Dieser Tag auf Bornholm

„Unsere schärfste Waffe?“

Unsere schärfste Waffe?

Unsere schärfste Waffe?

Allinge
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Kira Skov singt „Kringsat af fjender“. Foto: Walter Turnowsky

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Das diesjährige Volkstreffen (Folkemøde) fand im Schatten des Krieges statt und ein russisches Kriegsschiff taucht sogar in der Nähe auf. Doch vielleicht ist das Demokrtiefest auch eine wichtige Antwort auf die Bedrohung, meint Walter Turnowsky.

Nach drei Tagen Sonnenschein zogen Regenschauer während der Abschlussveranstaltung über Allinge hinweg.

Weder das Wetter noch die Tatsache, dass das eigentliche Programm weitgehend am Sonnabend endete, hat verhindert, dass eine nicht ganz kleine Schar der letzten Veranstaltung beiwohnte. Das einleitende Konzert und gemeinsame Singen wurden mit dem alten Lied der Friedensbewegung „Kringsat af fjender“ vorgetragen von Kira Skov abgeschlossen.

„Womit soll ich kämpfen, was ist meine Waffe?“ lauten zwei Zeilen des Liedes.

Das Publikum bei der Abschkussveranstaltung trotzte dem Regen Foto: Walter Turnowsky

Am Abend davor sprach der ukrainischen Botschafter in Dänemark, Mykhailo Vydoinyk, auf der gleichen Bühne mit Moderator Clement Kjersgaard. Im Anschluss erschien der dänische Musiker Jørgen Olsen, der aus aktuellem Anlass den Song „Fight for your Freedom“ komponiert hat.

Das Lied ist, weder was Musik noch Text anbelangt, ein Meisterwerk, aber das war auch nicht entscheidend. Der Botschafter klatschte bei dem Song mit und anschließend fassten die beiden sich an den Händen.

Bei der Eröffnung sprach die Vorsitzende Vibe Klarup von einem Folkemøde „im Schatten des Krieges“ und forderte von Teilnehmenden sowie Publikum, man solle sich „besondere Mühe geben“.

Der ukrainischen Botschafter Mykhailo Vydoinyk und Moderator Clement Kjergsgaard klatschen, während Jørgen Olsen „Fighting für your freedom“ singt. Foto: Walter Turnowsky

Mein Eindruck: Der Aufforderung wurde Folge geleistet. Es gab eine lockere Stimmung, große Diskussionslust, den Willen sich gegenseitig zuzuhören und tatsächlich miteinander zu sprechen, statt nur Parteiparolen herunterzubeten. Gewiss, es gibt auch Spin und Taktieren. Aber insgesamt ist das Folkemøde das Fest der Demokratie, das es sein möchte.

Das Vorurteil des „Familienfestes der Entscheidungsträgerinnen und -träger“ konnte es auch entkräften. Nach Einschätzung der Polizei kamen pro Tag zwischen 25.000 und 35.000 Menschen – einige davon sicherlich nur an einem Tag, andere an mehreren.

Und: Deutlich mehr Jugendliche als früher sind erschienen. Die Veranstalterinnen und Veranstalter haben sich das Ziel gesetzt, dass es in wenigen Jahren 18.000 werden sollen. Das ist wichtig, denn wenn es seinem Anspruch als Volkstreffen gerecht werden will, muss es das gesamte Volk ansprechen; nicht zuletzt sie Stimmen der Zukunft. Damit entgegnet es auch den Unkenrufen vom fehlenden demokratischen Engagement der Bevölkerung im Allgemeinen und er Jugend im Besonderen. Die Menschen wollen teilnehmen und teilhaben.

Folkemøde: Politikerinnen und Politiker (fast) zum anfassen Foto: Walter Turnowsky

All das konnte der bereits erwähnte Mykhailo Vydoiny beobachten, denn der Botschafter verfolgte sowohl am Freitag als auch am Sonnabend das Folkemøde. Die Solidarität, die auch durch die ausgestreckte Hand Jørgen Olsens symbolisiert wurde, hat ihn sichtlich gefreut. Die Selbstverständlichkeit, mit der hier Demokratie und freier Meinungsaustausch gefeiert wird, ist das, wonach sich die ukrainische Bevölkerung sehnt.

Und vielleicht kann er ja auch Inspiration für die Zeit nach dem Krieg mit nach Hause nehmen. Denn die Ukraine war vor dem Krieg alles andere als eine Musterdemokratie. Demokratie ist nicht vornehmlich, was man in eine Verfassung schreibt, sondern sie will gelebt sein.

Der russische Aggressor war im Übrigen nicht weit weg. Ungefähr 20 Kilometer östlich des Folkemødes verletzte ein russisches Kriegsschiff dänisches Territorialgewässer. Es kann natürlich ein Zufall sein, dass es genau zu diesem Zeitpunkt passierte. Doch sollte man sich daran erinnern, dass bereits 2014 ein russisches Kampflugzeug während des Folkemødes den Luftraum bei Bornholm verletzte.

Diskussion in lockerer Stimmung während Putin in der Ostsee Drohgebärden zeigt. Foto: Walter Turnowsky

Doch egal, was die Erklärung ist, so wissen wir, dass Wladimir Putin die Demokratie zutiefst zuwider ist. Die Situation zeigt auch, dass während in Allinge (und ja auch auf dem Knivsberg) gemeinsam gefeiert wird, ist alles, was Putin anzubieten hat, Macht, Unterdrückung und Krieg.

Und so ist eine der Antworten auf die Frage aus dem Friedenslied vielleicht all das, was das Folkemøde und dessen Vorbild, die Almedalsveckan in Schweden symbolisiert. Gewiss braucht die Ukraine jetzt schwere Waffen, um den Krieg zu gewinnen, oder zumindest, um zu bestehen. Aber vielleicht ist langfristig das skandinavische Model des „Folkestyre“ unsere schärfste Waffe.

Denn letztendlich haben wir das attraktivere Angebot an die Menschen als Wladimir Putin.

Erlaubt mir, als Abschluss die letzte Strophe des Liedes auf Dänisch zu zitieren:

„Dette er løftet vort
Fra søster, til bror:
Vi skal bli' gode mod
Menneskenes jord.
Vi vil ta vare på
Skønheden, varmen -
Som om vi bar et barn
Varsomt på armen.

Der Text wurde übrigens 1936 vom Norweger Nordahl Grieg als Reaktion auf den wachsenden Einfluss von Faschismus und Nationalsozialismus verfasst.

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