SVM-Regierung

Analyse: Schwierige Aufgaben warten auf Ellemann

Analyse: Schwierige Aufgaben warten auf Ellemann

Analyse: Schwierige Aufgaben warten auf Ellemann

Kopenhagen
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Jakob Ellemann-Jensen hat am Dienstag die Arbeit im Verteidigungsministerium wieder aufgenommen. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

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Vor fast sechs Monaten musste sich der Venstre-Vorsitzende, Verteidigungsminister Jakob Ellemann-Jensen, wegen Stress beurlauben lassen. Am Dienstag hat er die Arbeit wieder aufgenommen. Eine Schonfrist wird es für ihn nicht geben, so die Einschätzung von Kopenhagen-Korrespondent Walter Turnowsky.

Jakob Ellmann-Jensen schreibt es am Dienstagmorgen selbst auf Facebook, nachdem er wieder hinter seinem Schreibtisch im Verteidigungsministerium sitzt: „Hier liegen viele Aufgaben und Beschlüsse und warten auf mich.“

Das ist absolut keine Übertreibung. Und nicht nur im Verteidigungsministerium liegen große und schwierige Aufgaben auf dem Schreibtisch; auch der Vizestaatsminister und der Venstre-Vorsitzende sind gefragt.

Am 6. Februar musste Ellemann sich krankschreiben lassen. Er war schwer an Stress erkrankt. Nach eigener Aussage dachte er zunächst, es würde nur ein paar Wochen dauern. Doch in den ersten Wochen ging es noch weiter bergab. Er begann daran zu zweifeln, ob er wieder in die Politik zurückkehren könnte.

„Ich bekam Angst, ich würde nie mehr ich selbst werden. Dass ich nie wieder einer Arbeit nachgehen könnte“, schrieb er am Montag auf Facebook.

Spätesten im März, als Stephanie Lose nach Kopenhagen geholt wurde, war klar, dass er seine Aufgaben nicht vor der Sommerpause wieder wahrnehmen würde. Allmählich ging es wieder aufwärts und am 11. Mai teilte der Venstre-Vorsitzende mit, er werde am 1. August die Arbeit wieder aufnehmen.

 

Durchstarten mit 110 Km/h

Ellemann ist bei Weitem nicht der erste Politiker, der sich wegen Stress krankschreiben lassen musste. Im November 2021 traf es den Fraktionssprecher der Sozialistischen Volkspartei, Jacob Mark, der zeitweise an Sehstörungen litt. Knapp ein Jahr zuvor musste der Vorsitzende der Liberalen Allianz, Alex Vanopslagh, wegen Stress sein Arbeitspensum auf ein Minimum herunterschrauben.

Der Unterschied zu Ellemann ist: Die beiden konnten schrittweise wieder voll in die Aufgaben einsteigen. Diese Option hat der Venstre-Vorsitzende nicht. Er muss voll durchstarten – möglicherweise sogar in höherem Tempo als im vergangenen Winter.

Nicht nur ist er Verteidigungsminister zu einem Zeitpunkt, wo wieder Krieg in Europa ist. Er hat außerdem seine Partei in eine Koalition mit den „Erzfeinden von der Sozialdemokratie“ (O-Ton Ellemann) geführt. Eine Entscheidung, die auch ob der weiter sinkenden Umfragewerte parteiintern weiterhin umstritten ist.

Verteidigungsabsprache umsetzen

Seine wichtigste Aufgabe als Minister ist die Umsetzung der Verteidigungsabsprache. Diese hatte seine Vertretung, Troels Lund Poulsen, vor den Sommerferien fertigverhandelt. Doch wie beschrieben, ist es eine Rahmenabsprache. Das war daher der leichtere Teil der Aufgabe; jetzt geht es ans Eingemachte.

Jetzt geht es darum, wie die extra Mittel in den kommenden zehn Jahren eingesetzt werden sollen. Hier muss Ellemann sämtliche zehn Vertragsparteien von der Sozialistischen Volkspartei bis zur Dänischen Volkspartei und den Neuen Bürgerlichen einen – und auch noch die Regierungen in Grönland und auf den Faröern mit ins Boot holen. Da gilt es den Überblick und einen kühlen Kopf zu wahren.

Koalition stärken

Für den ehemaligen Offizier dürfte das noch der einfachere Teil der Aufgaben sein. Als Vizestaatsminister muss er die ungewöhnliche SVM-Koalition zu einem Erfolg werden lassen. Die angekündigten Reformen müssen umgesetzt werden – und das mit einem deutlichen liberalen Fußabdruck von Venstre. Bislang konnte die Regierung die Wählerinnen und Wähler von der Notwendigkeit des Projektes nicht überzeugen.

Und gleichzeitig mit diesen längerfristigen Aufgaben steht der Umgang mit den Koran-Verbrennungen an. Gerade für Venstre ist der Spagat zwischen Meinungsfreiheit und Konfliktabbau zu den islamischen Staaten kein einfacher.

Partei führen

Vor allem aber ist er als Venstre-Vorsitzender gefragt. Die Partei befindet sich seit Jahren mehr oder weniger in der Dauerkrise. Vor ein bis zwei Jahren sah es zeitweise etwas besser aus.  Doch nachdem Ellemanns Staatsministerträume bei der Folketingswahl zerborsten sind, nimmt die Krise wieder zu.

Jetzt muss er versuchen, aus der Koalition heraus Venstre zu profilieren und sich bis zur kommenden Wahl erneut als Herausforderer von Staatsministerin Mette Frederiksen in Stellung zu bringen. Das ist ein Seiltanz ohne Sicherheitsnetz.

Basis beruhigen

Zunächst muss er die eigene Basis davon überzeugen, dass er der richtige Mann für den Job ist. Als noch ungewiss war, ob und wann er zurückkehrt, haben Stimmen in der Partei gefragt, ob nicht doch Stephanie Lose die bessere Frau, Troels Lund Poulsen der bessere Mann sei, um Venstre wieder zu einstiger Stärke zurückzuführen.

Diese Stimmen sind, nachdem seine Rückkehr festgestanden hatte, verstummt – zumindest öffentlich. Doch in den Ortsverbänden in Tondern (Tønder), Ringkøbing, Esbjerg und sonst wo im Land wird die Frage spätestens beim Bier nach den Sitzungen weiter besprochen. Eine von Ellemanns wichtigsten Aufgaben ist, dafür zu sorgen, dass diese Stimmen nicht wieder lauter werden.

Bei der alljährlichen Sommersitzung der Fraktion vom 17. bis 19. August muss er überzeugen, indem er die politischen Ziele der Partei und den Weg dahin klar und deutlich formuliert.

Affäre um Waffenkauf

Und als ob das alles noch nicht genug ist, erwartet ihn eine richtige unangenehme und penible Affäre. Im Januar drückte er im Eilverfahren den Kauf von Waffensystemen vom israelischen Rüstungskonzern Elbit durch das Folketing. Wie das Medium „Altinget“ aufgedeckt hat, hat er dem Folketing mangelhafte beziehungsweise fehlerhafte Informationen über den milliardenschweren Kauf zukommen lassen.

Die Opposition rechts und links der Regierung hat bereits während Ellemanns Abwesenheit kritische Fragen angekündigt, beschuldigen ihn, das Folketing falsch informiert zu haben. Auch hier wird es keine Schonfrist für Ellemann geben. Er wird viel Zeit auf die Angriffe aus der Opposition verwenden müssen – und die Parteien haben keinen Anlass, nicht hartnäckig zu bleiben.

Jakob Ellemann-Jensen schreibt auf Facebook, er freue sich darauf, sich auf die Aufgaben zu stürzen. Man kann ihm nur wünschen, dass die wiedergewonnenen Kräfte ausreichen.

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