Bedingungsloses Grundeinkommen in Flensburg

Absage der Landesregierung: Zukunftslabor statt Feldversuch

Absage der Landesregierung: Zukunftslabor statt Feldversuch

Absage der Landesregierung: Zukunftslabor statt Feldversuch

Jonna Marlin Lausen/shz.de
Flensburg
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Foto: Thomas Heyse/ Ritzau Scanpix

Die Stadt kann sich einen Testlauf weiterhin vorstellen. Die Landesregierung erklärt, dass ein Feldversuch nie vorgesehen war.

Die Landesregierung will im Rahmen eines sogenannten Zukunftslabors die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik neu überdenken. Darauf einigten sich die schleswig-holsteinischen Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag.

Dort heißt es auf Seite 31:

„Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten 15 Jahren dramatisch verändert. Nach der Massenarbeitslosigkeit der Vergangenheit werden Fachkräftemangel und vor allem die veränderten Bedingungen einer digitalisierten Arbeitswelt die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte prägen. Daher müssen auch die Instrumente zur Arbeitsmarktsteuerung und der sozialen Absicherung der Menschen neu ausgerichtet werden. Deshalb wollen wir konstruktiv daran mitwirken, dass flexible und gebrochene Erwerbsbiographien in Zukunft nicht zu unkalkulierbaren Armutsrisiken für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen. Damit sich die Menschen in Zukunft eigenverantwortlich und flexibel im Arbeitsmarkt bewegen können, muss auch das Verhältnis von Arbeit und Absicherung neu austariert werden. Wir werden daher ein Zukunftslabor mit den Akteurinnen und Akteuren der Arbeitsmarktpolitik und aus der Wissenschaft ins Leben rufen, in deren Rahmen die Umsetzbarkeit neuer Absicherungsmodelle, z.B. ein Bürgergeld, ein Grundeinkommen oder die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme, diskutiert und bewertet werden sollen.“

Die Auftaktveranstaltung findet am Donnerstag, 2. Mai, im Audimax der Kieler Fachhochschule statt. Sozialminister Heiner Garg eröffnet die Veranstaltung. Dort präsentieren unter anderem die mit der wissenschaftlichen Begleitung beauftragten Wissenschaftler ihre ersten Forschungsergebnisse.

Zukunftslabor statt Bedingungsloses Grundeinkommen

Dabei handelt es sich um eine deutlich abgeschwächtere Variante dessen, was der damalige schleswig-holsteinische Vize-Ministerpräsident Robert Habeck im Juni 2017 angekündigt hatte. „Ein Grundeinkommen wollen wir regierungsseitig entwickeln und in Schleswig-Holstein als Modellregion erproben", kündigte Habeck damals an. Das hörte sich ganz so an, als würde ein Modellversuch tatsächlich kommen. Habeck brachte die Stadt Flensburg als mögliche Testregion ins Spiel.

Flensburger Ratsversammlung diskutiert Grundeinkommen

Im August 2017 konkretisierte der Flensburger SPD-Vorsitzende Florian Matz den Vorschlag, indem er ihn in die Flensburger Ratsversammlung trug. „Um ein realistisches Bild über die Wirkung des Grundeinkommens zu bekommen, halte ich es für erforderlich, dass der Versuch gerade nicht in einem kleinen Dorf, sondern in einer Stadt gemacht wird. Hierfür bietet sich Flensburg aufgrund seiner Sozialstruktur an“, stellte Florian Matz damals fest.

Matz skizzierte damals auch ein mögliches Modell:  Alle Bürger der Stadt bekämen einen festen monatlichen Betrag (zum Beispiel 1000 Euro) – unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht, und ohne dass sie dafür eine konkrete Gegenleistung zu erbringen haben.

"Für die Stadt Flensburg hätte die Teilnahme an dem Versuch den Vorteil, dass man während der Erprobungsphase freiwerdende Arbeitskapazitäten im Bereich der Leistungsgewährung für konkrete Unterstützung von Langzeitarbeitslosen nutzen könnte", erklärte der SPD Mann damals.

Und auch Robert Habeck bekräftigte seine Entschlossenheit bei dem Thema. "Wir müssen aus der Laberphase rauskommen und endlich mal konkret ausprobieren, was ein Grundeinkommen bewirkt", sagte er damals dem Berliner Tagesspiegel.

Die Flensburger CDU stand dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Der vorgesehene Modellversuch sei Aufgabe des FDP-Gesundheitsministers Heiner Garg, stellte der Flensburger CDU-Chef Arne Rüstemeier klar. Zudem müsse der Versuch so angelegt sein, dass für den Bund eine Aussage möglich sei.

Ratsversammlung beauftragt Landesregierung

Im Dezember 2017 stimmt der Flensburger Sozialausschuss mit fünf Stimmen von SPD, SSW und Grünen gegen drei Stimmen von CDU und FDP dafür, sich "nachdrücklich" für einen Feldversuch zum Bedingungslosen Grundeinkommen bei der Landesregierung sowie beim Bund einzusetzen.

Im Januar 2018 gab es dann im Finanzausschuss – anders als noch im Sozialausschuss im alten Jahr – keine Gegenstimme mehr. Die Politiker einigten sich drauf, einen Feldversuch in einem repräsentativen Ausschnitt der Stadt durchzuführen. Das wollten nicht nur SPD, SSW, Linke, Grüne und WiF, sondern auch die Oberbürgermeisterin. Die CDU hatte zwar Bedenken, war aber nicht mehr grundsätzlich dagegen und enthielt sich im Finanzausschuss der Stimme. Damit war der Auftrag an die Landesregierung klar.

Absage von der Landesregierung

Nachdem die Stadt Flensburg ihr Interesse für den Feldversuch bekundet hatte, ging eine geraume Zeit ins Land, erklärt Stadtsrpecher Clemens Teschendorf auf Nachfrage von shz.de. Schließlich erteilte die Landesregierung dem Vorhaben eine Absage. In einem Brief an die Oberbürgermeisterin Simone Lange machte Sozialminister Heiner Garg deutlich, dass die Landesregierung keinen Feldversuch vorgesehen habe. Das bestätigt der Sprecher des Sozialministeriums Frank Strutz-Pindor:

Der Minister hat vielmehr, auch in seinem Schreiben an Frau Oberbürgermeisterin Lange, dargelegt, dass es zwischen dem Modellversuch und dem von der Landesregierung auf den Weg gebrachten Zukunftslabor, anders als dies der Beschluss der Flensburger Ratsversammlung nahelegt, keine Verknüpfung gibt.Sprecher des Sozialministeriums Frank Strutz-Pindor

Doch was wurde eigentlich aus dem Feldversuch?

Feldversuch erst in nächster Legislaturperiode 

Ein Feldversuch liegt damit in weiter Ferne. Zudem würde er sich auch nicht automatisch auf Schleswig-Holstein beziehen. Denn zunächst sollen die "gewonnenen Erkenntnisse" aus dem Zukunftslabor in die bundespolitische Diskussion getragen werden. Damit würden eventuelle Feldversuche erst deutlich in die nächste Legislaturperiode fallen, erklärt Strutz-Pindor weiter.

Flensburg ist gewappnet

Die Stadt Flensburg teilt derweil mit, dass sie ihr Interesse an einem Feldversuch keinesfalls zurückgezogen habe:

Wir finden die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens nach wie vor interessant und interessieren uns dafür, wie das in der Realität dann aussehen würde.Clemens Teschendorf, Sprecher der Stadt Flensburg

 Deshalb hatte die Stadt im Oktober letzten Jahres trotz Absage vom Land, zu einer Informationsveranstaltung geladen. Sozusagen ein Flensburger Zukunftslabor. Hier diskutierten der ehemalige Abgeordnete des EU-Parlaments Alexander de Roo und die Geschäftsführerin der DGB-Region Nordwest Susanne Uhl in der Bürgerhalle des Flensburger Rathauses mit etwa 300 Bürgern über das Für und Wider eines Bedingungslosen Grundeinkommens. "Und die Ergebnisse dieser Diskussion haben wir ja nach wie vor", erklärt Teschendorf. Interessant würde es sein zu sehen, was das mit den Menschen machen würde. Und das könne man eben am besten herausfinden, indem man es teste. "Wir würden hier nicht bei Null anfangen."

 

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