Leitartikel

„Zielmarke bleibt: 70 Prozent weniger CO2-Ausstoß“

Zielmarke bleibt 70 Prozent weniger CO2-Ausstoß

Zielmarke bleibt 70 Prozent weniger CO2-Ausstoß

Apenrade/Aabenraa
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Nordschleswiger-Redakteur Volker Heesch nimmt in seinem Leitartikel das neue Konzept der dänischen Regierung für eine grüne Steuerreform unter die Lupe.

Die Regierung hat ihr schon länger erwartetes Konzept einer „grünen“ Steuerreform vorgestellt, mit der Vorentscheidungen hin zum Ziel verbunden sind, den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bis 2030 um 70 Prozent zu senken.

Die Vorgabe 70 Prozent Verminderung ist schon vor längerer Zeit mit breiter politischer Mehrheit im Folketing beschlossen worden, weshalb Regierungslager und Opposition gemeinsam in der Verantwortung stehen, die Weichen zu stellen, um den Beitrag Dänemarks zur Abwendung einer globalen Klimakatastrophe zu sichern. Wie nicht anders zu erwarten, gehen die Vorschläge der Regierung Verbänden wie dem Naturschutzverband Danmarks Naturfredningsforening (DN) nicht weit genug. Dort vermisst man die Einführung einer Abgabe auf Treibhausgase, die – so stellt man es sich vor – Wirtschaft und Bürger mit der Steuerdaumenschraube zum erforderlichen Klimaschutz zwingen würde.

Was sich einfach anhört, ist doch sehr kompliziert, so Steuerminister Morten Bødskov (Sozialdemokraten), der darauf verweist, dass es aktuell noch keine Basis dafür gebe, eine generelle CO2-Abgabe einzuführen, denn es könne beispielsweise niemand sagen, wie man den Treibhausgasausstoß der Landwirtschaft oder anderer Wirtschaftszweige berechnet. Aus diesem Grunde soll die präsentierte „grüne“ Steuerreform über neue Energieabgaben kombiniert mit Abschreibungsmöglichkeiten die Installation neuer Technologie vorantreiben.

Der Wirtschaftsverband Dansk Industri (DI) reagiert mit einem generellen Lob auf das Steuermodell, durch neue Technologie, die neue Arbeitsplätze und auch Exportmöglichkeiten schaffen kann, sich dem 70-Prozent- CO2-Reduktionsziel zu nähern. Dabei hatte DI erst im September ein Konzept vorgelegt, die Klimaziele durch CO2-Abgaben zu erreichen. Deshalb verweist DI nun auf den Aspekt, dass gewisse dänische Unternehmen wie der Zement-Hersteller Aalborg Portland bei Erhebung von Energieabgaben im internationalen Wettbewerb auf der Strecke bleiben würden.

Das erinnert daran, dass die Abwendung der drohenden Klimakatastrophe auf internationale Schritte angewiesen ist. Dänemark sollte sich unbedingt stärker im EU-System engagieren. Aber die Aussage Klimaminister Dan Jørgensens (Sozialdemokraten), Dänemark stehe nur für ein Promille des weltweiten Treibhausgasausstoßes, ist da wohl auch nicht hilfreich. Denn trotz des immer wieder gezeichneten Bildes von Dänemark als Vorreiter beim Klimaschutz gilt weiter die Tatsache, dass die Einwohner Dänemarks pro Kopf immer noch Spitzenwerte, was den Beitrag zum Klimawandel im weltweiten Vergleich angeht, erreichen. Dass es ohne Daumenschrauben wohl nicht dazu kommt, den Ausstoß an Treibhausgasen zu mindern, zeigen Erfahrungen aus dem Bereich des dänischen Automobilparks. Trotz aller Alarmrufe in Sachen Klimawandel gab es einen Trend zu größeren, mehr CO2-ausstoßenden Wagen, nachdem auch nur im geringen Umfang am dänischen Abgabensystem geschraubt wurde, das lange kleine, sparsame Autos begünstigt hatte.

Interessant ist, dass von Seiten der Gewerkschaften Beifall für das Konzept der Regierung kommt, weil sie Zuwachs an Arbeitsplätzen erwarten. Es wird sicher noch hart verhandelt und gefeilscht werden, bevor es eine „grüne“ Steuerreform gibt, an der kein Weg vorbeiführt. Im Hintergrund steht immer die Gewissheit, dass der Preis für ein Erreichen der 70-Prozent-Einsparmarke steigt, wenn nicht rasch gehandelt wird. Beim Umweltverband DN heißt es kritisch, dass der Regierung offenbar der Mut fehlt, eine CO2-Abgabe einzuführen

. Es nützt natürlich nicht dem Klimaschutz, wenn in Dänemark die Zementfabriken wegen nationaler Abgaben geschlossen werden und der Baustoff künftig aus Werken in Ländern ohne strengen Klimaschutz geliefert werden. So sollte der Einwurf des Industrieverbandes Gehör finden, klimaneutrales Biogas für die Zementindustrie zu reservieren. Aber noch wichtiger ist es, in Sparten mit hohem Energieverbrauch wie der milchverarbeitenden Industrie Technologie einzuführen, um Abwärme in Fernwärmenetze einzuspeisen. Ein Konzept, das aktuell die Pattburger Fernwärmeversorgung und das Unternehmen Arla nutzen.

Sicher ist, dass das Konzept der Regierung überarbeitet werden muss, denn es ist unklar, wie der Branchenverband Dansk Energi zu Recht feststellt. Es fehlen beispielsweise klare Vorgaben, wie künftig die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Erdgas besteuert wird. Die Bürger müssen wissen, wie sie in den kommenden Jahren ihre Wohnungen heizen sollen oder wie sie ihre Transportbedürfnisse erfüllen können. Die Besteuerung muss möglichst gerecht ausfallen, aber vor allem auch wirkungsvoll in Sachen Klimaschutz.

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