250 Kilometer vor Sylt

Dänemark will Kohlendioxid unter der Nordsee speichern

Dänemark will Kohlendioxid unter der Nordsee speichern

Dänemark will Kohlendioxid unter der Nordsee speichern

SHZ
Berlin/Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Unruhe an der Nordsee: In einem alten Ölfeld will Dänemark künftig Kohlendioxid einlagern lassen – Umweltschützer sind besorgt. Foto: Jochen Tack

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Ein Konsortium um Wintershall Dea plant eine CO2-Lagerstätte 250 Kilometer nordwestlich von Sylt – Naturschützer und der Umweltminister von Schleswig-Holstein warnen.

In Schleswig-Holstein ist das unterirdische Speichern von Kohlendioxid schon vor zwölf Jahren auf erbitterten Widerstand gestoßen, in ganz Deutschland ist es derzeit verboten – doch nun plant man im Nachbarland Dänemark erstmals die Verpressung von CO2 im Boden, und zwar unter der Nordsee.

Rund 250 Kilometer nordwestlich von Sylt will ein Konsortium um den deutschen Öl- und Gasproduzenten Wintershall Dea im alten dänischen Ölfeld „Nini West“ eine CO2-Lagerstätte einrichten, die schon ab nächstem Jahr Kohlendioxid aufnehmen soll.


„Greensand“ heißt das Pilotprojekt, CCS die Methode, die dabei angewandt wird. Das Kürzel steht für „Carbon Capture and Storage“, die englische Bezeichnung für das Abscheiden von CO2 und dessen anschließende unterirdische Speicherung.

Konkret will das Greensand-Konsortium das bei der Zementherstellung in der dänischen Firma Aalborg Portland entstehende Kohlendioxid einfangen und ab Ende 2022 per Schiff zur Lagerstätte unter der Nordsee bringen. So soll verhindert werden, dass das Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt und die Klimakrise verschärft.

Das Pilotprojekt soll erst mal bis 2025 laufen

„Mit diesem Projekt lassen sich unvermeidliche Industrie-Emissionen sicher speichern“, freut sich Greensands Technik-Chef Hugo Dijkgraaf. Das Vorhaben soll erst mal bis 2025 laufen. Voraussetzungen seien aber „passende finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen“. So setzt das Konsortium auf staatliche Förderung aus einem dänischen Programm für Energietechnologien, das auch für CCS-Projekte gedacht ist.

Bisher gibt es nur zwei Lagerstätten westlich von Norwegen

Die neue Lagerstätte wäre die dritte unter der Nordsee, nach zwei CO2-Speichern westlich von Norwegen. Läuft alles glatt, könnte das Greensand-Projekt bis 2025 zunächst bis zu eine Million Tonnen CO2 im Jahr aufnehmen und ab 2030 sogar bis zu acht Millionen. Diese Menge entspräche laut Konsortium einem Viertel aller dänischen CO2-Emissionen. „Das bedeutet für Klimaschutz und Wirtschaft eine klare Win-win-Situation“, freut sich Dijkgraaf.


Naturschützer in Schleswig-Holstein sind allerdings weniger erfreut. Sie fürchten schädliche Folgen für die Nordsee – schlimmstenfalls sogar für den Nationalpark Wattenmeer. Vor allem treibt sie die Sorge um, dass eingelagertes CO2 aus alten Bohrlöchern des Ölfelds wieder austreten könnte. Das würde zu einer Versauerung im Meer führen und Organismen wie Muscheln, Austern oder Algen gefährden.

„Die Auswirkungen auf das Ökosystem bei anhaltendem großflächigen CO2-Verlust aus dem Endlager wäre eine ökologische Katastrophe für die gesamte Nordsee“, warnt Reinhard Knof, Chef der schleswig-holsteinischen Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager.


Zwar hat das Kieler Meeresforschungsinstitut Geomar bei Untersuchungen vor Norwegen festgestellt, dass CO2-Lecks nur in einem sehr kleinen Umkreis von 50 Quadratmetern schädliche Folgen haben. „Wir kommen daher vorläufig zum Schluss, dass es möglich ist, CO2 sicher unter dem Meeresboden zu speichern“, hatte Geomar-Forscher Klaus Wallmann resümiert, allerdings eingeschränkt, das gelte dann, „wenn sich der Speicherort in einem Gebiet mit wenigen undichten Bohrlöchern befindet“.

Das aber sei bei Greensand nicht der Fall, moniert Kritiker Knof: „Es handelt es sich um ein ausgefördertes Ölfeld mit vielen alten Bohrlöchern, von denen etliche undicht sind.“


Auch Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Jan Philipp Albrecht zeigt sich daher skeptisch. „Es muss absolut sichergestellt sein, dass das Projekt keine Auswirkungen auf Mensch. Natur und Umwelt hat“, sagt er unserer Zeitung. Insbesondere für den Nationalpark Wattenmeer müssten „Gefahren ausgeschlossen sein“.

Bund setzt auf CO2-Speicher unter der Nordsee – in anderen Ländern

Dagegen hält die Bundesregierung – von Wirtschaftsminister Peter Altmaier bis Umweltministerin Svenja Schulze – CO2-Speicher für unabdingbar, wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral werden will. Anders seien die auch künftig unvermeidbaren CO2-Emissionen der Industrie nicht unschädlich zu machen.

Zwar hat der Bund noch keinen neuen Anlauf für CCS in Deutschland gewagt. Aber die Lagerstätten anderer Staaten in der Nordsee hofft man mitnutzen zu können. So habe der Bund gerade eine neue europäische Regelung abgesegnet, die einen „grenzüberschreitenden CO2-Transport zwecks Speicherung im tiefen Untergrund unter dem Meeresboden ermöglicht“, teilt ein Sprecher von Schulze mit. Um allerdings wirklich CO2 im Ausland lagern zu können, seien weitere „bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen nötig“.

Mehr lesen

Diese Woche in Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Wenn die Meere Wälder wären, würden wir sie nicht sterben lassen“

Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Von wegen bessere Balance: Auslagerung staatlicher Arbeitsplätze droht zu scheitern“