Lauter Hygiene-Regeln verletzt

Mitarbeiter klagen Geschäftsführung an

Mitarbeiter klagen Geschäftsführung an

Mitarbeiter klagen Geschäftsführung an

Birger Bahlo
Husum
Zuletzt aktualisiert um:
CJ Schmidt Husum
Mitarbeiter des Husumer Modehauses CJ Schmidt klagen ihre Geschäftsleitung an. Die habe sie nicht ausreichend vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt. Foto: Volkert Bandixen

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Laxer Umgang mit Hygieneregeln bei CJ Schmidt in Husum durch die Chefs – diesen Vorwurf erheben mehrere Mitarbeiter.

Immer mehr Mitarbeiter von CJ Schmidt melden sich bei den Husumer Nachrichten, die sich über die durch das Corona-Virus ausgelösten Turbulenzen in dem Husumer Modehaus beklagen. Dabei zielen die Vorwürfe mehr und mehr auf die Unternehmensleitung. So wird Geschäftsführer Peter Cohrs mittlerweile vorgeworfen, bezüglich der Einhaltung von Hygieneregeln öffentlich Unwahrheiten zu verbreiten. Seine Stellungnahmen zum Infektionsgeschehen auch gegenüber unserer Redaktion stimmten nicht mit den Abläufen und der Wirklichkeit in den Abteilungen überein.

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Ganz frisch meldet sich am Freitag eine Frau in unserer Redaktion. Sie sei sich sicher, durch zwei ihrer Vorgesetzten in der Geschäftsleitung angesteckt worden zu sein. Beide hätten Kontakt zu einer positiv getesteten Person gehabt und sich dennoch mit ihr getroffen.

Vorwurf: Ohne Masken und ohne Abstand

Die Frau, deren Name der Redaktion bekannt ist, beschreibt Sitzungen, „in denen nur die Geschäftsführung die Masken abgenommen hat und mit derart schlechter Laune darauf reagiert hat, wenn man selbst die Maske weiterhin getragen hat.“ In der Geschäftsleitung habe niemals jemand eine Maske getragen, geschweige denn, sich an Abstand gehalten.

 

Es kann nicht sein, dass so ein Fehlverhalten ohne Konsequenz bleibt, obwohl hier nachweislich grob fahrlässige Körperverletzung stattgefunden hat. 

Mitarbeiterin, CJ Schmidt Husum

Damit habe, so fasst die Frau ihren Eindruck zusammen, die Geschäftsführung das Marketing, die Verwaltung und Mitarbeiter im Verkauf „in große Gefahr“ gebracht. Die Gesundheit seiner Mitarbeiter sei ihm und seinen beiden Kollegen „leider komplett egal“, es gehe lediglich um Macht und Umsatz. Wütend fügt die Frau hinzu: „Es kann nicht sein, dass so ein Fehlverhalten ohne Konsequenz bleibt, obwohl hier nachweislich grob fahrlässige Körperverletzung stattgefunden hat.“

Vorwurf: Teststrategie nicht erkennbar

Ein anderer Mitarbeiter, auch er möchte hier seinen Namen nicht lesen, bezichtigt die Geschäftsleitung ebenfalls, öffentlich Unwahrheiten gesagt zu haben. Es habe weder eine Teststrategie gegeben, noch habe man sich in den Büros der Verwaltung an die Vorschriften gehalten.

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Nachfrage beim Gesundheitsamt: Dort liegen zwar keine schriftlichen Beschwerden dieser Art von Mitarbeitern vor, aber im Zuge der Telefonate mit Beschäftigten zur individuellen Verfolgung von Kontakten „ergaben sich jedoch Hinweise darauf, dass die zurzeit erforderlichen corona-bedingten Vorsichts- und Hygienemaßnahmen im Haupthaus nicht durchgängig eingehalten wurden. Insbesondere gab es Hinweise darauf, dass bei verschiedenen Gelegenheiten Mindestabstände nicht eingehalten und Masken nicht getragen wurden.“

Soweit das innerbetriebliche Hygienekonzept nicht konsequent durchgehalten worden sei, sei dies der Geschäftsführung klargemacht worden. Dort ende jedoch die Zuständigkeit des Gesundheitsamtes und beginne die des Arbeitsschutzes.

Arbeitsschutzbehörde ahnungslos

Nachfrage bei der Staatlichen Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse Nord. Die hatte laut ihrer Sprecherin Klaudia Gottheit „keine Kenntnis von dem COVID-19-Geschehen im Husumer Modehaus CJ Schmidt.“ Sie weist darauf hin, dass Gesundheitsämter nicht automatisch die Arbeitsschutzbehörde über einen Corona-Ausbruch benachrichtigen.

Testergebnisse folgen am Wochenende

Aktuell sollen erneute PCR-Tests in der gesamten Belegschaft Klarheit über das weitere Vorgehen bringen. Die ersten Proben seien Mittwoch und verstärkt dann am Donnerstag genommen worden. Die Ergebnisse liegen bis jetzt noch nicht vor, erklärte die Sprecherin des Kreises. Das könne aber bereits am Wochenende der Fall sein.

 

CJ Schmidt Husum
So war das Publikum über die Schließung informiert worden. Foto: Volkert Bandixen

Ein Mitarbeiter richtet Kritik auch ans Gesundheitsamt. Als Kontaktperson 1 zu Infizierten habe er mehrere negative Schnell- und PCR-Tests vorweisen können. Dennoch muss er bis zu diesem Wochenende in Quarantäne. „Völlig grundlos“, wie er meint.

Wir können nicht mehr allen 300 Beschäftigten hinterher telefonieren. 

Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Nordfriesland

Unerfreulich empfand er sein Telefonat mit der Behörde. Dort wurde ihm gesagt, man könne „nicht mehr allen 300 Beschäftigten hinterher telefonieren.“ Das wäre zu viel Arbeit. Daher seien kurzerhand alle aus dem Haupthaus auf einmal in Quarantäne gesteckt worden. Dabei sei er einer von jenen gewesen, die unbeschadet vom Infektionsgeschehen im Home-Office gearbeitet hatten. Hinzu kam nun die Quarantäne, also die strikte Trennung in der Wohnung von Mitbewohnern. „Ich bin entsetzt über das Interesse vom Amt gegenüber einzelnen Personen“, macht der Mann seinem Ärger Luft.

Wieso kommt es überhaupt zu einer pauschalen Quarantäne?

Eine Sprecherin des Kreises erklärt das so: Anfangs sei nur die Kantine als Infektionsherd angesehen worden. Soweit möglich, werde mit Betroffenen individuell abgesprochen, was zu geschehen habe. Doch dann wurden bis in den Verkauf hinein weitere Herde ausgemacht, womit die Behörde umschwenkt. „Bei diffusen Ausbruchsgeschehen mit einer Vielzahl von Infizierten und Kontaktpersonen müssen wir schnell reagieren“ Es gelte, die Gefahr so schnell und so effizient wie möglich einzudämmen, also Infektionsketten zu unterbrechen.

Gefahrenabwehr geht vor individueller Betreuung

Da der Verdacht besteht, dass das Coronavirus sich über die Personalkantine, Funktionsräume und Pausenzonen des Haupthauses verbreitet haben könnte, seien alle Mitarbeitenden ermittelt worden, die sich dort aufhielten. Aber ab dem Zeitpunkt, als es einen positiven Test im Verkauf gegeben habe, sei die Situation als eben ein solches diffuses Ausbruchsgeschehen angesehen worden.

 

Das ist in der Gefahrenabwehr nun einmal so: Zuerst so schnell wie möglich alles unterbinden, danach gegebenenfalls bei besonderen Umständen eine neue Abwägung treffen. 

Sprecherin des Kreises NF

In einigen Fällen mussten daher auch angeordnete Quarantänezeiten angepasst werden. „Das ist in der Gefahrenabwehr nun einmal so: Zuerst so schnell wie möglich alles unterbinden, danach gegebenenfalls bei besonderen Umständen eine neue Abwägung treffen.“

Neustart bei CJ Schmidt am Montag, 12. April

Peter Cohrs teilt derweil mit, dass das Modehaus am Montag, 12. April, nach der tagelangen Quarantäne um 9.30 Uhr seine Türen öffnen wolle. Die Quarantäne laufe bei den allermeisten Mitarbeitern zum Wochenende aus. „Das Team freut sich darauf , die Kunden wieder zu empfangen und zu beraten", sagt Geschäftsführer Christian Rugen. "Wir haben die letzten Tage genutzt, um mit dem Betriebsrat unser Hygienekonzept zu optimieren.“

Was sagt Peter Cohrs zu den Vorwürfen seiner Mitarbeiter?

Die Husumer Nachrichten haben Peter Cohrs um Stellungnahmen zu den Punkten gebeten.

Zur Missachtung von Hygieneregeln:

„Meines Wissens haben wir uns alle in der Firma konsequent an die geltenden Regeln gehalten, so wie es mit zirka 350 Menschen gehen kann.“

Zum Vorwurf, andere angesteckt zu haben:

„Ich kann verstehen, wenn einzelne Betroffene enttäuscht oder innerlich aufgewühlt reagieren. Das Virus ist heimtückisch, nicht kalkulierbar und am Ende eine enorme gesundheitliche Gefahr. Ich versichere, dass kein einziger Termin mit positiv Getesteten stattgefunden hat. Im Falle eines positiv Getesteten ist dieser Mitarbeiter, diese Mitarbeiterin bereits mehrere Tage nicht zur Arbeit gewesen. Also ist auch eine bewusste Ansteckung unmöglich.“

Die Geschäftsleitung habe keine Masken getragen:

„Das stimmt nicht! Auch die Geschäftsführung hat sich an die für alle geltenden Regeln gehalten.“

Forderung nach Konsequenzen wegen angeblich grob fahrlässiger Körperverletzung:

„Haltlos.“

Keine Teststrategie:

„Ich bin froh, dass wir schon vor Monaten einige Tausend Schnelltests bestellt haben, die den Mitarbeitern/innen im Bedarfsfall zur Verfügung standen. Ab sofort ist das gesamte CJ Schmidt-Team gebeten, sich zwei Mal je Woche zu testen. Selbstverständlich gelten unsere Hygieneregeln in allen Bereichen vor oder hinter den Kulissen.“

 

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