Analyse
Buß- und Bettag: Die politischen Uhren ticken in Dänemark jetzt anders
Buß- und Bettag: Die politischen Uhren ticken in Dänemark jetzt anders
Buß- und Bettag: Die politischen Uhren ticken jetzt anders
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Die Auseinandersetzung um den Buß- und Bettag hat sich ungewohnt erbittert entwickelt. Es ist ein Symptom dafür, dass die Mehrheitsregierung über die Mitte hinweg die politische Landschaft verändert hat, lautet die Einschätzung von Walter Turnowsky.
Dieses Jahr wird das letzte werden, an dem wir den vierten Freitag nach Ostern als freien Tag mit warmen Weizenbrötchen (varme hvedere) feiern dürfen. Die Weizenbrötchen wird es möglicherweise auch noch im kommenden Jahr geben, aber der freie Tag verschwindet.
Am Dienstag hat eine Mehrheit im Folketing, bestehend aus den drei Regierungsparteien und den Radikalen, beschlossen, den Buß- und Bettag abzuschaffen. Der Plenarsaal war während der abschließenden Debatte ungewöhnlich voll; bei den meisten Gesetzesanträgen ist er eher halb bis zu Zweidritteln leer. Sogar Umweltminister Magnus Heunicke (Soz.) hatte eine Dienstreise abgesagt, um dabei sein zu können.
Absprache aufgekündigt
Dies tat er nicht, weil er in dieser Frage etwas Entscheidendes zu sagen hatte, sondern weil die politischen Uhren – wie die Überschrift besagt – seit dem 15. Dezember anders ticken. Üblicherweise gibt es unter den Parteien eine Absprache: Wenn eine oder einer fehlt, enthält sich eine Parlamentarierin oder ein Parlamentarier von der Gegenseite der Stimme. Clearingabsprache heißt das in der Christiansborg-Sprache.
Doch am Freitag teilten fünf Oppositionsparteien mit, dass sie die Clearingabsprache für diese Debatte aufkündigen – ein ungewöhnlicher und aggressiver Schritt. Die Regierung konterte umgehend: Dann muss Minister Heunicke zu Hause bleiben, und ihr seid schuld. Der Witz dabei: Zwei Oppositionsparteien, die Konservativen und die Liberale Allianz, hielten an der Clearingabsprache fest. Die Mehrheit stand also fest, auch wenn der Umweltminister nicht an der Abstimmung teilgenommen hätte.
Stabilität durch mehrjährige Absprachen
Das Agieren der Oppositionsparteien wie der Regierungsparteien zeigt, dass die Bildung der SVM-Regierung das politische Geschehen in Dänemark verändert hat. Wir sind Mehrheitsregierungen nicht gewohnt, und schon gar nicht über die Mitte hinweg. Daher sind wechselnde Regierungen immer gezwungen gewesen, sich ihre Mehrheiten zu suchen. Das hat zu einem sehr pragmatischen Parlamentarismus geführt.
Die politische Stabilität in einem System mit Minderheitenregierungen wurde dadurch garantiert, dass in entscheidenden Sektoren wie Schulen, Polizei, Verteidigung und Steuern mehrjährige Absprachen (forlig) vereinbart wurden – in den meisten Fällen von einer breiten Mehrheit getragen. Sie hatten auch nach einem Regierungswechsel Bestand.
Volksabstimmung und Drohungen
Dieser Pragmatismus ist – zumindest momentan – durch eine wesentlich härtere, man kann auch sagen schrillere, politische Auseinandersetzung ersetzt worden.
Die Aufkündigung der Clearingabsprache ist nicht das einzige Beispiel dafür. Einige Oppositionsparteien haben vergeblich versucht, eine Volksabstimmung über den Buß- und Bettag herbeizuführen. Auf der Seite der Regierung hatte der Venstre-Vorsitzende gedroht, nur wer der Abschaffung zustimmt, kann an den Verhandlungen über eine neue Verteidigungsabsprache teilnehmen. Er musste die Drohung jedoch wieder zurücknehmen.
Ein weiteres Beispiel ist, dass die Regierung einige der mehrjährigen Absprachen aufgekündigt hat, da es ja nun eine andere Mehrheit gebe. Es gehört zu den ungeschriebenen Regeln, dass Parteien diese Absprachen nur kündigen, wenn sie das vor einer Wahl angekündigt haben.
Langfristige Reformen gefährdet
Zieht die Regierung neue Absprachen nur mit ihrer eigenen knappen Mehrheit durch, besteht das Risiko, dass eine eventuelle neue Mehrheit diese nach einer Wahl kippen wird.
Ein Argument für die Mehrheitsregierung über die Mitte hinweg war, dass sie langfristige Reformen durchführen und Stabilität garantieren könne. Die Ironie ist, dass das Gegenteil das Ergebnis werden könnte. Nach der kommenden Wahl kann alles wieder umgekrempelt werden.
Das war auch der Grund, weshalb Ellemann in der Frage der Verteidigungsverhandlungen den Rückzieher machen musste. Denn gerade in diesen Zeiten brauchen die Streitkräfte eine langfristige, mehrjährige und vor allem gesicherte Absprache, die von einer breiten Mehrheit getragen wird. Ob auch bei anderen Fragen am Ende der Inhalt über das politische Taktieren gewinnen wird, müssen die kommenden drei Jahre zeigen.