Diese Woche in Kopenhagen

„Grüne und rechte Splitter“

Grüne und rechte Splitter

Grüne und rechte Splitter

Kopenhagen
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Mit der Gründung der Freien Grünen besteht das Risiko, dass sich die grünen Parteien gegenseitig die Stimmen wegnehmen. Auch am rechten Rand bröckelt es. Dennoch werden die zentralen Diskussionen über die Zukunft zwischen rechts und grün stattfinden, meint Walter Turnowsky.

Montag wurde Fakt, was schon seit geraumer Zeit erwartet worden ist. Aus den Trümmerhaufen der Alternativen ist eine weitere neue Partei entstanden, die Freien Grünen.

Bereits im Mai hatte ein anderer Ex-Alternativer, René Gade, die Glückspartei (Lykkepartiet) gegründet.

Um das selbe Wählersegment kämpft auch die Veganerpartei, die im August aufstellungsberechtigt wurde.

So haben die grünen Parteien in Dänemark sich das Leben ausgesprochen schwer gemacht, und es ist durchaus denkbar oder sogar wahrscheinlich, dass keine von ihnen bei den kommenden Wahlen den Sprung ins Parlament schafft.

Spulen wir die Zeit fünf Jahre zurück, war die Situation eine völlig andere. Mit 4,8 Prozent waren die Alternativen ins Folketing gestürmt. Sie wollten alles anders machen, Die Alternativen um Uffe Elbæk. Offen und transparent wollten sie sein. Auch wollten sie keine traditionelle Machtpolitik führen, sondern konstruktive Vorschläge einbringen.

Das alles ganz anders kam, wissen wir heute. Hinter der fast hippieartigen Fassade der alternativen Partei wurden blutige Machtkämpfe ausgetragen.

So war das Wahldebakel ausgerechnet bei der „Klimawahl“ im vergangenen Jahr ein hausgemachtes. Anschließend entwickelte die Aufarbeitung sich zur Implosion der Partei. Seit der Wahl liegen Die Alternativen konsequent unter der Sperrklausel von zwei Prozent.

Die Frage ist nun, ob die Freien Grünen mit ihrem Vorsitzenden Sikandar Siddique, sollten sie die nötigen Unterschriften für eine Aufstellung sammeln, genug von den heimatlosen grünen Stimmen einsammeln können, um die zwei Prozent zu schaffen.

Bei der Folketingswahl 2015 war eine weitere Tendenz deutlich. Die rechte Dänische Volkspartei (DF) wurde mit 21,1 Prozent zweitstärkste Kraft im Land nur relativ knapp hinter den Sozialdemokraten. Dagegen verlor Venstre massiv an Stimmen.

Bei den Wahlen 2019 verlor dann DF massiv. Die Wahlniederlage war zu großen Teilen eigenes Verschulden. Doch hat es auch eine Rolle gespielt, dass es am rechten Rand mittlerweile Konkurrenz von den Neuen Bürgerlichen und Rasmus Paludans rechtsextremem Strammen Kurs (jetzt Hard Line).

Momentan sehen wir also eine Zersplitterung am rechten wie am grünen Flügel. Währenddessen sonnt sich Mette Frederiksen coronabedingt in Umfragewerten, von denen die Sozialdemokraten vor einem Jahr nur träumen konnte.

Meine Einschätzung ist, dass dies nicht langfristig so bleiben muss. Denn das dänische Wahlergebnis des Jahres 2015 war Teil eines europaweiten Trends, infolgedessen sich die Wähler verstärkt von traditionellen Regierungsparteien abwandten. Stattdessen wählten die einen Grün, die anderen Rechts.

Und auch wenn einige der Regierungsparteien derzeit wieder stärker dastehen, so deutet einiges darauf hin, dass die zentralen politischen Diskussionen der Zukunft zwischen rechts und grün stattfinden werden.

Für einen großen Teil der Wähler war bei der Wahl 2019 der Klimawandel das wichtigste Thema überhaupt. Da dies im hohen Maße für jüngere Wähler gilt, wird dieser Wähleranteil kaum geringer werden. Die immer genaueren Kenntnisse der Klimawissenschaftler geben keinen Anlass zur Entwarnung, sondern verdeutlichen das eine Mal nach dem anderen die Dringlichkeit der Lage.

Obwohl die sozialdemokratische Regierung sich als „grün“ sieht, gibt es bereits Kritik, sie würde nicht schnell und entschieden genug handeln.

Das Ausländerthema spielt derzeit bei den Wählern keine so große Rolle wie vor fünf Jahren. Sollte sich die Wirtschaftskrise jedoch festbeißen und die Arbeitslosigkeit längerfristig steigen, kann sich dies sehr schnell ändern. Das wäre eine Situation in der rechte und populistische Parteien erfahrungsgemäß Zulauf erleben.

Die zentrale Frage ist daher eher, wer diese beiden Wählergruppen zukünftig vertreten wird. Auf der rechten Seite ist wohl sowohl für DF wie die Neuen Bürgerlichen Platz vielleicht sogar für Paludan.

Unter den grünen Parteien ist das Rennen noch recht offen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Neuen Grünen mit ihrer radikalen Klimapolitik und ihrem Antirassismus sich durchsetzen können. Das Potenzial dazu haben sie. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg, und nach den Erfahrungen mit den Alternativen werden die Wähler eher skeptisch sein.

Ganz auszuschließen ist auch nicht, dass die Alternativen sich doch noch erholen, es scheint jedoch eher unwahrscheinlich.

Doch auch Parteien wie Radikale Venstre, die Einheitsliste und SF werden noch stärker „ergrünen“. Ob dies jedoch für die Generation von „Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“ ausreichend Handlung verspricht, ist eine offene Frage. Eher werden sie sich eine neue politische Kraft wünschen. Dies könnte auch eine ganz neue sein.

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