Leitartikel

„Bei medizinischer Behandlungsgarantie Realität entscheidend“

Bei medizinischer Behandlungsgarantie entscheidet Realität

Bei medizinischer Behandlungsgarantie entscheidet Realität

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch begrüßt die Wiedereinführung der erst zum Jahresbeginn angesichts der jüngsten Corona-Ansteckungswelle aufgehobenen Behandlungsgarantie im dänischen Gesundheitswesen. Hinweise sollten ernst genommen werden, dass es weiter Engpässe geben wird, weil wegen der Pandemie viele Beschäftigte an Corona erkranken.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass es bei der weitgehend von der öffentlichen Hand in Dänemark geregelten und organisierten Gesundheitsversorgung Kapazitätsprobleme gibt. Viele Bürgerinnen und Bürger haben es erlebt, dass Wartezeiten bei Eingriffen aller Art in Kauf genommen werden müssen. Doch selbst in den nun fast zwei Jahren mit Corona-Pandemie haben Krankenhäuser, medizinisches Personal und die Teams in den Arztpraxen ihr Bestes getan, um den Menschen bei Erkrankungen zu helfen und sie wieder gesund zu machen.

Gerade auch die zusätzlichen Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von Corona-Ansteckungen haben den Arbeitsalltag des medizinischen Personals teilweise erschwert. Patientinnen und Patienten mussten sich ebenso wie Angehörige bei Besuchen im Krankenhaus der Anti-Corona-Solidarität unterwerfen. Es hat schon Kritik gegeben, als kurz vor Weihnachten die politisch beschlossene Behandlungsgarantie für die Bevölkerung auf Anraten der Epidemiekommission aufgehoben wurde.

Zustimmung für die Aufhebung der Garantie erhielten die regierenden Sozialdemokraten dabei von ihren Unterstützerparteien. Die bürgerliche Opposition lehnte den Schritt ab, der angesichts explodierender Covid-19-Ansteckungszahlen befristet auf den Monat Januar 2022 vollzogen wurde.

Die Garantie regelt, dass allen Bürgerinnen und Bürgern bei Erkrankungen ermöglicht wird, dass sie innerhalb von 30 Tagen behandelt werden oder für sie ein Zeitplan für einen Behandlungsverlauf vorliegt. Und es gibt die wichtige Bestimmung, dass bei Überschreiten der Garantiezeiten ein Anspruch gilt, dass in einer Privatklinik Operationen bei Kostenübernahme der öffentlichen Gesundheitsversorgung vorgenommen werden können, wenn die meist unter der Regie der Regionen arbeitenden Angebote keine ausreichenden Kapazitäten haben.

Gesundheitsminister Magnus Heunicke (Sozialdemokraten) hat jetzt die Suspendierung der Behandlungsgarantie verkündet. Mit dem erfreulichen Hinweis, dass trotz hoher Zahlen bei den Covid-19-Neuinfektionen die Krankenhäuser und in Dänemark vor allem die Intensivstationen keinen Patientenboom verzeichnen. Offenbar zahlt sich aus, dass es aufgrund der hohen Impfquoten weniger oder meist nur mildere Krankheitsverläufe gibt.

Die für die Krankenhäuser auch in Nordschleswig zuständige Regionsratsvorsitzende in Süddänemark, Stephanie Lose (Venstre), begrüßt die Wiedereinführung der Behandlungsgarantie. Sie weist aber darauf hin, dass außer bei Behandlungen im Falle lebensbedrohlicher Erkrankungen weiter viele Bürgerinnen und Bürger erleben werden, dass sie vor medizinischen Eingriffen Wartezeiten hinnehmen müssen. Sie bedauere das, so Lose, die sich zusammen mit ihren Regionsratskolleginnen und -kollegen seit Jahren darum bemüht, ein bürgernahes Gesundheitswesen zu organisieren.

Dabei vergisst die Venstre-Politikerin aber nicht zu erwähnen, dass durch Wiedereinführung des Anspruchs auf eine Behandlung in einem Privathospital im Rahmen der Behandlungsgarantie sichergestellt werde, dass die privaten Behandlungskapazitäten am Leben erhalten werden. Angesichts des Personalmangels im Gesundheitswesen ein nicht unwichtiger Aspekt.   

Beunruhigender sind Bedenken vonseiten des Ärzteverbandes „Lægeforeningen“. Dessen Vorsitzende Camilla Rathke weist darauf hin, dass mit der Wiedereinführung der Behandlungsgarantie den Bürgerinnen und Bürgern etwas versprochen werde, was derzeit gar nicht geliefert werden könne. Allein die hohe Zahl von Krankmeldungen aufgrund von Covid-19-Fällen beim Personal oder Quarantäne-Auflagen schränke die Behandlungsmöglichkeiten ein. Camilla Rathke warnt auch davor, dass noch mehr Personal aus öffentlichen Krankenhäusern in das private Gesundheitswesen abwandern.

Das lenkt den Blick wieder auf das ungelöste Problem, dass es in vielen medizinischen Bereichen Überlastungen gibt und nur langfristig verbesserte Arbeitsbedingungen den Patientinnen und Patienten ebenso wie dem Gesundheitspersonal zu realen und glaubwürdigen Behandlungsgarantien verhelfen.

 

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