Diese Woche in Kopenhagen
„Der Tag, an dem nicht mehr gebetet werden soll“
Der Tag, an dem nicht mehr gebetet werden soll
Der Tag, an dem nicht mehr gebetet werden soll
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Viel Aufregung um relativ wenig. So sieht Walter Turnowsky die Debatte über die Abschaffung des Buß- und Bettages. Was der Intensität der weiteren Diskussion seiner Ansicht nach keinen Abbruch tun wird.
„Wenn et bedde sich lohne däät, wat meinste wohl, wat ich dann bedde däät“, sang bereits 1982 die Kölner Band BAP. Vielen Menschen dürfte es wohl ähnlich gehen wie Frontmann Wolfgang Niedecken. Jedenfalls ist das Beten etwas außer Mode gekommen. Auch ich erinnere mich nicht daran, wann ich das letzte Mal gebetet habe – höchstens beim Weihnachtsgottesdienst höflich beim Vaterunser mitgemurmelt. Nun bin ich allerdings auch bei keinem religiösen Verein dabei.
Doch auch von jenen, die noch Mitgliedsbeitrag oder Kirchensteuer zahlen, erscheinen die wenigsten allsonntäglich zum Beten in der Kirche. Umso mehr kann es verwundern, welche Aufregung die von der Regierung geplante Abschaffung des Buß- und Bettages (auf Dänisch: der Große Bettag) verursacht.
Kleine Probleme gleich große Diskussionen
Aber vielleicht ist es dann doch nicht so verwunderlich, denn die Frage hat all das, was zu einer schönen, lebhaften politischen Debatte dazugehört. Sie ist einfach zu verstehen, jeder kann leicht mitpolemisieren, es wird jemandem (uns allen) etwas weggenommen und – sie ist deutlich weniger bedeutsam als die wirklichen Probleme unserer Zeit.
Denn: Wie bereits eingangs angedeutet, wird es auf das Beten im Lande kaum Einfluss haben. Die Summe der Gebete wird gleich gering bleiben. Es wird auch nicht so sein, und das traue ich mich auch ohne eine langjährige Psychologie-Ausbildung zu sagen, dass wir alle vor Stress umfallen, weil man uns den einen Feiertag wegnimmt. Das entspricht einer täglichen Mehrarbeitszeit von weniger als zweieinhalb Minuten – Stress hat andere Ursachen.
Die Aufregung wächst
Donnerstag teilte die Regierung dann mit, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 0,45 Prozent mehr in die Lohntüte bekommen sollen, um sie für den Extra-Arbeitstag zu entschädigen. Das hat die Aufregung nicht gerade gemindert. Die Gewerkschaften sehen das dänische Arbeitsmarktmodell unter Beschuss. Doch auch hier wage ich – obwohl nicht Arbeitsmarktforscher – zu prognostizieren: Es wird es überleben.
Zur Aufregung hat weiter beigetragen, dass die Mehrheitsregierung sagt, wer den Buß- und Bettag nicht abschaffen will, darf bei den Verhandlungen über eine neue Verteidigungsabsprache nicht mitspielen. Die perfekte Steilvorlage für die Konservativen und die Volkssozialisten, um gegen die Regierung zu poltern. Wie schön, dass man sich profilieren darf, wenn es schon mit dem Mitregieren nicht geklappt hat.
Freizeit ist Gold wert
Laut Finanzministerium fließen 3,2 Milliarden Kronen an Extra-Steuereinnahmen in die Staatskasse, wenn wir alle einen Tag mehr arbeiten. Der Chef der Wirtschafsweisen, Carl-Johan Dalgaard, glaubt nicht so recht daran. Nach seinen Erkenntnissen holen wir uns die verlorene Freizeit über kurz oder lang auf andere Weise wieder zurück.
Sie, also die Freizeit, ist uns in den wohlhabenden Gesellschaften eben Gold wert – oder zumindest mehr als 0,45 Prozent extra Lohn. Was wiederum heißt, dass – und um das zu durchschauen, muss man nicht unbedingt ein Weiser sein; ein wenig gesunder Menschenverstand reicht schon – auch die Feiertagsabschaffungsvorkämpferinnen und -vorkämpfer die Bedeutung ein kleines bisschen übertreiben.
Zaubermittel Feiertags-Abschaffung
Die Oberabschaffungsvorkämpferin Mette Frederiksen hatte bereits in ihrer Neujahrsansprache ihr Schlachtross gesattelt, um gegen den Buß- und Bettag anzureiten. Solange es den Tag gäbe, kein Extra-Geld für die Verteidigung, das Klima, die Gesundheit und die Psychiatrie. Ziele, die sich die SMV-Regierung auf ihre Fahnen, beziehungsweise in ihr Regierungsprogramm geschrieben hat. Wenn sich all diese Probleme tatsächlich mit einem Feiertag weniger lösen ließen, ich würde mich sofort neben Mette auf ein Ross schwingen.
Schöne Ablenkung von ernsten Problemen
Einen Vorteil hat die Debatte jedoch: Sie lenkt davon ab, wie kompliziert es tatsächlich ist, diese Probleme in den Griff zu bekommen. Meine Kollegin Marle Liebelt zeigte sich in dieser Woche ob der Debatte um die Klimaprobleme in einem Leitartikel verständlicherweise ein wenig müde. Da ist eine kleine Diskussion über den großen Bettag doch eine schöne Ablenkung.
Und das Beste dabei: Sie wird auch in den kommenden Wochen noch weitergehen, da brauchen wir noch nicht einmal zu beten. Allein die anstehende Tarifverhandlung und die Beratung des Gesetzesantrages sind die besten Garanten dafür.
Und was ist mit den Rechten?
Jetzt kam ich gar nicht mehr dazu, über den Rücktritt von Pernille Vermund als Vorsitzende der Neuen Bürgerlichen zu schreiben. Aber die Unterhaltung durch die Spielchen am rechten Rand – da brauchen wir ebenfalls nicht zu beten – wird uns erhalten bleiben. Also für die kommende Woche in Kopenhagen schon einmal mit Popcorn eindecken.