Diese Woche in Kopenhagen

„Frederiksen, Kofod und die Syrien-Kinder“

Frederiksen, Kofod und die Syrien-Kinder

Frederiksen, Kofod und die Syrien-Kinder

Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Eine Taskforce soll nun eine Evakuierung dänischer Kinder aus Gefangenenlagern in Syrien vorbereiten. Die Frage ist jedoch, ob die Rettungsaktion auch Außenminister Jeppe Kofod (Soz.) gilt, meint Walter Turnowsky.

Die vergangenen Wochen beschäftigt Christiansborg neben der Pandemie vor allem ein Thema: Die 19 Kinder dänischer Herkunft, die in zwei Gefangenenlagern, al-Roi und al-Hol, im kurdisch kontrollierten Teil Syriens festhängen.

Am Dienstag kam dann die Pressemitteilung, eine „Taskforce Evakuierung“ soll die Kinder da herausholen. Was die Pressemitarbeiter den Politikern als Zitate in die Pressemitteilung geschrieben haben, ist fast schon rührend.

Kinder im al-Roj Lager. Hier halten sich auch dänische Kinder auf. Foto: Repatriate The Children - Denmark/Ritzau Scanpix

„Es ist jedem bewusst, dass wir mit verschiedenen Ausgangspunkten an die Sache herangegangen sind. Aber wir sind uns alle, ungeachtet der Einstellung bezüglich der Eltern, darin einig, dass wir den Kindern helfen“, lautet zum Beispiel das Zitat des sozialdemokratischen Außenministers Jeppe Kofod.

Ein wundersamer Wandel

Noch vor wenigen Wochen klang das ganz anders. 

„Der Grund, weshalb man die Kinder nicht holen kann, ist der, dass die Eltern dann automatisch mitkommen“, sagte der ausländerpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Rasmus Stoklund, am 6. März im „DR2“ Nachrichtenmagazin „Deadline“. Man könne den Eltern auch nicht das Sorgerecht entziehen und die Kinder alleine holen, setzte er hinzu. Immer wieder betonte er während des mehr als zehnminütigen Interviews, weder Eltern noch Kinder hätten eine Zukunft in Dänemark.

Doch wie ist es zu dem schon fast wundersamen Gesinnungswandel innerhalb von drei Wochen gekommen? Ist es, wie aus der Pressemitteilung vom Dienstag zu entnehmen, die Erkenntnis, die Situation in den beiden Lagern habe sich verschlechtert? Oder spielen vielleicht doch eher politische Rücksichten eine Rolle?

Warnung des Geheimdienstes

Lange war das Schicksal der 19 Kinder kein politisches Thema. Die drei Unterstützerparteien – die Radikalen, die Sozialistische Volkspartei (SF) und die Einheitsliste – haben zwar wiederholt gefordert, die Kinder und notfalls auch die Eltern müssten geholt werden. Doch mit der Forderung bissen sie bei der Regierung auf Granit. Die Eltern hätten Dänemark den Rücken gekehrt, und damit beendete die Regierung die Diskussion, wohl wissend, dass die bürgerliche Opposition sie in dieser Frage unterstützen würde.

Mehrere Artikel in „Ekstra Bladet“ machten dann plötzlich aus dem Schicksal der Kinder ein Politikum. So berichtete die Boulevardzeitung am 13. März, der militärische Nachrichtendienst FE habe im Herbst die Regierung gewarnt, der Islamische Staat entführe Kinder aus den beiden Lagern. Es bestehe das Risiko, dass die dänischen Kinder entführt und für Terrorangriffe gegen Dänemark eingesetzt würden.

Kofod im Kreuzfeuer der Kritik

Politiker fast sämtlicher Parteien wunderten sich, dass sie von dieser Risikoeinschätzung des Geheimdienstes nichts gehört hatten. Außenminister Jeppe Kofod stand im Kreuzfeuer der Kritik – und dort ließ ihn Staatsministerin Mette Frederiksen zunächst auch ziemlich allein stehen. 

Man fühlte sich an den Auftakt zur Entlassung von Nahrungsmittelminister Mogens Jensen im Zuge des Mink-Skandals erinnert. In einem weiteren Punkt gleichen sich die Fälle ebenfalls. Denn so wenig wie die widerrechtliche Tötung der Minks Mogens Jensens Idee war, so wenig ist auch die harte Linie in der Frage der Kinder Kofods Analysen entsprungen.

In beiden Fällen war es Staatsministerin Mette Frederiksen, die das Machtwort sprach. 

Das al-Hol Lager ist das zweite in dem sich dänische Kinder aufhalten. Foto: Delil Souleiman/AFP/Ritzau Scanpix

Die Einheitsliste und die Radikalen haben sehr schnell verdeutlicht, dass Kofods Position als Außenminister keineswegs als gesichert anzusehen ist.

Die bürgerliche Opposition würde, ungeachtet ihrer Position in der Frage der Kinder, die Chance, einen weiteren sozialdemokratischen Minister zu kippen, nicht ungenutzt lassen.

Und so konnte ein hochdramatisches Spiel hinter den Kulissen beginnen. Die Unterstützerparteien nutzten die Androhung, Kofod zu kippen, um die Regierung zu Eingeständnissen in der Frage der Evakuierung der Kinder zu drängen. Ihnen war sehr wohl bewusst, dass die Staatsministerin nur sehr ungern so schnell einen weiteren Minister opfern wollte.

Kofods Zukunft als Druckmittel

Teils würde es nicht unbedingt für Frederiksen sprechen, dass sie in der Wahl ihrer Minister nun zum zweiten Mal danebengelegen hätte. Außerdem würde die Kritik ohne Kofod direkt vor der Tür des Staatsministeriums landen. Denn so lange die Kinder in den Lagern sind, wird das Thema nun nicht mehr verschwinden. 

Und so kam es dann am Dienstag zu dem Kompromiss, bei dem die Regierung einigermaßen ihr Gesicht wahren kann. Denn in der Pressemitteilung steht, dass erwachsene Fremdkrieger in Dänemark unerwünscht sind. 

Die Frage, wie man die Kinder ohne die Mütter holen möchte, wird nicht beantwortet. Neben SF und den Radikalen haben sich auch Venstre, die Konservativen und die Liberale Allianz der Absprache angeschlossen. Die Einheitsliste kritisiert, man würde mit der Taskforce ausschließlich kostbare Zeit verplempern. 

Mit der breiten Unterstützung der Parteien scheint das politische Leben Jeppe Kofods vorläufig gerettet zu sein. 

Wie die Zukunft der 19 Kinder aussehen wird, ist dagegen weiterhin ungeklärt.

Mehr lesen