Diese Woche in Kopenhagen

„Wie fit sind die Parteien? “

Wie fit sind die Parteien?

Wie fit sind die Parteien?

Kopenhagen
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Wer ist in Hochform, wer muss noch Kondition aufbauen und wer muss schadensbedingt aussetzen? Walter Turnowsky gibt einen Überblick über den Fitnesszustand der Parteien und riskiert einen Blick in die politische Kristallkugel.

Das Jahr 2020 hat zu einigen politischen Verschiebungen geführt. Selbstverständlich hat vor allem die Corona-Krise das politische Geschehen geprägt. Doch hat sie ganz besonders ohnehin spürbare politische Trends verstärkt, die sich bereits vorher abgezeichnet haben.

Für 2021 ist vor allem eines sicher, nämlich dass nichts so sonderlich sicher ist. Ich will dennoch den Ausblick wagen.

Dänische Volkspartei

Kristian Thulesen Dahl hat 2019 ein miserables Wahlergebnis eingefahren. Davon konnte sich die Partei auch 2020 nicht erholen. Offene Kritik am Vorsitzenden war bislang in der Partei immer verboten gewesen. Dass es nun sogar Parteigründerin Pia Kjæsgaard ihren Nachfolger kritisiert hat, besagt so einiges über den Zustand der Partei. DF wird auch im kommenden Jahr kaum punkten können.

Fitnesszustand: Schlecht. Ausblick: Weitere Niederlagen zeichnen sich ab.

Neue Bürgerliche

Die Newcomer profitieren von der Schwäche der rechten Konkurrenz, DF. Doch auch durch ihr Auftreten und ihren Fleiß hat sich Pernille Vermund als regelrechter politischer Komet entpuppt. Die Auseinandersetzungen bei Venstre können ihr weiteren Zulauf bescheren.

Fitnesszustand: Hervorragend und steigend. Ausblick: Die Partei kann durchaus die Zehn-Prozent-Marke überspringen.

Liberale Allianz

Bei und nach den Wahlen musste die Partei ums Überleben kämpfen. Der damalige Vorsitzende Anders Samuelsen schaffte nicht den Wiedereinzug ins Folketing. Sein Nachfolger Alex Vanopslahg hat jedoch die Partei allmählich wieder in Form gebracht. Die klaren liberalen Positionen können sie im kommenden Jahr in noch sichererem Abstand über der zwei Prozent Sperrklausel platzieren.

Fitnesszustand: Gut, doch weiteres Training ist nötig. Ausblick: Langsamer, aber sicherer Zuwachs.

Venstre

Als Jakob Ellemann-Jensen im Sommer 2019 den Vorsitz übernahm, sollte er die zerstrittene Partei einen. Doch er war lange zu blass. Im Herbst erlebte die Partei ein leichte steigende Formkurve. Der Minkskandal gab Ellemann die Chance, sich zu positionieren. Der Bericht der Anordnungskommission hat ihn und die Partei jedoch eigenartig unvorbereitet erwischt. Am Dienstag meinte Ellemann, Politik könne hart und unangenehm sein. Doch seine Probleme haben soeben erst begonnen. Ein ernstzunehmender Herausforderer für Mette Frederiksen ist er derzeit nicht.

Fitnesszustand: Schlecht, kommt leicht außer Atem. Ausblick: Venstres Position als größte bürgerliche Partei ist gefährdet

Konservative

Søren Pape Poulsen profitiert deutlich von der Schwäche Venstres. Eher im Stillen hat er den jahrelangen Rückgang seiner Partei umkehren können. Er hat dabei eine sichere Hand bei der Festlegung der politischen Richtung bewiesen. Die Wähler danken es ihm: Bei einer Epinion-Umfrage im Dezember wurde er zum populärsten Politiker des Landes erkoren. Pape Poulsen könnte sich als der Staatsministerkandidat des bürgerlichen Lagers entpuppen.

Fitnesszustand: Stabil und steigend. Langstreckenläufer. Ausblick: Die Konservativen haben das Potenzial dazu, die größte bürgerliche Partei zu werden.

Radikale Venstre

Trotz der Rolle als Unterstützerpartei standen die Radikalen im ersten Halbjahr der Regierung ungewöhnlich kritisch gegenüber. So konnte der vorherige Vorsitzende Morten Østergaard seine Partei profilieren. Doch bestand auch die Gefahr, die Radikalen zu isolieren. Als er dann wegen seiner wiederholten sexuellen Übergriffe und dem ungeschickten Umgang damit, zurücktreten musste, konnte es sich seine Nachfolgerin Sofie Carsten Nielsen nicht leisten, die kritische Linie fortzuführen. Die Radikalen wirken derzeit ausgesprochen zahm.

Fitnesszustand: Schwach aber vorläufig stabilisiert. Ausblick: Unsicher

Sozialistische Volkspartei

Ähnlich wie Pape Poulsen arbeitet SF-Chefin Pia Olsen Dyhr eher im Stillen. Unaufgeregt setzt sie Ziele ihrer Partei wie das Aufräumen von Umweltaltlasten und die Mindestnorm bei der Kinderbetreuung durch. Ihr Problem ist jedoch, dass sie gerade während der Corona-Krise neben den Sozialdemokraten blass erscheint. Insgesamt geht es weder auf noch ab für SF.

Fitnessstand: Stabil. Ausblick: Wird auch im kommenden Jahr keine großen Sprünge machen.

Die Einheitsliste

EL-Sprecherin Pernille Skipper hat ein ähnliches Problem wie Olsen Dyhr: Es fällt ihr schwer neben Frederiksen eigenes Profil zu zeigen. Beim Minkskandal ist die Partei jedoch kritischer aufgetreten als SF. Auch in der Klimafrage sieht die Partei die sozialdemokratische Politik kritisch. Aber so richtig Druck machen konnte sie bislang nicht. Das Rotationsprinzip bedeutet, dass die Einheitsliste nun die Frontfrau wechseln muss. Das muss kein Problem sein, denn die Partei hat sich mehrfach zu neuen Erfolgen rotiert.

Fitnessstand: Stabil. Ausblick: Hat die Möglichkeit, nach Corona ein eigenständigeres Profil zu entwickeln.

Die Alternativen und Freie Grüne

Die Alternative und die Abspaltung, die Freien Grünen, haben sich das eigene Projekt kaputt gemacht. Sie haben kaum eine politische Zukunft. 

Fitnessstand: Wegen Verletzungen nicht wettkampffähig. Ausblick: Werden die aktive Karriere beenden müssen.

Sozialdemokraten

Mette Frederiksens Sozialdemokraten befinden sich weiterhin im Corona-Hoch. Die Höchstwerte des Sommers fahren sie bei den Umfragen nicht mehr ein. Auf Dauer zehrt der Umgang mit der Corona-Krise dann doch am Image. Auch der Minkskandal war nicht gerade hilfreich für die Glaubwürdigkeit der Staatsministerin. Vorläufig kann sie sich jedoch auf die Schwäche der anderen verlassen. Die Unterstützerparteien haben wenig eigenständiges Profil, und die Bürgerlichen tauschen vor allem Wähler untereinander aus. Von der Regierungsmacht sind sie weit entfernt.

Die „Mor Mette“ des Frühjahrs gibt es jedoch nicht mehr. Frederiksen muss aufpassen, dass sie nicht als zu eigenmächtig war genommen wird. Ansonsten könnte es jenseits der Corona-Krise zu Rückschlägen für sie kommen.

Fitnesszustand: Auf hohem Niveau stabil. Ausblick: Rückgang ist nicht auszuschließen, doch die Regierungschefin wird höchstwahrscheinlich auch nach einer kommenden Wahl Mette Frederiksen heißen. 

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Gerrit Hencke
Gerrit Hencke Journalist
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