Diese Woche in Kopenhagen

„Tragödie Khader“

Tragödie Khader

Tragödie Khader

Kopenhagen
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In dieser Woche hat sich der konservative Politiker Naser Khader dafür entschuldigt, dass er versucht hat, Kritiker mundtot zu machen. Die Frage ist nun, ob er noch die notwendigen Eigenschaften besitzt, um ein politisches Amt zu verwalten, meint Walter Turnowsky.

Eigentlich ist kaum zu entschuldigen, was über den konservativen Politiker Naser Khader bekannt geworden ist.

Über Jahre hinweg hat er offenbar versucht, Personen, die ihn in den sozialen Medien kritisiert haben, zum Schweigen zu bringen. Er hat angekündigt, er werde den Arbeitgeber derjenigen Person verständigen, in einigen Fällen hat er dies sogar getan.

Naser Khader ist derzeit wegen Stress krankgeschrieben. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Er hat sie mit anderen Worten in ihrem Job bedroht.

Ein solches Verhalten von einer Person mit Macht und Einfluss ist selbstverständlich untragbar.

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass Khader selbst nicht gerade zimperlich beim Austeilen ist. Auf Dänisch hat man den treffenden Begriff „skallesmækkende mimoser“ für Personen, die gerne deutliche Worte sprechen, aber empfindlich auf Kritik reagieren.

Streiter für Meinungsfreiheit

Die ganze Affäre bekommt noch eine extra Dimension, wenn man bedenkt, dass der konservative Politiker sich als Streiter für die Meinungsfreiheit profiliert hat. Er hat sich sogar den Paragrafen 77 des Grundgesetzes auf den linken Unterarm tätowieren lassen.

„Jeder ist berechtigt, in Druck, Schrift und Wort seine Gedanken zu veröffentlichen, jedoch unter Verantwortung gegenüber den Gerichten“, heißt es da (Übersetzung des „Nordschleswigers“).

In seinem Entschuldigungsschreiben auf Facebook erkennt Khader selbst den Widerspruch.

„Einige haben auf die Heuchelei hingewiesen, dass ich als Verfechter der Meinungsfreiheit dem Arbeitgeber einiger Menschen geschrieben habe. Ich möchte deutlich feststellen: Die Meinungsfreiheit gilt allen“, schreibt er dort.

In dem Schreiben räumt er auch Fehler bei sich ein, an denen er nun arbeiten möchte.

Undskyld. Jeg mistede overblikket hen af vejen i min politiske kamp. Og nogle gange har jeg endda tabt hovedet. Jeg...

Slået op af Naser KhaderTirsdag den 20. april 2021

Doch weist er auch auf einen äußeren Faktor hin, den auch sein Parteivorsitzender Søren Pape Poulsen in seiner ersten Reaktion auf den Artikel in „Berlingske“ zum Fehlverhalten Khaders hingewiesen hat: Der engagierte Politiker steht unter extremem Druck.

Bedrohung

Seit etlichen Jahren steht Naser Khader rund um die Uhr unter Polizeischutz, selbst auf Christiansborg sind Beamte vom Personenschutz in seiner unmittelbaren Nähe.

Er hat sich während der Krise zu den Muhammedkarikaturen 2005 deutlich zu Wort gemeldet. Seither ist er Ziel islamistischer Extremisten.

Als einer der frühen profilierten Politiker mit Migrationshintergrund steht der gebürtige Syrer seit Anfang seiner Karriere gleich unter mehrfachem Druck. Da sind die Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft und der eigenen Partei, die zunächst Radikale Venstre hieß.

Und da sind die Reaktionen aus den Migrantenmilieus, wo viele ihn als zu angepasst, ja sogar als Verräter empfinden.

Verhaltensmuster

Vor diesem Hintergrund sind überzogene Reaktionen aus menschlicher Sicht nachvollziehbar. Wer sich die Mühe macht zu versuchen, sich in seine Lage zu versetzen, wird erkennen, dass er oder sie selbst vermutlich auch nicht immer gleich klug reagiert hätte.

Das ändert jedoch alles nichts daran, und das ist die Tragödie, dass eine Person mit einem Verhaltensmuster, wie Khader es gezeigt hat, nicht geeignet ist, politische Verantwortung zu tragen.

Denn man sollte nicht vergessen, dass sich diese Bedrohungen von Kritikern, wie der Artikel von „Berlingske“ belegt, über Jahre erstreckt haben. Hier ist nicht von einem einzelnen Ausrutscher die Rede.

Ex-Freundin unter Druck gesetzt

Auch ist bereits seit 2017 ein Fall öffentlich bekannt, der ein solches Verhalten zumindest andeutet. Khader schreibt gemeinsam mit den Folketingskollegen Marcus Knuth (Kons.) und Martin Henriksen (DF) an das übrige Folketing, man solle der Organisation „Exitcirklen“ keine Zuschüsse gewähren. Die Organisation wollte Jugendlichen einen Weg aus islamistischem Extremismus aufzeigen.

Ziel der Kritik von Khader und Co. war vor allem die eine Gründerin von „Exitcirklen“, die Imamin Sherin Khankan, die sie als Islamistin bezeichnen. Nicht ganz unwesentlich dabei ist, dass Khankan die ehemalige Freundin Khaders ist. Allein diese Tatsache hätte bei kühler Überlegung dazu führen müssen, dass er nicht damit hätte drohen dürfen, ihr die Zuschüsse zu entziehen.

Papes Versagen

Doch seine Partei ließ ihn und Knuth gewähren. Auch seither hat der derzeitige Star des bürgerlichen Lagers, Søren Pape Poulsen, auf Hinweise vom Fehlverhalten nicht reagiert. Wie mittlerweile bekannt ist, haben ihm Personen, die Khader unter Druck gesetzt hat, davon berichtet, dass er den Arbeitgeber verständigt hat.

Damit hat die Tragödie ausschließlich Verlierer.

Walter Turnowsky

Dass Pape anscheinend darauf nicht reagiert hat, mag aus Rücksicht auf Khader geschehen sein. In Wahrheit hat er ihm damit einen Bärendienst erwiesen.

Kann er Verhalten noch korrigieren?

Seit Bekanntwerden der Affäre ist die Hauptperson krankgeschrieben – und dies sollte man durchaus ernst nehmen.

Er selbst meint, er sei bereits nach einer Woche klüger geworden.

„Ich habe aus der Zeit, die vergangen ist, gelernt. Das bedeutet nicht, dass ich mir alles gefallen lassen werde. Aber es bedeutet etwas dafür, wem und wie ich antworten werde“, schreibt er auf Facebook.

So ganz glaubwürdig ist es nicht, dass man ein solches Verhalten quasi über Nacht ablegen kann. Das erfordert wohl eine etwas intensivere Arbeit an sich, sofern das überhaupt noch möglich ist.

Damit hat die Tragödie ausschließlich Verlierer: Zunächst natürlich Khader selbst, seine Partei und der politische Diskurs. Doch vor allem sollten wir jene nicht vergessen, die Khader versucht hat, mundtot zu machen.

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