Gold im Kugelstoßen

Ogunleye als Inspiration: «Kommende Generationen ermutigen»

Ogunleye als Inspiration: «Kommende Generationen ermutigen»

Ogunleye als Inspiration: «Kommende Generationen ermutigen»

dpa
Saint-Denis
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Jubel mit der Trainerin: Yemisi Ogunleye. Foto: Michael Kappeler/dpa

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Gold und drei weitere Medaillen: Die deutschen Leichtathleten sind in Paris besser als in Tokio. Kugelstoßerin Ogunleye verzückt mit dem Olympiasieg. Ihr Weg ist beeindruckend - und soll inspirieren.

Nachdem die frisch gekürte Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye auf der Pressekonferenz als Sängerin verzückt hatte, stimmte sie mit einem Dauerlächeln große Worte an. Die Kugelstoßerin berichtete nach der kurzen Nacht von berührenden Nachrichten von ihrem Bruder und von einer guten Freundin, die «wie eine große Schwester ist». Deren Kinder fieberten am TV mit.

«Als ich gesehen habe, dass die Kleinen mich angefeuert haben und so begeistert waren, wusste ich, dass diese Medaille auch für die kommende Generation ist und sie ermutigen soll, an ihren Träumen festzuhalten. Egal, was auf dem Weg kommt», sagte die 25-Jährige. «Man kann Berge versetzen, wenn man den Glauben hat.» 

«Herz erfüllt mit Dankbarkeit»

Ogunleye, die bei der Pressekonferenz nach der Goldmedaille tief unten im Stade de France der Bitte nachkam, ihr Gesangstalent zu demonstrieren, ist sehr gläubig. Das brachte sie auch im Gospelsong zum Ausdruck, in dem sie Gott dankte. Es war das Lied, das sie nach eigenen Angaben während des beeindruckenden Wettkampfs gesungen hatte. 

«Mein Herz ist einfach nur erfüllt mit Dankbarkeit», sagte die Überraschungs-Olympiasiegerin. Nach dem Gold-Coup rannte sie in die Kurve und feierte mit Familie und Trainern. «Meine Familie hat in der ersten Reihe gesessen, dass sie den Moment miterlebt hat, war einfach unglaublich», schilderte sie die bewegenden Augenblicke bei ihren Liebsten, «alle habe ich erst mal in den Arm genommen und mit ihnen gemeinsam geweint. Einfach Tränen der Freude.» 

Gold nach 28 Jahren

Gold für Deutschland im Kugelstoßen - das hatte es seit Astrid Kumbernuss 1996 nicht mehr gegeben. Ogunleye ist die fünfte deutsche Frau, der der Olympiasieg in dieser Leichtathletik-Disziplin gelingt. «Das war völlig irre. Ich habe die halbe Nacht nicht geschlafen», sagte Kumbernuss der Deutschen Presse-Agentur. «Sie hat eine tolle Ausstrahlung und sieht sympathisch aus. Etwas Besseres kann dem Kugelstoßen in Deutschland nicht passieren.» 

Besser als in Tokio

Nach Silber für Zehnkämpfer Leo Neugebauer und Weitspringerin Malaika Mihambo sowie Bronze für die Sprint-Staffel der Frauen über 4x100 Meter sorgte Ogunleye in Saint-Denis für den ganz großen Glanz. In Tokio hatte es einmal Gold und zweimal Silber für Deutschlands Leichtathleten gegeben. «Weltmeisterschaften gehen irgendwann aus dem Kopf, aber ein Olympiasieg bleibt für immer», sagte Trainerin Iris Manke-Reimers der Deutschen Presse-Agentur. «Wir haben einen harten Weg zusammen zurückgelegt – aber es hat sich richtig gelohnt.»

Ogunleye begann als Turnerin, wurde dann aber zu groß. Nach dem Wechsel in den Mehrkampf verletzte sie sich schwer am Knie, man sah in ihr das Potenzial, eine gute Kugelstoßerin zu werden. Mit 14 Jahren kam sie an Krücken zu Manke-Reimers. Es dauerte lange, bis sie wieder eine Hallenrunde traben konnte. Später riss ihr das zweite Mal das Kreuzband. Doch Ogunleye überwand alle Widerstände. Auch dank ihres Glaubens.

Glaube und «dunkle Gedanken»

Den Weg dahin fand sie nicht auf Anhieb. Als junges Mädchen sei mit in die Kirche «geschleppt» worden, berichtete sie am Morgen nach ihrem Gold-Coup. Einst war sie Mobbing-Opfer, ihr wurde in Schule oder Kindergarten gesagt, sie könne nichts und werde nichts schaffen, berichtete sie mehrfach. In Zeiten von «dunklen Gedanken» und schwierigen Phasen begann ihre «Glaubensreise». «Es war wie eine stille Stimme, die durch die dunklen Gedanken gesprochen hat», sagte die 25-Jährige. Sie hoffe, Menschen Hoffnung und Freude geben zu können.

Ogunleye erlebte schon Rassismus gegen sie, auch hier half der Glaube. Ihr Vater stammt aus Nigeria, ihre Mutter ist Deutsche. Sie selbst ist in Deutschland geboren, kommt aus Belheim in der Pfalz. Und sie ist «stolz, ein Mischling zu sein», wie sie nach Platz zwei bei der Hallen-WM in diesem Jahr sagte. EM-Bronze kam im Juni in Rom dazu. «Sie hat in diesem Jahr einen kompletten Medaillensatz gewonnen. Das ist unglaublich», sagte die Trainerin.

«Gott, du hast es echt einfach getan»

Vor dem finalen Versuch, bei dem sie die Siegesweite von 20,00 Metern stieß, wandte sich die gläubige Leichtathletin an Gott. «Ich stand im Ring und ich wusste, das wird jetzt passieren. Und habe einfach gesagt: Gott, geh du mit mir in den Ring und gib mir die Kraft und den nötigen Mut», sagte Ogunleye. «Als ich dann gesehen habe, dass die Kugel auf der 20-Meter-Linie gelandet ist, das war einfach ein Moment, in dem ich so schockiert war. Gott, du hast es echt einfach getan.»

Silbermedaillengewinnerin Maddison-Lee Wesche aus Neuseeland und die Drittplatzierte Song Jiayun aus China wirken neben Ogunleye weitaus wuchtiger. Diese verdankt dem Olympiasieg auch der Drehstoßtechnik. «Ich habe früher geturnt und mir dadurch ein gewisses Körpergefühl angeeignet», sagte sie. Ihre Körperlänge und die langen Arme helfen ihr. «Ich bin musikalisch, Rhythmusgefühl habe ich auch. Und ich habe die Größe, Hebel und die Schnellkraft, die man fürs Drehstoßen braucht.»

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