Umwelt und Natur

Erdüberlastungstag am 1. August erreicht

Erdüberlastungstag am 1. August erreicht

Erdüberlastungstag am 1. August erreicht

ghe/Ritzau
Kopenhagen
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Wald
Mehr als sechs Millionen Hektar Wald gehen jedes Jahr verloren. Besonders die tropischen Regenwälder sind davon schwer betroffen. Foto: Nigel Dickinson/WWF

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Der „Earth Overshoot Day“ markiert den Tag, ab dem die Menschheit mehr natürliche Ressourcen verbraucht, als die Erde regenerieren kann. Würden alle Menschen so leben, wie die Bürgerinnen und Bürger in Dänemark, wäre der Tag bereits im März gewesen. Die Umweltorganisation WWF sieht Politik und Unternehmen in der Pflicht.

Dänemark war schon am 16. März so weit, unser Nachbar Deutschland am 2. Mai, das Emirat Katar sogar schon am 11. Februar: Gemeint ist der „Country Overshoot Day“. Der Tag markiert den Punkt, an dem alle natürlichen Ressourcen der Erde aufgebraucht wären, würden alle Menschen so leben, wie die Bürgerinnen und Bürger in dem entsprechenden Land.  

Weil das aber nicht alle Menschen tun, sind die natürlichen Ressourcen der Erde erst am 1. August aufgebraucht – einen Tag früher als im vergangenen Jahr, aber vier Tage später als noch 2022. Der „Earth Overshoot Day“, also Erdüberlastungstag, zeigt, ab wann die Weltgemeinschaft auf Pump lebt – also mehr verbraucht, als die Erde in einem Jahr wieder herstellen kann.

Das geht aus Berechnungen der Denkfabrik Global Footprint Network hervor, die hinter dem bekannten Tag steht.

„Wir Menschen konsumieren aus dem Gleichgewicht mit der Natur“, sagt die Organisation für Natur- und Artenschutz WWF in einer Pressemitteilung zum Stichtag und fordert die Politik, Unternehmen und Verbrauchende auf, Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Fußabdruck zu verringern.

Menschlichen Fußabdruck verringern

Energieerzeugung, Verkehr, Nahrungsmittelherstellung, Bekleidungsproduktion und vieles mehr belasten die Ressourcen des Planeten und bilden den sogenannten menschlichen Fußabdruck. „Wir sind aus dem Gleichgewicht mit der Natur geraten“, so der WWF.

„Wir nehmen die Ressourcen der Natur viel zu stark in Anspruch. Durch unseren riesigen Fußabdruck werden auch Naturgebiete wie Regenwälder und Korallenriffe zerstört, was die Situation nur noch verschlimmert. Kurz gesagt, wir nehmen der Natur mehr weg, als wir ihr zurückgeben, und genau das müssen wir ändern“, sagt Maja Jakobsen, Direktorin für Transition und Footprint beim WWF.

Deutlich wird das Ressourcenproblem an den Ozeanen. Überfischung mit Grundschleppnetzen, Schifffahrt und Stickstoffeinleitungen beeinträchtigen die Meeresnatur und das Meeresleben in einem Maße, dass ganze Meeresgebiete zu Unterwasserwüsten geworden sind. Das lässt sich auch in Nordschleswig beobachten, wo die Haderslebener, Apenrader und die Flensburger Förde seit Jahren unter Umweltproblemen wie Artenschwund und Sauerstoffmangel leiden. 

Earth Overshoot Day lässt sich verschieben

Der Erdüberlastungstag hat sich in den vergangenen 20 Jahren zwar kaum verschoben, im Jahr 1971, als die Berechnungen zum ersten Mal durchgeführt wurden, lag er allerdings noch auf dem 25. Dezember. Heute erreichen ihn die Länder mit dem vermeintlich kleinsten Fußabdruck, Ecuador und Indonesien, am 24. November.

Es hat also nur ein halbes Jahrhundert gedauert, um den Ressourcenverbrauch aus dem Gleichgewicht mit der Natur zu bringen. „Wir können wieder auf den richtigen Weg kommen, wenn es globale und nationale Unterstützung dafür gibt“, sagt Maja Jakobsen in der Mitteilung.

„Es ist wichtig, dass wir den Trend umkehren und anfangen, der Natur etwas zurückzugeben. Wenn wir unseren gesamten ökologischen Fußabdruck verkleinern wollen, müssen wir unseren Verbrauch reduzieren, nachhaltiger produzieren und einen Teil der verlorenen Natur wiederherstellen. Die jüngsten Entwicklungen sowohl in Dänemark als auch international weisen in die richtige Richtung, daher bin ich vorsichtig optimistisch“, sagt sie.

Warum Dänemark so viele Ressourcen verbraucht

Einer Studie aus 2023 zufolge, an der unter anderem die Dänische Technische Universität (DTU) beteiligt war, ist der dänische Fußabdruck deshalb so groß, weil das Land einen hohen Verbrauch hat. Ein Grund: Dänemark ist schlecht darin, Kreislaufwirtschaft zu betreiben, also Produkte wiederzuverwenden. „Obwohl wir beim Recycling gut abschneiden, beträgt der Anteil der Kreislaufwirtschaft in Dänemark nur 4 Prozent, was deutlich unter dem weltweiten Wert von 7,2 Prozent liegt“, heißt es. Das bedeute, dass nur ein sehr kleiner Teil der von den Bürgerinnen und Bürgern verbrauchten Ressourcen schon einmal verwendet wurde und der Großteil aus neuen Materialien, etwa Metalle, Sand, Kies, fossile Brennstoffe oder Biomasse, besteht. 

Und noch einen Grund gibt es: „Als eines der reichsten Länder der Welt können wir es uns einfach leisten. Aber ein Teil davon lässt sich auch durch die Geografie erklären. Wir sind ein Land mit sehr wenigen natürlichen Ressourcen, sodass wir viele Materialien importieren müssen, da wir nicht autark sind“, heißt es in dem Bericht. Dänemark importiere so viele Materialien und Fertigprodukte, dass 72 Prozent der gesamten Ressourcenentnahme, die zur Deckung des dänischen Verbrauchs erforderlich ist, in anderen Ländern stattfindet. Dabei haben vor allem die Sektoren Baugewerbe, Industrie und Landwirtschaft die höchsten Verbrauchsraten – sie benötigen zusammengenommen 64 Prozent des Materials und 56 Prozent des CO2-Abdrucks. 

Keine schnellen Lösungen in Sicht

Die Lösung? Auf die Schnelle geht laut Studie nichts. „Unter anderem müssen wir die Art und Weise, wie wir Produkte entwerfen, überdenken, damit sie eine längere Lebensdauer haben und leichter zu reparieren sind, und damit die Materialien letztendlich leichter zu recyceln und in neuen Produkten zu verwenden sind.“

Wie der Earth Overshoot Day verschoben werden kann


Laut WWF ist es eine gewaltige Aufgabe, den Earth Overshoot Day zu verschieben und die Menschen in ein Gleichgewicht mit der Natur zu bringen. Dafür benötige es strukturelle, politische Veränderungen, aber auch Unternehmen und Verbrauchende können ihren Teil dazu beitragen.

Drei politische Initiativen, die den Fußabdruck verkleinern:

  • CO2-Steuern können die grüne Umstellung vorantreiben: Eine globale CO2-Steuer von 100 Dollar pro Tonne (689 Kronen) würde den Earth Overshoot Day um 63 Tage verschieben, da sie sowohl den Verbrauch verändern als auch zu einer verstärkten grünen Energieerzeugung beitragen würde.
  • Ehrgeizige politische Vereinbarungen: Wenn die Hälfte der Welt eine politische Vereinbarung wie den Green New Deal der EU umsetzt, kann der Stichtag in den nächsten zehn Jahren um 42 Tage verschoben werden.
  • Mehr grüne Investitionen: Wenn über den Finanzsektor nachhaltiger investiert würde, könnte der Earth Overshoot Day um 22 Tage verschoben werden.

Drei Verbraucheraktionen, die den Fußabdruck verkleinern:

  • Reduzierung der Lebensmittelverschwendung: Wenn die weltweite Lebensmittelverschwendung um die Hälfte reduziert würde, könnte der Stichtag um 13 Tage nach hinten verschoben werden.
  • Weniger Fleischkonsum: Wenn 50 Prozent des weltweiten Fleischkonsums durch pflanzliche Alternativen ersetzt würden, könnte der Overshoot Day um 7 Tage verlegt werden – allein aufgrund des geringeren CO2-Verbrauchs und der veränderten Landnutzung.
  • Lebensdauer von Kleidung: Wenn unser ökologischer Fußabdruck durch Kleidung halbiert wird, kann das Datum um weitere 5 Tage verschoben werden. Das bedeutet, dass weniger neue Kleidung gekauft wird, sie länger getragen wird und mehr Secondhand gekauft wird.

Quelle: WWF und Global Footprint Network

WWF sieht Bemühungen in Dänemark

Maja Jakobsen weist darauf hin, dass in Dänemark in den vergangenen Monaten sowohl ein dreiseitiges Abkommen als auch ein Meeresnaturschutzfonds beschlossen wurden, die Milliarden für die Wiederherstellung der Natur an Land und im Meer sichern. 

In der EU sei das lang erwartete Gesetz zur Wiederherstellung der Natur noch vor den Sommerferien verabschiedet worden, und im Dezember 2022 verabschiedeten die Länder der Welt das sogenannte Kunming-Montreal-Abkommen, eine Art Pariser Abkommen für die Natur. Es zielt darauf ab, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und umzukehren, und 30 Prozent der Land-, Süßwasser- und Meeresflächen der Welt bis 2030 zu schützen.

Unternehmen in der Verantwortung

Gleichzeitig seien Unternehmen zunehmend bereit, Verantwortung dafür zu übernehmen, wie und in welchem Umfang sie die Natur und die biologische Vielfalt beeinflussen. „Es kann unseren Fußabdruck wirklich verändern, wenn sich Unternehmen darauf konzentrieren, die negativen Auswirkungen auf Natur und Klima in ihren Wertschöpfungsketten zu reduzieren, und wenn Banken, Pensionsfonds und andere Großinvestierende nachhaltiger investieren“, sagt Maja Jakobsen.

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Gerrit Hencke
Gerrit Hencke Journalist
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