Schifffahrts-Ausstellung

Als Flensburg eine Tabak-Metropole war

Als Flensburg eine Tabak-Metropole war

Als Flensburg eine Tabak-Metropole war

Ove Jensen/shz.de
Flensburg
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Im Vordergrund eine blühende Tabakpflanze: links Susanne Grigull, Leiterin des Schifffahrtsmuseums, rechts Kerstin Meise, Museumspädagogin am Naturwissenschaftlichen Museum Flensburg. Foto: Ove Jensen

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Wichtiger als Rum: Das Schifffahrtsmuseum ruft ein fast vergessenes Stück Stadtgeschichte in Erinnerung.

In Kopenhagen rauchte man Zigarren aus Flensburg. Hier wurden jährlich bis zu 20 Millionen Zigarren hergestellt. Mitte des 19. Jahrhundert war die Tabakverarbeitung in Flensburg für kurze Zeit der wichtigste Wirtschaftszweig. „Das weiß heute so gut wie niemand mehr“, sagt Susanne Grigull, die Leiterin Schifffahrtsmuseums. Jetzt bringt sie dieses vergessene Stück Stadtgeschichte zurück ins Licht. Ab Sonntag ist in dem Museum an der Schiffbrücke die Ausstellung „Starker Toback – eine Kolonialware mit Spätfolgen“ zu sehen. Konzipiert hat Grigull sie zusammen mit Werner Barkemeyer, dem Leiter des Naturwissenschaftlichen Museums auf dem Museumsberg.

Wer möchte, darf sich sogar mitten im Ausstellungsraum im zweiten Stock des Museumsgebäudes eine Zigarette anzünden. Mitten im Raum steht eine einsatzbereite Raucherkabine, wie man sie zum Beispiel aus Flughäfen kennt. Mit ihr möchte Grigull sichtbar machen, welchen Bedeutungs- und Imagewandel der Tabak über die Jahrhunderte erlebt hat. Als die ersten Tabakblätter im 16. Jahrhundert nach Europa kamen, wurden sie als Heilpflanzen gepriesen.

Tabakanbau auch an der Ostsee

Dabei war der Tabak schon damals in erster Linie ein Genussmittel. Die ersten Hinweise auf seinen Konsum in Flensburg finden sich in Gerichtsakten aus den Jahren 1647 und 1648. Schon damals kam es zu Streitereien zwischen Rauchern und Nichtrauchern.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Tabakverarbeitung langsam zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig. Der Tabak kam gemeinsam mit dem – im städtischen Gedächtnis sehr viel präsenteren – Rum aus den dänischen Kolonien in der Karibik nach Flensburg.

Bestimmte besonders robuste Tabaksorten ließen sich aber auch im rauen Klima an der Ostsee anbauen. In den 1860er Jahren, als der Tabak-Boom an der Förde seinen Höhepunkt erlebte, stammte rund 40 Prozent des Rohstoffs aus der Region (zu großen Teilen aus Fredericia) und 60 Prozent aus Amerika.

Bedeutungsverlust nach 1864

Nach dem deutsch-dänischen Krieg 1864 war es bald vorbei mit der Zigarrenmetropole Flensburg. Die Stadt wurde deutsch. Das wichtigste Tabakunternehmerfamilie Petersen-Schmidt zog um ins weiterhin dänische Fredericia, um von dort aus den Kopenhagener Markt weiter bedienen zu können. Die verbliebenen Tabakproduzenten verloren bald den Anschluss an ihre Hamburger Konkurrenten, in die im industriellen Maßstab zu produzieren begannen.

Die Geschichte der Tabakmetropole Flensburg ist zu großen Teilen noch unerforscht. Für die Ausstellung stützt sich Susanne Grigull nicht zuletzt auf ein mehr als 70 Jahre altes und unveröffentlichtes Manuskript des damaligen Stadtarchivars Hans-Friedrich Schütt. Zeugnisse der Flensburger Tabakzeit, die nun in der Ausstellung zu sehen sind, sind nicht zuletzt Werbedrucke – die ältesten mehr als 200 Jahre alt.

Tabakstempel Matthias Koch, Ende des 18. Jahrhunderts. Foto: Stadtarchiv Flensburg

Auch wenn manches in der Ausstellung nostalgische Gefühle auslöst: Die dunkle Seite des Tabaks nimmt in ihr großen Raum ein. Dabei geht es nicht nur um die gesundheitlichen Gefahren des Nervengiftes Nikotin. Der Tabak aus der Karibik war Tauschware im Sklavenhandel, und in der Zigarrenproduktion in Flensburg mussten im 19. Jahrhundert schon kleine Kinder hart arbeiten.

Eine offizielle Ausstellungseröffnung gibt es unter Corona-Bedingungen nicht. Am Sonntag, 2. Mai, dem ersten Tag der Ausstellung, ist der Eintritt frei. Die Ausstellung „Starker Toback – eine Kolonialware mit Spätfolgen“ ist mindestens bis zum 15. August täglich außer montags von 11.30 bis 17 Uhr im Schifffahrtsmuseum zu sehen.

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