Bahnausfälle in ganz Norddeutschland

Nach Sturm „Xavier“: Probleme bei Zugverbindungen auch am Wochenende

Nach Sturm „Xavier“: Probleme bei Zugverbindungen auch am Wochenende

Nach Sturm „Xavier“: Probleme bei Zugverbindungen auch am Wochenende

Anne-Sophie Galli, dpa
Kiel/Hamburg
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Reisende warten in Berlin. Foto: dpa

Per Reisewarnung hat die Bahngesellschaft Metronom Fahrgäste aufgefordert, am Wochenende auf Bahnreisen zu verzichten.

Die Deutsche Bahn hofft, dass die Aufräumarbeiten nach dem verheerenden Sturm „Xavier“ größtenteils Anfang der Woche abgeschlossen sein werden. Das sagte eine Bahnsprecherin am Samstagmorgen. „Das Problem ist, dass Bäume teilweise durch das nasse Erdreich nachkippen und wir dadurch erneut mit der Kettensäge ranmüssen. Wir arbeiten mit Hochdruck, aber es gibt Unwägbarkeiten. Darum ist eine genaue Prognose leider derzeit noch nicht möglich“, sagte die Sprecherin. Mehr als 100 Mitarbeiter und 17 Spezialfahrzeuge zur Reparatur von Oberleitungen seien im Einsatz. In den kommenden Tagen sollen die Verbindungen sukzessive wieder aufgenommen werden.

Die wegen des Sturms „Xavier“ eingestellten Fernverkehrsstrecken Berlin-Hannover und Hamburg-Hannover sollen am Samstag wieder aufgenommen werden. Das teilte die Deutsche Bahn am Freitagabend in Berlin mit. Die Verbindung zwischen Berlin und Hamburg wird demnach erst vom 9. Oktober an wieder befahrbar sein. Die Strecke sei besonders schwer von dem Sturmtief betroffen, hieß es. Auf einer Länge von sechs Kilometer seien die Oberleitungen massiv beschädigt. „Aber wir können jetzt den Reisenden einen nahezu stündlichen Takt anbieten mit Umleitung über Uelzen und Stendal. Es gibt eine Fahrzeitverlängerung von ungefähr 60 Minuten“, sagte die Sprecherin weiter.

Züge aus dem Ruhrgebiet nach Osten fahren von Dortmund nach Hannover und wieder zurück. Reisende mit dem Ziel Leipzig oder Berlin könnten in Hannover umsteigen - und so mit einer allerdings erheblichen Verlängerung der Fahrzeit auch nach Berlin kommen. Das gelte auch für Fahrten von Berlin in den Westen.

Der Nahverkehr lief am Freitag nach Angaben der Bahn in Teilen wieder - insbesondere in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg. Im Großraum Berlin und Magdeburg kam es noch zu Einschränkungen. Diese sollen Montagmorgen behoben sein. Die S-Bahn ist in Hamburg nach Angaben der Bahn wieder auf allen Strecken unterwegs. In Berlin fährt die Ringbahn wieder, auf anderen S-Bahn-Strecken gibt es noch Beeinträchtigungen.

Mit einer Reisewarnung hat die Bahngesellschaft Metronom Fahrgäste dazu aufgefordert, am Freitag und am Wochenende auf Bahnreisen zu verzichten. Nach dem Sturmtief „Xavier“ sei nicht absehbar, wann die Strecken wieder zuverlässig befahren werden können. Die Buskapazitäten seien derzeit vollkommen ausgeschöpft, es könnten auch keine zusätzlichen Busfahrten eingerichtet werden, zudem seien die großen Bahnhöfe überfüllt.

Unter anderem war auf der Metronom-Strecke Cuxhaven - Stade - Hamburg kein Zugverkehr möglich, die Strecke ist bis mindestens Samstag gesperrt. Auch sind die Buskapazitäten zwischen Cuxhaven-Stade erschöpft, ebenso zwischen Hamburg und Bremen. Der Zugverkehr Hamburg - Rotenburg - Bremen ist bis mindestens Samstag gesperrt.

Einen Tag nach dem heftigen Sturm haben am Hamburger Hauptbahnhof noch immer hunderte Reisende in langen Schlangen vor den Bahnschaltern gestanden. Die meisten Fernzüge fuhren aber am Freitagvormittag noch nicht wieder. Die Bahn bot deshalb Fernreisenden Taxifahrten nach Berlin, Bremen, Hannover oder Schwerin an. Sie mussten sich dafür einen Taxigutschein holen und konnten dann mit je drei anderen losfahren. Allerdings gab es auch für die Gutscheine längere Schlangen, und es standen auch nicht sofort Taxis bereit. Viele Reisende zeigten sich aber erleichtert, dass sie nach langem Warten endlich abreisen konnten.

Sturm „Xavier“ war am Donnerstagnachmittag mit Wucht auf den Norden getroffen, hatte vielerorts Bäume entwurzelt und für das Chaos im Bahnverkehr gesorgt. Bei der Bahn wurden Oberleitungen und Masten beschädigt. Für die gestrandeten Reisenden wollte die Bahn in Hamburg am Abend wieder sogenannte Hotelzüge zum Übernachten oder Ausruhen bereitstellen.

Die Bahntrassen würden derzeit mit Hubschraubern abgeflogen, um festzustellen, wo der Sturm Schäden angerichtet hat, sagte eine Sprecherin. Außerdem seien überall fahrbare Hebebühnen unterwegs, um heruntergerissene Oberleitungen wieder instand zu setzen. Es stünden keine Züge mit Fahrgästen auf offener Strecke, teilte sie mit.

Nach Angaben der Deutschen Bahn verkehrt der Sylt Shuttle planmäßig. Auch der blaue Autozug vermeldete freie Fahrt: „Die Einstellung des Personennahverkehrs in Schleswig-Holstein betrifft die Autozugverbindung zwischen Niebüll und Westerland nicht“, hieß es in einer Mitteilung. Auch die AKN gab Entwarnung: „Alle Züge der AKN auf den Linien A1, A2 und A3 fahren heute und voraussichtlich auch am Wochenende planmäßig und in vollem Umfang“, teilte ein Sprecher mit.

Sturmtief „Xavier“ hat Reisende in ganz Deutschland dazu gezwungen, sich alternative Quartiere zu suchen. Etwa 20 Züge, in denen Gestrandete übernachten konnten, wurden in der Nacht zum Freitag zur Verfügung gestellt, wie ein Sprecher der Deutschen Bahn erklärte. So standen zum Beispiel drei Übernachtungszüge in Kassel-Wilhelmshöhe, außerdem gab es sogenannte Hotelzüge auch in Berlin am Hauptbahnhof und an den Stationen Spandau und Südkreuz sowie an den Hauptbahnhöfen in Köln, Dortmund, Bielefeld, Düsseldorf, Leipzig, Hamburg und Hannover.

Die Züge seien unterschiedlich genutzt worden, betonte ein Sprecher.  Während in einem ICE in Dortmund nur 30 Menschen übernachteten, sei ein Zug am Berliner Hauptbahnhof sehr gut gefüllt gewesen. Vor allem die großen Bahnhöfe in der Hauptstadt und in Hamburg waren von der Einstellung des Bahnverkehrs stark betroffen. Es gelte, „diese Strecken schnell wieder flott zu bekommen“, sagte der Sprecher.

Die Strecken Rheine-Norddeich, Kassel-Wilhelmshöhe nach Hannover sind inzwischen wieder frei. In Niedersachsen sind die Strecken der Züge RE5 zwischen Cuxhaven und Hamburg, RE4 und RB41 zwischen Hamburg und Bremen voraussichtlich bis weit in den Tag hinein gesperrt. Bei der RE3 und der RB31 zwischen Lüneburg und Hamburg ist mit Verspätungen zu rechnen. Die Haltestellen Radbruch und Bardowick können nicht angefahren werden.

Die Strecke zwischen Uelzen und Lüneburg ist noch ganz gesperrt. Die Bahn rechnet damit, dass sie gegen 6.30 wieder befahrbar ist, allerdings ebenfalls mit Verspätungen. Die R2 fährt zwischen Uelzen und Hannover nicht und zwischen Hannover und Göttingen ist mit Verspätungen zu rechnen.

Bei der RE50 ist die Strecke zwischen Braunschweig und Hildesheim gesperrt und auf der Teilstrecke Hildesheim - Braunschweig fahren Züge mit Verspätung. Zwischen Wolfsburg und Hannover ist mit der RE30 kein Zugverkehr möglich.

Die Straßen sind in Norddeutschland weitgehend wieder befahrbar. Die meisten Bäume sind weggeräumt. In Hamburg hatte die Feuerwehr in der Nacht mehr als ein Dutzend Einsätze wegen überfluteter Keller. Sie erwarten noch mehr Einsätze.

Zumindest im öffentlichen Nahverkehr in Hamburg gibt es Entwarnung. Ein großer Teil der Strecke könne am Freitag wieder genutzt werden. Dies erklärte ein Sprecher der Deutschen Bahn in der Nacht zum Freitag. Pendler im Berufsverkehr müssten sich aber weiter auf Verspätungen einstellen, „weil viele Züge durch den Sturm nicht da stehen, wo sie eigentlich stehen müssten, wenn sie starten“, sagte der Sprecher. Er stellte klar: „Es wird Verspätungen geben.“  Besondere Beeinträchtigungen werde es auf der S 2, auf der ohnehin Bauarbeiten laufen, und der S 3 geben. Die S 1 konnte am Donnerstag kurz vor Mitternacht wieder komplett in Betrieb genommen werden.

Mancherorts fiel der Strom aus. Am Freitagmorgen waren in Westmecklenburg noch immer 10.000 Kunden ohne Strom. Am Donnerstag waren es zeitweise sogar 35.000 Menschen. Der Sturm entwurzelte zahlreiche Bäume, Ziegel fielen von Hausdächern. Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr mussten auch am Freitag noch Straßen von umgestürzten Bäumen befreien.

In Mecklenburg-Vorpommern blieb der größte Landschaftspark, der Schlosspark Ludwigslust, gesperrt. „Xavier“ habe zahlreiche Bäume entwurzelt, sagte eine Sprecherin des Landesbetriebs für Bau und Liegenschaften am Freitag. In Sachsen warnte die staatliche Forstverwaltung vor dem Betreten der Wälder. „Der Aufenthalt kann lebensgefährlich sein“, sagte ein Sprecher.

Der Klimaforscher Mojib Latif vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung bezeichnete „Xavier“ im SWR als „Schnellläufer“. „Das ist ein Sturm, der nicht unbedingt vorhersehbar ist. Dieses Tiefdruckgebiet heißt so, weil es dann wirklich extrem schnell ziehen kann mit 100 Stundenkilometern.“ Beispiele dafür seien etwa der Sturm „Kyrill“ aus dem Jahr 2007 oder „Lothar“, der 2009 über West- und Mitteleuropa fegte.

Die Meteorologen vom Deutschen Wetterdienst rechneten für das Wochenende mit Schauern und einzelnen Gewitter. Am Freitag warnten sie vor stürmischen Böen vor allem an der Nordsee und im Bergland.

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