wurde und erst am 1. Januar 2023 starb, konnte die echte Lise Nørgaard sich neben die Statue auf die Bank setzen – wozu sie anlässlich ihres 94. Geburtstages auch überredet wurde. Und Jakobs Leute haben ein weiteres Strichlein für ihre Liste.

Die Zählung des Jakob

Jetzt wirst du fragen: Von welchem Jakob faselt der Kopenhagen-Korrespondent da und was hat es mit diesen Strichlein auf sich? Der Jakob heißt Engel-Schmidt mit Nachnamen, ist Kulturminister und gehört der Partei der Moderaten an. 

Und ihm ist aufgefallen, dass er an so einigen Statuen von Männern vorbeigehen muss, bevor mal eine Karen oder eine Lise auftaucht. Laut einer Pressemitteilung von ihm gibt es in Kopenhagen sogar mehr Statuen von Fabeltieren als von Frauen. 

Und da im wirklichen Leben Frauen dann doch häufiger vorkommen, als Einhörner (so zumindest meine Beobachtung und wohl auch Jakobs), meint er, dass sich von ersteren noch weitere für eine Statue verdient gemacht haben. Und so begab es sich in diesen Tagen, dass ein Gebot vom Minister Jakob ausging, dass alle Statuen von Frauen des Königreiches geschätzt würden.  

Da Statuen sich jedoch nur selten und ausgesprochen ungern irgendwohin bewegen, hat Jakob das Museum für Kunst im öffentlichen Raum (KØS) mit der Statuenzählung beauftragt. Danach soll ein Ausschuss bestehend aus Expertinnen und Experten Vorschläge machen, von welchen historisch bedeutenden Frauen noch eine Statue fehlt.

Dr. Igel

Eine Zählung ganz anderer Art fand am Sonnabend statt. Da wurden nicht Statuen, sondern Igel gezählt. Auch war es nicht die allererste, sondern bereits die zweite Igelzählung. Der World Wide Fund for Nature (WWF) hat gemeinsam mit der Forscherin Sophie Lund Rasmussen (auch als Dr. Pindsvin bekannt) dazu aufgerufen.

Und so machte auch ich mich auf, im Garten meines Sommerhauses Igel zu zählen. Es ließ sich jedoch keine und keiner blicken. Dabei war ein paar Tage vorher noch einer da und meine Frau, die etwas länger wach blieb, sah am Montagabend auch eine oder einen.

Ich kann nämlich – im Gegensatz zu Statuen – bei Igeln nicht erkennen, ob es ein Weibchen oder ein Männchen ist. Dass beides möglich ist, wurde uns im Laufe des Sommers klar, als deutlich zu hören – und dann auch zu sehen – war, dass eine Igelin und ein Igel daran arbeiteten, dass wir im kommenden Jahr mehr zum Zählen haben.

Vorausgesetzt, sie zeigen sich dann, und verstecken sich nicht erneut. Man weiß ja nie, ob ausgerechnet unsere Igel datenschutzrechtliche Bedenken haben. Oder sie waren nur in der Nachbarschaft unterwegs, denn da haben sich immerhin drei Tiere registrieren lassen.

Wie bereits erwähnt, bewegen Statuen sich nur selten, und daher können sie sich im Gegensatz zu den Igeln auch nicht in einem Reisighaufen verstecken – GDPR hin oder her. Daher sollten Jakobs Leute ihre Zählung erfolgreich abschließen können, um so die Grundlage für mehr Diversität in der Statuenlandschaft zu schaffen.

Die gestörte Regenbogen-Harmonie

Apropos Diversität: Es gibt ja mehr als nur zwei Geschlechtsidentitäten – und das wird ja mittlerweile (weitgehend) auch anerkannt. Und sollte man es vergessen haben, wird man in dieser Woche in Kopenhagen laufend daran erinnert. Allerorts sieht man Regenbogenfahnen, denn es ist Copenhagen Pride.

Alle wollen beim jährlichen LGBTQ+-Fest dabei sein und ihre tolerante Einstellung zur Schau tragen – oder so war es zumindest bis zum Frühjahr dieses Jahres. Dann sorgte eine unglückliche Aussage des damaligen Vorsitzenden der Pride, Lars Henriksen, zum Israel/Palästina-Konflikt für Unmut unter den Sponsoren.

In einer Pressemitteilung vom Februar verlangte die Pride, die Sponsoren sollten angeben, ob sie ein Engagement oder Investitionen in Israel oder Gaza hätten. Die Angaben, so Henriksen, würden in die Beurteilung einer weiteren Partnerschaft einfließen. Die Arbeit dieser Beurteilung haben dann etliche der Firmen und Organisationen der Pride abgenommen: Sie haben ihrerseits die Zusammenarbeit aufgekündigt – da half es auch nicht, dass die Pride einen Rückzieher machte und Henriksen zurücktrat.

So kann man eben mit wenigen, gut gewählten Worten Schaden anrichten. Zum Glück genießt das Anliegen der sexuellen Vielfalt weiterhin breite Unterstützung. Die Regenbogenfahnen wehen vor Firmensitzen, Institutionen und Kirchen. Die US-Botschaft hat ein großes Banner auf ihrer Fassade angebracht und eine bekannte Wodkamarke wirbt mit dem Regenbogen. 

Und bei der großen Parade am Sonnabend werden mit Sicherheit wieder viele Menschen dabei sein – da braucht man gar nicht erst nachzuzählen.

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