Leitartikel

„Meinungsfreiheit kann nicht diktiert werden“

Meinungsfreiheit kann nicht diktiert werden

Meinungsfreiheit kann nicht diktiert werden

Kopenhagen
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So manchem, der gerne laut und schnell die Meinungsfreiheit beschwört, kann man nur schwer die echte Überzeugung abnehmen, meint Walter Turnowsky.

Die Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter einer demokratischen Gesellschaft. Doch bei einigen selbsternannten Hütern dieses Guts fragt man sich schon, wie überzeugt sie tatsächlich von der Bedeutung von Freiheitsrechten sind.

Seit „Jyllands-Posten“ 2005 die Muhammed-Karikaturen veröffentlichte, ist die Debatte wiederholt hochemotional geführt worden.

Nachdem vergangene Woche ein Lehrer in Frankreich ermordet wurde, weil er eine Zeichnung des Propheten im Unterricht verwendet hatte, ist die Diskussion neu entbrannt. „DR Nyheder“ hat 583 Lehrer, die an Gymnasien Gesellschaftskunde unterrichten gefragt ob sie die Zeichnungen aus „Jyllands-Posten“ im Unterricht verwendet haben. 278 haben geantwortet und ungefähr die Hälfte antwortet ja, die andere Hälfte nein.

Dies sagt an sich noch nicht so viel aus, denn es kann viele Gründe geben, sie im Unterricht einzusetzen oder auch nicht. Doch wenn mehrere der Lehrer angeben, sie machten sich Sorge um die eigene Sicherheit, dann ist das selbstverständlich ein ernstes Problem.

Die Medizin, die die Dänische Volkspartei (DF) gegen das Problem verordnen will, ist allerdings schon wieder mehr als fragwürdig. Die Alt-Vorsitzende Pia Kjærsgaard fordert, das Zeigen der Zeichnungen sollten am Gymnasium Pflicht werden.

Wer in dieser Weise die Lehrer zu einer bestimmten Form des Unterrichts zwingen möchte, der entlarvt sich im Grunde selbst. Denn dann geht es einem bestenfalls sekundär um die Meinungsfreiheit. Sie muss nur ein weiteres Mal dafür herhalten, dass man sich ideologisch als „islamkritisch“ positionieren möchte.

Selbstverständlich ist die Karikaturen-Krise ein wesentliches Ereignis der jüngeren dänischen Geschichte. Als solches ist auch naheliegend, die Krise im Unterricht zu thematisieren. Doch ob und wie dies geschieht, sollte man bitteschön den Lehrern überlassen. Denn auch das hat so einiges mit Freiheit zu tun.

Überhaupt sollte man Freiheitsrechte nicht nur dann verfechten, wenn es einem in den politischen Kram passt. Hierbei sei daran erinnert, dass im Zuge des „Kampfes gegen den Terror“ von wechselnden Regierungen eine Reihe von Freiheitsrechten eingeschränkt worden sind. Jedes Mal mit lautstarker Unterstützung von DF.

Aktuell plant die Regierung es der Polizei zu ermöglichen, Versammlungsverbote für Gebiete zu erlassen, in denen Jugendliche „Unsicherheit“ verbreiten. Und wieder einmal freut sich DF.

Nun ist das Versammlungsverbot ebenfalls ein zentrales Freiheitsrecht, das nicht ohne gründliche Abwägung eingeschränkt werden sollte. Der aktuelle Vorschlag – daran hat die Regierung keine Zweifel gelassen – richtet sich vor allem gegen Jugendliche mit Minoritätshintergrund. Treffen wird er allerdings alle, die sich in so einer Zone aufhalten.

Wer an einem Tag lautstark die Meinungsfreiheit verteidigt, um am nächsten Tag leichtfertig Freiheitsrechte mit dem Hinweis auf angebliche, aber auch reale, Gefährdungen einschränkt, der misst mit zweierlei Maß.

Wer fordert, Mohammed-Karikaturen müssen bei jeder erdenklichen Gelegenheit gezeigt oder gedruckt werden, um im nächsten Atemzug mit Verweis auf eine Bedrohung durch Menschen muslimischen Glaubens, Rechte begrenzt, dem kann man keine echte Überzeugung abnehmen.

Dies gilt nicht allein für DF, sondern für einen großen Teil des politischen Spektrums.

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