Kopenhagen

Ein zu graues Fahrradparadies

Ein zu graues Fahrradparadies

Ein zu graues Fahrradparadies

Malte Cilsik
Kopenhagen/Apenrade
Zuletzt aktualisiert um:
Grün sucht man vielerorts vergeblich in Kopenhagens Straßen. Foto: Malte Cilsik

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Welche Stadt ist grüner: Kopenhagen oder Dortmund? Nach einer neuen Studie ist die Antwort ebenso eindeutig wie vielleicht überraschend. Es ist Dortmund. Denn obwohl die „Grüne Hauptstadt Europas 2014“ auf Seeland ein Vorreiter bei der Verkehrswende ist, nehmen Naturflächen noch zu wenig Raum ein. Wortwörtlich.

Man durchschreitet das Tor einer schmalen, etwa menschengroßen Mauer und befindet sich in einer anderen Welt. Die Luft ist kühler, wirkt frischer und zwischendurch kann man sogar das Zwitschern einiger Vögel vernehmen. Zwischendurch, da sonst spielende Kinder, Gelächter und ausgelassene Gespräche die Geräuschkulisse bestimmen.

Grüne Oasen wie Ørstedsparken im Zentrum von Kopenhagen ziehen nicht nur bei gutem Wetter die Menschen an – dann aber besonders. Nirgendwo sonst kann man dem buchstäblich grauen Stadtalltag besser entgehen als in diesen Enklaven der Natur.

Grüne Oasen wie Ørstedsparken haben an warmen Sommertagen eine große Anziehungskraft. Foto: Malte Cilsik

Im Optimalfall gibt es dort noch einen Teich oder Bach, wie in Ørstedsparken. Zumindest das ist in Kopenhagen keine Seltenheit. Denn bei den Grünflächen sieht die Situation etwas anders aus – besonders im Vergleich mit anderen Metropolen weltweit.

Auch die exotischeren Pflanzen im Botanischen Garten sind ein wahrer Touristenmagnet. Foto: Malte Cilsik

Husqvarna Urban Green Space Index (HUGSI)

Das Start-up „Overstory“ mit Sitz in den Niederlanden und den USA hat Satellitenbilder von 155 Städten aus 60 Ländern mithilfe Künstlicher Intelligenz ausgewertet: HUGSI Green Ranking

Dabei hat es mehrere Parameter einbezogen. „Overstory“ kann anhand von Satellitenbildern nicht nur die Art der Grünfläche, etwa Bäume oder Gras, erkennen, sondern auch die einzelnen Baumarten und ihren Zustand. Eine multiplikative Art der Berechnung soll sicherstellen, dass Städte mit hohen Werten für mehrere Faktoren besser gewertet werden als Städte mit einem sehr hohen Wert für einen einzelnen Faktor.

Wichtig zu wissen: Betrachtet werden nur urbane Gebiete, also Bereiche, in denen auch Menschen wohnen und arbeiten. So fließt beispielsweise das Landschaftsschutzgebiet Kalvebod Fælled auf der Insel Amager nicht mehr in die Analyse mit ein. Aber diese Kriterien gelten natürlich für alle betrachteten Städte gleichermaßen.

Weltweit nur Mittelmaß

Kopenhagen, das sind: 1.000 Kilometer Radwege, davon allein 200 Kilometer Radschnellwege, nicht zu vergessen die speziellen Radfahrbrücken. Bezahlt von einem städtischen Jahresbudget von 13,5 Millionen Euro allein für den Ausbau der Radinfrastruktur. Nicht verwunderlich, dass sich inzwischen fast jeder zweite Kopenhagener in der Innenstadt mit dem Fahrrad fortbewegt.

Doch im HUGSI Green Ranking des niederländisch-amerikanischen Start-ups „Overstory“ belegt das Fahrradparadies nur Rang 96 von 155 – unteres Mittelfeld. Nur bei 32 Prozent der urbanen Fläche Kopenhagens handelt es sich um Grünflächen.

Zum Vergleich: In der Ruhrgebietsstadt Dortmund sind es mit rund 63 Prozent fast doppelt so viel. Das ist Platz vier weltweit.

Das HUGSI Green Ranking analysiert nur die reine Wohnfläche – umgebende Naturgebiete bleiben außen vor. Dunkelgrüne Zellen sind Bäume, hellgrüne Gras und blaue Zellen Wasser. Foto: HUGSI

Verfehlungen der Vergangenheit

Geht es nach Knud Erik Hansen, dem Vorsitzenden des dänischen Naturschutzbundes Kopenhagen, einem pensionierten Stadtplaner, zeigen sich darin die Versäumnisse der jüngsten drei Dekaden. „Kopenhagen hat in den vergangenen 30 Jahren mit dem Umbau vieler Industrie- und Hafengebiete eine große Transformation durchlaufen. Leider sind dabei fast ausschließlich Büros und Häuser entstanden. Dort gibt es keine Grünflächen.“

An das ambitionierte Ziel der Hauptstadt, bis 2025 klimaneutral zu sein, glaubt er daher auch nicht. Dennoch habe in der Bevölkerung vor allem in den vergangenen fünf Jahren ein Umdenken stattgefunden, was sich auch zunehmend auf die Politik auswirkt.

„Ich bringe immer gerne das Beispiel Amager Fælled. Nachdem dort bereits 2017 ein großes Bauvorhaben verhindert wurde, entstanden 2018 alternative Pläne. Wir von der Naturschutzbehörde starteten einen Spendenaufruf, und in nur 29 Stunden hatten wir die nötigen 2 Millionen Kronen zusammen, um den Bauprozess zu verzögern. Es gibt aber bis heute noch keinen finalen Beschluss.“

Die Natur in Amager Fælled grenzt direkt an Kopenhagen. Auch hier gibt es Pläne für Bauvorhaben – die Verhandlungen laufen noch. Foto: Malte Cilsik

Dabei drängen solche Entscheidungen und könnten richtungsweisend sein, wenn es nach Hansen geht. Allein um angesichts des Bevölkerungswachstums die Grünfläche pro Kopf auf das Niveau von vor zehn Jahren zu bringen, bräuchte es schon 360 Hektar zusätzliche Grünflächen.

Auch beim Verkehr ist nicht alles Gold, was glänzt

Lasse Schelde gehört mit seinem Beratungsbüro „Moving Spaces“ zu den Fahrradbotschaftern Kopenhagens.

2019 monierte er noch gegenüber dem „Deutschlandfunk“: „Kopenhagen arbeitet gegenüber den Autofahrern nur mit dem Zuckerbrot, aber nicht mit der Peitsche.“ Auf Anfrage des „Nordschleswigers“ konstatierte er nun immerhin, dass die Parkgebühren für Autos in der Innenstadt mit mittlerweile rund 1000 Kronen aufwärts seit damals teurer geworden sind und der neue Oberbürgermeister ein Drittel aller Parkplätze abschaffen möchte.

„Es gibt also endlich einen politischen Impuls, etwas zu ändern.“ Daher zeigt er sich gespannt, wie viele Stellflächen nach der Wahl tatsächlich weggenommen werden. Sicher ist er sich aber, dass etwas passieren wird.

Innerhalb Kopenhagens sind die wenigsten auf ein Auto angewiesen, im Umland sieht die Situation allerdings anders aus. Foto: Malte Cilsik

Auch Knud Erik Hansen warnt vor dem zweischneidigen Schwert der Kopenhagener Verkehrspolitik.

„Zweifellos ist die Mobilität in der Kopenhagener Innenstadt sehr fortschrittlich. Fast alle nutzen das Fahrrad. Problematisch wird es hingegen mit Blick ins Umland. Viele müssen von dort mit dem Auto in die Stadt pendeln. Wir brauchen dringend eine bessere Anbindung dieser Orte.“

Denn weniger Raum für Parkplätze und den Autoverkehr bedeutet mehr Platz für Grünflächen. Und damit auch für die Erholung, zum Abschalten und die Reduktion der Emissionen.

Bei weniger Parkplätzen könnten mehr kleine Grünflächen wie Kongens Nytorv das graue Stadtbild auflockern. Foto: Malte Cilsik
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