Diese Woche in Kopenhagen

„Fiebern in den Parteizentralen“

Fiebern in den Parteizentralen

Fiebern in den Parteizentralen

Kopenhagen
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Am Dienstagabend wird man nicht nur in den lokalen Parteiorganisationen gespannt auf die Ergebnisse der Kommunalwahlen warten, sondern auch in den Parteibüros in Kopenhagen. Vor allem bei vier Parteien wird die Stimmung besonders elektrisch sein, so die Analyse von Walter Turnowsky.

Auch wenn es bei den Kommunalwahlen vornehmlich um lokale Themen geht, so schlagen die landesweiten Trends mit bis zu 40 Prozent durch. Daher wirkt sich das Ergebnis logischerweise auch auf die Stimmung in der nationalen Politik aus.

Grund genug also, dass man in den Parteibüros die Ergebnisse am Abend des 16. November genauestens verfolgen wird. Anschließend werden die Parteiführungen die Wahlentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger interpretieren, und, fast egal wie es ausgeht, sich doch irgendwie als Gewinner erklären.

Insbesondere vier Parteien haben Grund, die Ergebnisse mit besonderer Spannung abzuwarten.

Da sind zunächst die Sozialdemokraten. Noch vor wenigen Wochen hatten sie deutlichen Rückenwind, doch nun schlagen Mette Frederiksen Böen von SMS ganz schön ins Gesicht. Nach dem Höhenflug während der Corona-Krise sind sie nun in den landesweiten Umfragen deutlich abgesackt. Es ist zu erwarten, dass dies auch lokal in unterschiedlichem Umfang die Ergebnisse beeinflussen wird.

Im September schrieb ich in einer Analyse, dass die Regierungspartei fast dazu verdammt sei, das Ergebnis von 32,4 Prozent bei den Wahlen noch zu steigern. Mittlerweile muss sie schon zufrieden sein, wenn sie nicht hinter dieses Ergebnis zurückfällt.

Mit 47 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ist die Arbeiterpartei die deutlich stärkste „Regierungspartei“ in den Kommunen. Es muss schon sehr bös für sie ausgehen, sollte dies nach dem 16. November nicht wieder der Fall sein. Dies können sie dann als Sieg auslegen.

Doch ein lokales Ergebnis könnte diese Erzählung empfindlich stören: das, der Kommune Kopenhagen, wo die Sozialdemokraten seit über 100 Jahren die größte Partei sind. In zwei Umfragen werden sie nun von der Einheitsliste überholt. Auch wenn diese kaum Chancen hat, den Sozialdemokraten den Oberbürgermeistersessel abzuknöpfen, so wäre es ein schmerzlicher Verlust für Frederiksen, sollten sie nicht mehr die dominierende Partei in der Hauptstadt sein.

Auch für Venstre werden die Kommunalwahlen ausgesprochen spannend. Nach zwei Jahren Gegenwind, der sich mit den Austritten von Lars Løkke Rasmussen und Inger Støjberg zu einem Orkan steigerte, verspürt Parteichef Jakob Ellemann-Jensen jetzt so etwas wie eine leichte Brise von hinten.

In den jüngsten Umfragen zur Folketingswahl geht es wieder aufwärts. Und in der bislang einzigen landesweiten Umfrage zu den Kommunalwahlen von Kantar-Gallup kommt die liberale Partei ungefähr auf das Ergebnis von 2017 mit 23,1 Prozent. Sollte Venstre dies schaffen oder gar überbieten, so wird Ellemann dies als großen Sieg feiern.

Es kann sich jedoch nach den Wahlen zeigen, dass ein paar Haare in der Siegessuppe herumschwimmen. Selbst bei einem entsprechenden Ergebnis wie beim letzten Mal könnten nämlich einige der 37 Bürgermeisterposten verloren gehen. Das liegt teils an lokalen Faktoren, wie zum Beispiel in Hadersleben, wo der amtierende Bürgermeister H. P. Geil nicht erneut kandidiert, oder in Tondern, wo sich Venstre gespalten hat. Die Schwäche der Dänischen Volkspartei kann es ebenfalls schwerer machen, eine bürgerliche Mehrheit zu finden.

Und dann sind da noch die Konservativen, denen es gelingen kann, Venstre Bürgermeisterposten abzujagen. Denn Parteichef Søren Pape Poulsen segelt seit geraumer Zeit mit einem gemütlichen Rückenwind durch die Gegend und hat sich so zum alternativen Staatsministerkandidaten des bürgerlichen Lagers gemausert.

Wie stark dieser Trend am Dienstag lokal zum Tragen kommt, wird die Frage sein, die die konservative Parteizentrale genau verfolgen wird. Die bereits erwähnte Kantar-Gallup-Umfrage prognostiziert der Partei einen Zuwachs von 8,8 auf 13,3 Prozent.

Ein solches Ergebnis würde den landesweiten Vormarsch der Konservativen weiter unterstützen.

Doch ähnlich den Sozialdemokraten gibt es auch bei Pape und Co. ein lokales Ergebnis, das sie mit beträchtlicher Nervosität verfolgen werden: das der Kommune Frederiksberg. Ganz umschlossen von Kopenhagen ist sie seit mehr als 100 Jahren fest in konservativer Hand. Doch bereits bei der Wahl 2017 wurde es sehr eng.

Mit Simon Aggesen hat während der Legislaturperiode ein neuer Mann den Bürgermeistersessel übernommen. Ein umstrittener Wohnungsdeal hat ihm negative Schlagzeilen und damit eine schlechte Ausgangsposition für den Wahlkampf beschert.

Sollte Frederiksberg den Konservativen verloren gehen, hätte das trotz landesweiten Zuwachses negativen Symbolwert für die Partei.

Bei der Dänischen Volkspartei (DF) wäre man jedoch über solche Sorgen glücklich. Hier geht es schon lange nicht mehr um das „ob“ der Niederlage, sondern um ihr Ausmaß. Es wird die vierte in Folge für den Vorsitzenden Kristian Thulesen Dahl werden.

Allein die Tatsache, dass der Partei die geeignete Nachfolgerin oder der geeignete Nachfolger fehlt, bedeutet, dass Thulesen Dahl nicht schon längst gekippt worden ist. Wie groß die Niederlage ist, wird darüber entscheiden, wie sehr der bereits vorhandene Unmut in der Partei sich steigern wird.

Und eben weil der Nachfolger fehlt, kann sich der Verlust vieler kommunaler Mandate zu einem Existenzkampf entwickeln.

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