Außengastronomie

Lohnt sich eine Öffnung trotz fehlender Touristen?

Lohnt sich eine Öffnung trotz fehlender Touristen?

Lohnt sich eine Öffnung trotz fehlender Touristen?

Anna Goldbach/shz.de
Amrum/Föhr
Zuletzt aktualisiert um:
Noch stehen weder Tische noch Stühle draßen. Zum Teil kann sich das ab Montag ändern. Foto: Goldbach

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die Außengastronomie in Schleswig-Holstein darf ab Montag öffnen. Einige insulare Betriebe sehen davon jedoch ab.

„Sicher war es gut gemeint von Herrn Günther, aber für uns ist es ein Schlag ins Gesicht“, sagt Nicole Hesse, Vorsitzende des Vereins Föhr-Amrumer Unternehmer (FAU) und Inhaberin des Amrumer Hotels „Seeblick“. Seit Mittwoch steht fest: Die Außengastronomie in Schleswig-Holstein darf unter strengen Auflagen ab dem 12. April öffnen, wie die Landesregierung am 7. April bestätigte. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) machten deutlich, dass Öffnungen in allen Kreisen und kreisfreien Städten möglich sind, in denen die Inzidenz stabil unter 100 liege. Doch statt Erleichterung herrscht auf Föhr und Amrum teilweise Skepsis.

Der Zugang zur Außengastronomie richtet sich dabei nach den aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen – demnach dürfen maximal fünf Personen aus zwei Haushalten an einem Tisch sitzen, Kinder unter 14 Jahren werden nicht mitgezählt. Die Gastronomen müssen Kontaktdaten erheben, und die Abstände müssen in allen Bereichen gewährleistet sein. FFP2-Masken oder medizinische Masken sind Pflicht, lediglich am Tisch dürfen die Gäste diese abnehmen. Das teilte das Land in einer Presseinformation am Mittwoch mit.

 

Sicher war es gut gemeint von Herrn Günther, aber für uns ist es ein Schlag ins Gesicht.

Nicole Hesse, Hotelinhaberin und FAU-Vorsitzende

„Es ergibt für uns einfach keinen Sinn die Außengastro aufzumachen“, erläutert Nicole Hesse. Es sei zu kalt, die Touristen fehlen und noch ist ungewiss, wie in der kommenden Ministerpräsidenten-Konferenz entschieden wird. „Die Stimmen, die sagen, dass ein weiterer harter Lockdown kommen soll, werden ja auch immer lauter.“

In Städten sei die Öffnung der Außengastronomie ein gutes Konzept. Doch dort sei es wärmer, Tagestouristen kämen und es gäbe mehr Einwohner, die die gastronomischen Angebote wahrnehmen könnten. „Hier auf den Inseln sind wir aber auf die Touristen angewiesen, unser volles Portfolio aufzufahren, rentiert sich nicht“, so Hesse. Erst, wenn ein sicherer Tourismus auf den Inseln möglich ist, oder falls Föhr und Amrum gemeinsam mit Sylt und den Kreisen Dithmarschen und Nordfriesland zur „Modellregion Westküste“ werden, würde sich eine Öffnung lohnen.

Insulaner setzen Hoffnungen in Möglichkeit Modellregion zu werden

Ähnliches berichtet auch der Vorsitzende des FAU auf Föhr, Peter Boy Weber. Der Föhrer Unternehmer betreibt unter anderem eine Bar in der Wyker Innenstadt – mit der Öffnung der Außengastronomie wollen er und seine Frau jedoch noch bis zur Ministerpräsidentenkonferenz warten. „Dürften Ferienwohnungen beispielsweise ab dem 19. April wieder Gäste beherbergen, sieht die Situation schon wieder anders aus“, so Weber. Auch er betont, dass die Tages- und Urlaubsgäste für die Gastronomen auf den Inseln überlebenswichtig seien. „Die Betriebs- und Personalkosten sind sonst einfach zu hoch.“

Grundsätzlich sei die Öffnung der Außengastronomie jedoch ein positives Signal, auch „weil es gut ist, dass mal Wort gehalten wurde“. Für Kleinbetriebe, deren Personalschlüssel niedrig ist, sei die Öffnung eine gute Option. „Es wird Zeit, dass wir Modellregion werden“, sagt er.

„Wir freuen uns, dass wir ab Montag die Außengastronomie öffnen dürfen", findet hingegen Agnes Schlüter. Sie betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Roluf Schlüter das Restaurant „Speisekammer“ an der Wilhelmstraße in Wyk. Die Erleichterung über die Lockerungen seien spürbar und Fall hilfreich. „Nur habe ich persönlich noch ein paar Fragezeichen im Kopf: Wie genau das alles ablaufen wird, was Frau Merkel vielleicht noch entscheiden wird, wie die nächsten Bund-Länder-Runden ablaufen und so weiter. Dazu sind ja auch im Grunde keine Urlauber auf der Insel.“ Das hieße, dass sich das Angebot des Restaurants in erster Linie an die Insulaner richten würde, „obwohl wir eigentlich von Insulanern und Touristen gleichermaßen leben“. Besser als vorher sei es dennoch: „Wir beiden hatten die letzten Wochen eine große Sehnsucht, wieder aufmachen zu dürfen. Da ist es schön, wenn wieder ein Stück Normalität zurückkehrt“, so Schlüter.

Tourismuschef setzt auf Insulaner

Einer, der sich ebenfalls über die neusten Lockerungen freut ist Jochen Gemeinhardt, Geschäftsführer der Föhr Tourismus GmbH (FTG). „Ich hoffe, dass viele Betriebe öffnen werden, obwohl noch keine Touristen da sind.“ Er glaubt, dass auch unter den Insulanern ein entsprechender Zulauf da wäre. „Immerhin waren wir alle jetzt schon lange nicht mehr essen.“

Schade sei es nur für all diejenigen Gastronomen, „die nicht das Privileg einer Außenterrasse besitzen“. Hier hätte man einen Schritt weitergehen und unter strengen Hygieneauflagen auch die Öffnung der Restaurants erlauben sollen. Auch Gemeinhardt setzt seine Hoffnungen in die Möglichkeit Modellregion zu werden.

Öffnung der Außengastronomie rentiere sich nicht

Für Christian Lass, Betreiber des Restaurants Strand 33 am Strunwai in Norddorf auf Amrum, lohnt sich eine Öffnung vorerst nicht. „Ich warte mit der Außengastronomie ab, bis das Beherbergungsverbot aufgehoben ist und die Urlauber wieder kommen dürfen. Wir haben in unserer exponierten Lage im Grunde kaum Publikumsverkehr. Wenn keine Urlauber kommen dürfen, rechnet sich das für mich einfach nicht.“

Auch das Restaurant „Torhaus“ am Uasterstigh in Nebel wird seine Außengastronomie am Montag nicht öffnen, wie Andreas Seiffert, Betreiber des Lokals, auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt. „Ich werde mir das Ganze erst mal anschauen. Für fünf Amrumer und zwei Zweitwohnungsbesitzer lohnt es sich kaum, die Außengastronomie aufzumachen.“ Er benötige Vorlauf, um die Lebensmittel zu bestellen und geliefert zu bekommen. „Vielleicht mache ich Ende nächster Woche bisschen Außerhaus, schau mir an, wie die Nachfrage ist und wenn ich merke, das lohnt sich, mache ich vielleicht dann auch irgendwann die Außengastronomie auf“, sagt er dann und fügt hinzu: „Ich finde die ganze Sache mit der Öffnung ab Montag ziemlich planlos und wenig durchdacht, um ehrlich zu sein.“

Für fünf Amrumer und zwei Zweitwohnungsbesitzer lohnt es sich kaum, die Außengastronomie aufzumachen.

Andreas Seiffert, Gastronom

„Wir haben nachweislich nicht zum Infektionsgeschehen beigetragen und müssen seit einem halben Jahr geschlossen haben“, fasst Nicole Hesse ihre Situation zusammen. Dass „alle anderen“ – Tätowierer, Einzelhandel oder auch Friseure – den Betrieb unterdessen schon wieder aufnehmen durften, kann sie nicht verstehen. Die beantragten Überbrückungshilfen für das Jahr 2021 hat sie noch nicht erhalten. Die Lockerungen „bringen uns keinen Schritt weiter“. Was die Gastronomen auf den Inseln bräuchten, sei ein Konzept für eine sichere Öffnung der Innen- und Außengastronomie – denn die Ungewissheit ist groß. „Aus Gesprächen mit Amrumern und Föhrern weiß ich, dass viele Insulaner sich sorgen, was passiert, wenn Touristen ungefiltert auf die Inseln kommen.“ Auch Gäste würden sie immer wieder auf Hygienemaßnahmen und mögliche Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor Covid-19 ansprechen. 

Mehr lesen