NDB-Schauspielerin
Doris Müller: Die Memoiren eines Duburg-Kinds
Doris Müller: Die Memoiren eines Duburg-Kinds
Doris Müller: Die Memoiren eines Duburg-Kinds
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Die 73-jährige Laiendarstellerin nutzte den Shutdown, um ihre Memoiren zu schreiben. 2020 war ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum.
„Start the day with a song” (Starte den Tag mit einem Lied): Fast so melodisch, wie es das hohe Holzschild im Garten ankündigt, begrüßt Doris Müller mit einem leicht plattdeutschen Akzent Besucher in ihrem Haus in Wanderup. Das rote Backsteinhaus fällt nicht nur durch das Schild auf, sondern auch die liebevoll gewählten Gartenfiguren und die vielen unterschiedlich großen Blumentöpfe. 1982 zog die 73-Jährige mit ihrer Partnerin von Flensburg nach Wanderup.
Sammeltick
Seit 40 Jahren ist die rüstige Duburgerin glücklich „verpartnert“, wie sie sagt. Früher war Müller verheiratet und lebte viele Jahre mit einem Mann zusammen, mit dem sie freundschaftlich verblieben ist, wie sie betont. Vielseitig erscheint die Einrichtung des Hauses: Vor der Küche befindet sich ein kleiner Raum, der einen Teil von Müllers Keramiksammlung beherbergt. An den Wänden hängen ungefähr 150 verschiedene Keramik-Bretter. Ihre Tante Herta schenkte ihr vor geraumer Zeit die ersten, wodurch ihr Sammeltick entstand, lacht die 73-Jährige, während sie auf zwei Bretter über dem Türrahmen deutet.
Bilder, Bücher und mehr
Dass Müller gerne sammelt, wird auch im „Wohnzimmer“ deutlich. An den Wänden befinden sich Landschaftsbilder in hellen Farben, die ohne Zweifel alle von der gleichen Künstlerin stammen; darauf lassen dieselben Farbtöne und das Kürzel schließen. Die Laiendarstellerin erwähnt freudig, dass die Bilder von ihrer talentierten Freundin stammen, der Künstlerin Ute Jessen-Stößer.
Auf einer Anrichte neben einem gut bestückten Bücherregel, in dem viele Romane und ein Ratgeber für Gärten stehen, thront eine kleine goldene Frosch-Figur neben einem Fernseher und Fotografien. Am Ende des Raums befindet sich der Durchgang zum Wintergarten, der eine direkte Verbindung zum Garten hat. Müller blickt durch das Fenster des Wintergartens in die sonnige Landschaft. Sie allein pflegt den Garten, berichtet sie stolz und deutet auf Beete, die sie im letzten Jahr angelegt hat.
Duburg-Kind
Auf einem kleinen Hochtisch im Wohnzimmer liegt die Druckvorlage ihres Buches, das die Schauspielerin während der Corona-Pandemie anfertigte. Unter dem Titel „Duburg-Kind“ hat die Schauspielerin ihre Memoiren niedergeschrieben. In dem 90-seitigen Buch beschreibt die Duburgerin, wie sie zu der wurde, die sie heute ist. In ihrem lässigen Pullover und den schwarzen Jeans wirkt die Laiendarstellerin gelassen. Sie hat eine offene Art, ist aufgeschlossen.
Die 73-Jährige rückt ihre Brille zurecht und schlägt eine Seite ihres Werkes auf. Man sieht schwarz-weiße Fotografien aus ihrer Heimat Duburg: „Die Wohnquartiere waren alles andere als hochherrschaftlich. Auf zweieinhalb Zimmern lebten teilweise sieben Personen. Meine Mutter hat mich bekommen, als sie 43 war. Meine Kindheit hat mich sehr geprägt“, sagt die Schauspielerin und hält sich kurz wie in Erinnerungen versunken die Hand an die Wange.
Meine großen Schwestern haben damals Theater gespielt und ich wollte das auch. An diesem Tag, als ich wie eine Petuhtante aussah, präsentierte ich mich meiner Tante Börna, die einen Kiosk hatte. Sie gab mir dann einen Kaugummi als Belohnung für das schöne Kostüm und meinte zu mir: „Du bist eine richtige Kaugummi kauende Petuhtante."
Doris Müller
Mit leuchtenden Augen beschreibt die Darstellerin ihre Mutter als herzensgute Frau, die alles für ihre Familie gemacht hat. Die Flensburgerin, die mit zwei Brüdern und zwei Schwestern aufwuchs, ist das Nesthäkchen. „Auch wenn wir nur wenig Geld hatten, hatte ich eine schöne Kindheit“, berichtet Müller.
Bereits im Kindesalter hatte die 73-Jährige eine Vorliebe fürs Verkleiden. Aus einem kleinen Stapel Fotos, die Müller von einer Anrichte holt, zieht sie ein altes Kinderfoto heraus. Auf dem Foto ist die Schauspielerin sechs Jahre alt und wie eine Petuhtante ganz in Schwarz und mit auffälligem Damenhut gekleidet. „Meine großen Schwestern haben damals Theater gespielt, und ich wollte das auch. An diesem Tag, als ich wie eine Petuhtante aussah, präsentierte ich mich meiner Tante Börner, die einen Laden hatte. Sie gab mir dann ein Kaugummi als Belohnung für das schöne Kostüm und meinte zu mir: „Du bist eine richtige Kaugummi kauende Petuhtante“ erinnert sich die 73-Jährige, während sie erneut ihr Foto betrachtet.
Gesang oder Schauspiel?
Schauspiel ist nicht die einzige Leidenschaft der Duburgerin. Mit vierzehn Jahren schloss sich Müller dem Chor der St. Nikolai-Kirche in Flensburg an. Wieder leuchten ihre Augen, als sie berichtet, wie viel ihr Musik bedeutet. Der Chor spielt für die Schauspielerin eine entscheidende Rolle in ihrem Leben, denn dort lernte sie ihre Partnerin kennen.
Ich habe damals wirklich weinen müssen, als ich beim Chor aufhörte.
Doris Müller
Damals befand sich die Duburgerin in einem Dilemma, als ihr eine Rolle an der Niederdeutschen Bühne angeboten wird. Für ihre Leidenschaften Gesang und Schauspiel musste sie viel üben und proben. Mit 19 Jahren erhielt Müller ihre erste große Rolle im Stück „Vergnögte Tankstell“ (Vergnügte Tankstelle). Schweren Herzen entschied sie sich in diesem Moment fürs Theater. „Ich habe damals wirklich weinen müssen, als ich beim Chor aufhörte“, sagt die Darstellerin mit trauriger Stimme und blickt ergriffen aus dem Fenster. Sie bereute die Entscheidung aber nicht, sagt sie bestimmt.
Niederdeutsch Bühne Flensburg
Bevor Doris Müller Laiendarstellerin wurde, arbeitete sie als Deutschlehrerin und führte elf Jahre einen kleinen „Krimskrams“-Laden, der unter dem Namen Höckerei bekannt war in der Marienstraße. An ihren schönsten Auftritt bei der Niederdeutschen Bühne in Flensburg erinnert sich die 73-Jährige noch genau und holt zur Veranschaulichung einen Bildband, der wie ein Theatermagazin aufgebaut ist. 2017 wurden Müller und ihre Partnerin zusammen 145 Jahre alt. Zu diesem Anlass mietete die Flensburgerin das Theater der Niederdeutschen Bühne.
Tratsch im Treppenhaus
Es war Müllers Herzenswunsch, so wie einst Schauspielerin Heidi Kabel, auch die Rolle der neugierigen Bewohnerin Meta Boldt im Stück „Sluderkraam in't Treppenhus“ (Tratsch im Treppenhaus) zu spielen. Wie, als würde Müller den Tag noch mal erleben, blättert sie durch den Bildband. Auf einem Foto stehen die Darstellerin und ihre Partnerin nebeneinander auf der Bühne und halten Händchen. „Wir sind so ein tolles Paar und Team. Sie besitzt das Nüchterne, was mir manchmal fehlt. Unser Geburtstag 2017 war einer der schönsten Momente in unserem Leben.“
Weniger Theater, mehr Lesungen
Nach diesem ereignisreichen Jahr beschloss Müller schauspielerisch kürzer zu treten. Zur Freude ihrer Partnerin gibt die 73-Jährige plattdeutsche Lesungen und fängt wieder an zu singen. Zusammen mit Sängerin Inge Lorenzen trat Müller auf und sang in einem Pop-Chor.
Wir sind so ein tolles Paar und Team. Sie besitzt das Nüchterne, was mir manchmal fehlt. Unser Geburtstag 2017 war einer der schönsten Momente in unserem Leben.
Doris Müller
„Alle geplanten Lesungen und Auftritte wurden mit Beginn der Pandemie sofort verschoben oder abgesagt“, sagt Müller mit trauriger Stimme. Deshalb beschloss Müller, ihre Memoiren aufzuschreiben. Ihre Partnerin half der Flensburgerin sehr bei dem Buch, berichtet sie und strahlt, so wie immer, wenn sie von ihr spricht. Müller faltet die Hände und runzelt die Stirn, als sie erläutert, wie ihre Memoiren entstanden: „Dass ich gut erzählen kann, merkt man bestimmt. Aber ich habe eine Schwäche. Ich kann nicht tippen. Alles, was am Computer geschieht, macht meine Partnerin. Ich habe dafür den grünen Daumen von uns beiden“, sagt die Flensburgerin und redet wie ein Wasserfall weiter.
25-jähriges Bühnenjubiläum
Das Theater fehlt während der Corona-Pandemie, seufzt die 73-Jährige. Im letzten Jahr wäre ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum gewesen. Anstatt zu feiern oder aufzutreten, war die Schauspielerin zu Hause und hat sich einfach einen schönen Tag mit ihrer Partnerin gemacht, sagt sie mit einem Lächeln. Die Zeit nach der Pandemie erwartet Doris Müller schon sehnsüchtig. „Ich bin gespannt, wie lange Corona anhält, aber dafür habe ich umso mehr Zeit mit meiner Partnerin. Wenn uns langweilig ist, singen wir gerne mal“, verrät sie lachend. Für die Verabschiedung begleitet die Darstellerin mich vor das Haus und fängt zu meiner Überraschung an, mit ruhiger Stimme „das Feierabendlied“ zu singen.