Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew
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Der zehnjährige Vova Tanyuk (r) legt im Hof seines Hauses einen Orangensaft auf das Grab seiner Mutter Ira Tanyuk, die an den Folgen von Hunger und der Belastung durch den Krieg gestorben ist. Foto: Rodrigo Abd/AP/dpa

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Die Gräueltaten von Butscha beschäftigen den UN-Sicherheitsrat. Der ukrainische Präsident Selenskyj befürchtet, dass Butscha dabei nur «eines von vielen Beispielen» sei. Die Entwicklungen im Überblick.

Die Bilder aus Butscha, wo nach dem Abzug russischer Truppen zahlreiche Leichen auf den Straßen gefunden wurden, hatten am Wochenende Entsetzen ausgelöst.

Die Gräueltaten an Bewohnern der Stadt sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kein Einzelfall. «Die Welt hat jetzt gesehen, was Russland in Butscha getan hat, aber die Welt hat noch nicht gesehen, was sie in anderen besetzten Städten und Regionen unseres Landes getan haben», sagte der per Video zugeschaltete Selenskyj am Dienstag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.

«Butscha ist leider nur eines von vielen Beispielen dafür, was die Besatzer getan haben», sagte der ukrainische Präsident weiter. Es sei nicht anders als die Handlungen von anderen Terroristen und handele sich um die schlimmsten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg. Russland müsse dafür zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Selenskyi, der dem Sicherheitsrat auch ein Video mit aneinandergereihten Fotos von Gräueltaten zeigte und die Verbrechen detailliert beschrieb.

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja sprach bei der Sitzung des Sicherheitsrats am Dienstag erneut von «unbegründeten Anschuldigungen» gegen das russische Militär, die «von keinerlei Augenzeugen» bestätigt worden seien.

Russische Behauptungen widerlegt

Videos und Satellitenbilder aus dem Kiewer Vorort Butscha widerlegen nach einer Analyse der «New York Times» Moskauer Behauptungen, dass Leichen getöteter Zivilisten dort erst nach dem Abzug des russischen Militärs platziert worden seien. Satellitenaufnahmen zeigten, dass sich die Überreste mehrerer Menschen bereits Mitte März auf der Straße befanden, schrieb die Zeitung.

Nach Erkenntnissen des US-Verteidigungsministeriums sind die russischen Streitkräfte für die Verbrechen in Butscha verantwortlich. «Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich - nicht nur für uns, sondern für die Welt - dass russische Kräfte für die Gräueltaten in Butscha verantwortlich sind», sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Nach Großbritannien forderten auch die USA, Russland aus dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auszuschließen.

Blinken: Gräueltaten waren «vorsätzlich»

US-Außenminister Antony Blinken bezeichnete die verübten Gräueltaten als eine «vorsätzliche Aktion». Es handle sich nicht um eine «willkürliche Tat einer außer Kontrolle geratenen Einheit», sagte er am Dienstag vor dem Abflug nach Brüssel zum Nato-Außenministertreffen. «Es ist eine bewusste Aktion, um zu töten, zu foltern, zu vergewaltigen und Gräueltaten zu begehen», so Blinken weiter. Die Berichte seien «mehr als glaubwürdig». «Die Beweise sind für die Weltöffentlichkeit sichtbar», sagte Blinken.

US-Präsident Joe Biden hatte am Montag gefordert, den russischen Staatschef Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen.

7000 Meldungen über russische Kriegsverbrechen

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft verzeichnete nach eigenen Angaben mehr als 7000 Meldungen über russische Kriegsverbrechen in der Region um die Hauptstadt Kiew. Die meisten Opfer habe es in Borodjanka gegeben, sagte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa der Agentur Unian zufolge. «Ich denke, wir werden gesondert über Borodjanka sprechen.»

Von der Leyen reist nach Kiew mit Borrell

Von der Leyen soll bei der Reise nach Kiew vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell begleitet werden, teilte ihr Sprecher bei Twitter mit. Das Treffen werde vor der für Samstag geplanten Geberkonferenz in Warschau stattfinden, bei der Geld für die Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen des Ukraine-Kriegs gesammelt werden soll.

Nach Deutschland und Frankreich weisen weitere europäische Länder Dutzende russische Diplomaten aus. Dänemark verwies am Dienstag 15 Personen des Landes, Italien 30 Botschaftsangehörige und erklärte dies mit Fragen der nationalen Sicherheit.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die Bundesregierung auf, die Ukraine mit weiteren Waffenlieferungen zu unterstützen. «Die Bilder aus Butscha treffen in Mark und Knochen und zeigen einen unbeschreibbaren Zivilisationsbruch Russlands», sagte Dobrindt der «Augsburger Allgemeinen». «Es braucht jetzt eine weitere Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine mit Waffen, geschützten Fahrzeugen und Aufklärungstechnik mit Drohnen, die nicht nur von der Bundeswehr, sondern auch aus der Industrie heraus geliefert werden müssen.»

Ukraine erwartet schwere Angriffe auf Charkiw

Das ukrainische Verteidigungsministerium rechnet mit weiteren russischen Angriffen auf die belagerte Millionenstadt Charkiw im Osten der Ukraine. Russische Truppen bereiteten sich darauf vor, die Stadt zu erobern, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kiew, Olexander Motusjanyk, nach Angaben der «Ukrajinska Prawda». Auch in anderen Gebieten im Osten der Ukraine erhielten russische Truppen Verstärkung.

Brennender Frachter in Mariupol sinkt

Im Hafen der umkämpften Stadt Mariupol ist nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzes ein ausländisches Frachtschiff in Brand geraten. Das Schiff sinke, teilte die Behörde mit. Das Feuer auf der «Azburg» sei durch russischen Besсhuss ausgelöst worden. Der Kapitän des 130 Meter langen Frachters habe einen Notruf abgesetzt, weil es im Maschinenraum und auf der Brücke brenne. Die Besatzung, darunter einige Verletzte, sei von Bord geholt worden. Wegen des Feuers sei es aber unmöglich, das sinkende Schiff zu retten, hieß es.

Die prorussischen Separatisten im Gebiet Donezk bestätigten den Brand des Schiffes, das unter der Flagge des karibischen Inselstaates Dominica fährt. Ein Sprecher machte aber die ukrainische Seite für das Feuer verantwortlich: Angesichts ihrer drohenden Niederlage zerstöre sie die Hafenanlagen und ausländische Schiffe. Die Besatzung der «Azburg» habe aus zwölf Ukrainern bestanden, sagte Sprecher Eduard Bassurin der Agentur Interfax nach.

7,1 Millionen Menschen auf der Flucht

Die Zahl der Binnenvertriebenen in der Ukraine ist laut der Organisation für Migration (IOM) auf über 7,1 Millionen Menschen gestiegen. Die UN-Organisation gab die jüngste Schätzung am Dienstag in Genf bekannt. Vor zwei Wochen hatte die IOM noch von rund 6,5 Millionen Menschen gesprochen.

Die Zahl der Menschen, die seit Beginn der russischen Invasion aus der Ukraine ins Ausland geflüchtet sind, betrug laut den jüngsten Daten des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) 4,2 Millionen.

Selenskyj: Noch keine Klarheit zu Sicherheitsgarantien

Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gibt es noch keine Klarheit, welche Länder der Ukraine künftig ihre Sicherheit garantieren könnten. Dabei brauche die Ukraine keine 40 Partner, die auf Abruf bereit stünden, sagte Selenskyj in einem Interview mit ukrainischen Fernsehsendern am Dienstag in Kiew. «Wir brauchen ernsthafte Spieler, die zu allem bereit sind. Wir brauchen einen Kreis von Staaten, die bereit sind, innerhalb von 24 Stunden alle Waffen zu liefern. Wir brauchen einzelne Länder, von denen die Sanktionspolitik wirklich abhängt.»

In den Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Krieges fordert Kiew, dass mehrere Staaten künftig die Sicherheit der Ukraine garantieren. Nach Vorstellung von Selenskyj soll dies der Beistandsverpflichtung der Nato ähneln, in der die Ukraine aber nicht Mitglied ist. In diversen Vorschlägen sind die USA, Großbritannien, Polen, aber auch der jetzige Kriegsgegner Russland, die Türkei oder Deutschland als mögliche Garantiemächte genannt worden.

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