Reportage

Autovermietung in Flensburg: Es fehlen die Dänen

Autovermietung in Flensburg: Es fehlen die Dänen

Autovermietung in Flensburg: Es fehlen die Dänen

Lisa Bohlander/shz.de
Flensburg
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Saugen, Waschen, Desinfizieren: Servicemitarbeiter Mika Sörensen kümmert sich in der Autovermietung um die Sauberkeit der Fahrzeuge. Foto: Michael Staudt

Reservieren, Auto abholen, losfahren? Ein Vormittag in einer Flensburger Autovermietung zeigt, was drum herum passiert.

Die Glastür fällt ins Schloss, das Telefon klingelt, ein Kunde stürmt mit erhobenem Autoschlüssel in der Hand an einen der Tresen. Er trägt bloß eine dünne Sweatjacke – vielleicht liegt sein Mantel noch im Wagen? Vor zwei aufeinandergestapelten Pappkartons stoppt er abrupt – sie sorgen für den nötigen Abstand und schirmen ihn zusammen mit einer Plexiglasscheibe von Mirco Hinrichsen ab.

Foto: Lisa Bohlander

„Europcar Autovermietung in Flensburg, Hintze“, meldet sich Nicole Hintze zwei Arbeitsplätze weiter mit gewohnter Professionalität am Telefon. Während sie mit dem Kunden am anderen Ende der Leitung redet – „Nein, ein Vertrag ist nicht das Gleiche wie ein Kundenkonto“ – blickt Hinrichsen vom Bildschirm auf, als ihn der energische Kunde anspricht. „Die Scheibenwischanlage funktioniert nicht“, sagt er gehetzt und deutet mit dem Autoschlüssel über seine Schulter in Richtung Parkplatz. „So will ich nicht weiterfahren, das ist mir zu riskant.“

Hinrichsen sucht schnell den Vertrag raus, während der Mann nervös von einem Fuß auf den anderen tritt und sich umschaut. Sein Blick bleibt an einem der großen roten Punkte, dem Buchbinderlogo, auf der grasgrünen Wandverkleidung mit den schnittigen gelben Streifen im Büro hängen. Seit Anfang Januar teilen sich Europcar und Buchbinder die Filiale Zur Bleiche 51 in Flensburg.

Umgezogen wird am Monatsende

Vom Kleinwagen über SUV, Transporter und Lkw bekommt man hier wie im Großteil der Welt – die Europcar Mobility Group ist in 140 Ländern vertreten – jeglichen fahrbaren Untersatz, den man möchte. Bis auf den aufgebrachten Mann ist gerade wenig los, „aber wir hatten schon Vermietungen heute morgen, von halb acht bis neun Uhr ist Stoßzeit“, sagt Hinrichsen, Location Manager in Flensburg. Es sei ein stark variierendes Geschäft – vor allem montags und freitags sei viel los. Generell gilt das bei den Pkw für die Ferienzeiten, bei Transportern vor allem Ende des Monats, „da ziehen mehr Menschen um.“

Das vergangene Jahr hat auch bei dem börsennotierten Pariser Unternehmen Spuren hinterlassen. Geschäftsreisen fallen größtenteils weg, der Reiseverkehr ist seit Monaten eingeschränkt. Etwas abfedern können das Pendler, die auf Individualverkehr statt auf öffentliche Busse und Bahnen setzen, und Logistiker, die durch die gute Auftragslage mehr Transporter benötigen.

 „Durch die dänische Grenze haben wir eine besondere Situation hier in Flensburg“, sagt Hinrichsen. Vor der Pandemie kamen sie mit ihren eigenen vollgepackten Wagen über die Grenze, mieteten in der Filiale ein Mietauto und düsten damit in den Süden – in den Sommerurlaub, in den Skiurlaub. Ihre Pkw standen so lange auf den Parkplätzen der Autovermietung.

Wir hoffen, dass unsere Dänen wiederkommen.

Mirco Hinrichsen, Location Manager

Sie wollen auch – davon zeugen die zahlreichen Reservierungen weiter im Voraus.

Nach dem Papierkram nimmt Hinrichsen einen Autoschlüssel vom Schlüsselbrett, gemeinsam mit dem Kunden geht er hinaus zu einem Ersatzwagen. Auf dem großen Vorplatz mit lauter Autos, Transportern und Lkw wehen verschiedene Fahnen im kalten Wind, durch ein schweres vergittertes Eisentor geht es auf einen weiteren Hof mit noch mehr Autos. Sie stehen in einem Pulk mitten in der Mitte. Geradeaus liegt die Autovermietung Enterprise, links in dem Flachbau mit braunen Fenstern und ockergelben Ziegelsteinen das Büro. Hier am Rande des Industriegebiets, am Rande der Stadt, ist die Westtangente und damit die Anbindung zur A7 nur einen Steinwurf entfernt.

Foto: Lisa Bohlander

Der Mann öffnet die Fahrertür, das Siegel bricht – es dient den Kunden derzeit als Nachweis, dass das Auto desinfiziert und seitdem von niemand anderem benutzt wurde. Sicherheitshalber testet der Mann die Scheibenwischanlage. Funktioniert. Nun kann es für ihn Richtung Nordfriesland gehen. Hinrichsen wirft einen kurzen Blick auf den Pkw, mit dem der Mann auf den Hof kam. „Wahrscheinlich ist‘s ein technischer Fehler“, kommentiert er ob der frostigen Minusgrade, und übergibt den Schlüssel direkt an seinen Kollegen Mika Sörensen. Er soll den Wagen später in eine der Werkstätten um die Ecke bringen.

Autowäsche am verlassenen Standort

Sörensen hat sich gerade einen anderen Schlüssel von der Wand geschnappt – ein Skoda Karoq. Er steigt lässig  ein, startet ebenso lässig den Motor. Vom Hof geht es vorbei an der Sixt-Autovermietung und den Autohäusern in der Liebigstraße, vorbei am Baumarkt und der Kfz-Zulassungsstelle. Am ehemaligen Buchbinderstandort in der Rudolf-Diesel-Straße weist ein Plakat auf den Standortwechsel hin – hier werden Autos nur noch gewaschen, nicht mehr vermietet.

Im Hinterhof steht ein klobiger grauer Kasten mit Rolltor. Dahinter befindet sich alles, was es für eine handliche Autowäsche braucht: eine weiche Bürste an einem Besenstiel, eine weiche Bürste an einem noch längeren Besenstiel („für die Lkw“, sagt Sörensen), ein Hochdruckreiniger, ein Industriestaubsauger, verschiedene Gießkannen, Kanister und Eimer mit Putzwasser. Sörensen steuert den Wagen in die Halle und legt los: Motorhaube auf, Flüssigkeiten auffüllen, Motorhaube zu. Der junge Mann holt den wendigen Staubsauger ran und saugt Zentimeter für Zentimeter des Wagens aus: Kofferraum, Sitze, Fußräume. „Da sehen wir teilweise Sachen…“, sagt sein Kollege Hinrichsen. Hundehaare, die seien besonders schwierig zu entfernen.

Foto: Michael Staudt

Sörensen ist seit knapp zwei Jahren Servicemitarbeiter bei Buchbinder, eigentlich studiert er Mathematik und Sport. Es sei einer von zwei Jobs, mit dem er sich das Studium finanziere, sagt der 22-Jährige. Er schnappt sich die weiche Bürste mit dem kürzeren Stiel, sie steht in einem Bottich mit reichlich Wischwasser: einmal rund herum um das Auto schrubbt er drauf los. Dann noch den Schaum mit dem Hochdruckreiniger wegspritzen – fertig. „Hoffentlich frieren die Türen nicht zu“, sagt er mit einem Augenzwinkern und blickt hinaus in den verschneiten Hof. Vorbei an den Autohäusern und Werkstätten geht es wieder zur Filiale.

Deutlich länger als Sörensen arbeitet Location Managerin Nicole Hintze in der Autovermietung. Seit 1994 nimmt sie hier Reservierungen an, schreibt Mietverträge, vermittelt Kunden ihr Wunschauto. Sie erzählt mit einem Lachen:

Ich bin schon so lange dabei, ich habe schon eine Inventarnummer.

Nicole Hintze, Location Managerin

Mietverträge könnte Hintze mittlerweile mit verbundenen Augen schreiben und ausfüllen – eine Situation wie im vergangenen Jahr durch die Corona-Krise, die immer noch anhält, hat sie noch nicht erlebt.

Foto: Lisa Bohlander

Sörensen und Hinrichsen steuern auf den Carport neben dem Büro zu, unter dem Dach hängen ein knappes Dutzend Dachboxen, an der Holzkonstruktion doppelt so viele Sonnenbrillen. „Die haben unsere Kunden vergessen“, sagt Hinrichsen. iPads, Schmuck, Kleingeld, Ausweise – „es gibt nichts, was wir nicht schon gefunden haben.“ Melden sich die Kunden bei Kontaktaufnahme nicht zurück, werden die Fundstücke erstmal aufbewahrt.

Die beiden schnappen sich Handschuhe, Desinfektionsspray und Papiertücher. Lenkrad, Türgriffe, Knöpfe, Bordcomputer – alle wichtigen Kontaktpunkte werden gründlich abgewischt. Mit einem sanften „Plock“ fällt die letzte Tür zu. „Der Kunde soll einfach ein gutes Gefühl haben, wenn er hier vom Hof fährt“, sagt Hinrichsen und versiegelt sie mit einem neuen Buchbinder-Aufkleber.

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